Kelkheim (kez) – „Meiningen und das Dampflokwerk sind immer eine Reise wert“ – das sagten sich eine ehemalige Bürgermeisterin und Kreisbeigeordnete, drei Bürgermeister, zwei Stadträte und eine Delegation der HLB, als sie sich mit einem Minibus des Betriebshofes Kelkheim von Königstein in Richtung Meiningen aufmachten. Die Initiative kam von Vorständen der Stiftung Deutsche Dampflokomotiven (SDD), Matthias Kopitzki und Marvin Christ. Durch zahlreiche Veröffentlichungen wurden die Eingeladenen aufmerksam auf den interessanten Lebenslauf der FK 262 (FK steht für Frankfurt Königstein), welche jetzt von der SDD erworben wurde und auf der „Krankenstation“ im Dampflokwerk in Meinungen wieder zum „Eisenbahnromantikleben“ erweckt werden soll. Das Dampflok-Unikat FK 262 wurde in der hessischen Lokschmiede Henschel konzipiert und anschließend unter der Fabriknummer 25263/54 in Kassel gebaut. Sie ist der 86er Baureihe mit vier Triebachsen und zwei zusätzlichen Achsen vorne und hinten zuzuordnen. 1954 wurde sie bei der Kleinbahn AG Höchst-Königstein, der späteren Frankfurter Königsteiner-Eisenbahn (FKE), in Dienst gestellt.
Zugunglück
Unvergessen ist das furchtbare Zugunglück vom 17. November 1966. Ein in Kelkheim-Hornau abgestellter dreiteiliger Triebwagen machte sich, bedingt durch ein technisches Versagen, selbstständig und kollidierte bei Oberliederbach mit einem entgegenkommenden Personenzug des Berufsverkehrs bei sehr hoher Geschwindigkeit. Dieser wurde von der besagten FK 262 gezogen. Es scheiterten Versuche, den Geisterzug durch einen Bremsschuh zum Ablenken aus dem Hauptgleis zum Entgleisen zu bringen. 7 Menschen verloren ihr Leben, weitere 70 Personen erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Die FK 262 kam relativ glimpflich davon. Durch beherztes Eingreifen des Lokführers und des Heizers konnte der „Kesselknall“ der Lokomotive verhindert werden. Drei Jahre später – am 17. August 1969 – beendete die Lokomotive FK 262 mit einem Sonderzug den Einsatz von Dampflokomotiven auf der Strecke von Frankfurt nach Königstein. Die Eisenbahnromantik der Dampflokomotiven verblasste. Es begann das Zeitalter der Diesellokomotiven und der Dieseltriebwagen. Seit 2012 wurde die FK 262 durch die Bahnbetriebe Blumberg & Co. KG. betrieben und auf der „Sauschwänzle-Museumseisenbahn“ im Südschwarzwald eingesetzt. Die Fahrten mit der Dampflok und nostalgischen Waggons waren besonders beliebt und machten die Region des Südschwarzwalds auf diese Weise touristisch reicher. Wegen ausbleibender Fahrgäste während der Pandemie sahen sich 2021 die Bahnbetriebe Blumberg & Co. KG zum Verkauf genötigt. Die FK 262 ist derzeit in alle Einzelteile zerlegt und wartet beim Dampflokwerk in Meiningen/Thüringen auf den Auftrag zur Sanierung und zum Zusammenbau. Nach Gründung der SDD hat diese Stiftung die FK 262 zu Sonderkonditionen erworben. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass sich Jugendliche und junge Väter als Ehrenamtliche in diese Stiftung einbringen. Bei der FK 262 handelt es sich um eine authentische Lok. „Eine waschechte Hessin möchte in ihre Heimat zurückkehren“ – so heißt es im Flyer der SDD.
Dampflokwerk Meiningen
Das Dampflokwerk Meiningen hat sich seit der Gründung 1914 über die Jahre zu einem Kompetenzzentrum für historische Schienenfahrzeuge sowie Spezialfahrzeuge entwickelt. Regel- und Schmalspurlokomotiven für die DB AG, Privatbahnen, Museumsbahnen und Eisenbahnvereine aus dem In- und Ausland werden hier instandgesetzt. Einzelne Baugruppen und Komponenten für historische Dampflokomotiven aus ganz Europa, wie beispielsweise Dampflokkessel, werden ebenfalls aufgearbeitet oder neu gefertigt.
Eisenbahnromantik
Das Dampflokwerk sorgt aber nicht nur für eine starke Zugkraft, sondern bewahrt auch durch die Aufarbeitung von historischen Reisezugwagen ein Stück Eisenbahnromantik. Zusätzlich ist das Werk eine wichtige Anlaufstelle für Betreiber von Bau-, Bergungs- und Bahndienstfahrzeugen und führt unter anderem Fristarbeiten und Reparaturen an Schneepflügen und -schleudern der DB Netz AG wie auch an Schienendrehkranen durch.
Philipp Seeber und Sebastian Kublik begleiteten die Delegation zu einer interessanten Führung in die Welt der Dampflokomotiven. Meiningen liegt in der zentralen Achse von drei wichtigen Eisenbahnstrecken in Richtung Erfurt, Eisenach und Coburg. Die Probefahrten mit den aufgearbeiteten Dampfloks erfolgen nach Eisenach und zurück. Die Inspektion des Kessels musste alle vier Jahre und des Fahrwerks alle acht Jahre erfolgen.
Derzeit sind 120 Mitarbeiter und 15 Auszubildende im Dampflokwerk beschäftigt. In Spitzenzeiten der ehemaligen DDR waren es 2.500 Beschäftigte, die die Dampflokomotiven auf Vordermann brachten. Das Dampflokwerk war der größte Arbeitgeber in Meiningen.
Puzzle
So konnte sich die Delegation aus den Taunuskommunen bei der Besichtigung über viele Komponenten einer Dampflokomotive kundig machen und sich das „Puzzle“ der FK 262 anschauen: Laufradsätze, Kuppelradsätze, Achslager, Lenkgestelle, Kuppelstangen, Treibstangen, Dampfzylinder und der Kessel mit der Rauchkammer. Alle diese Komponenten sind in einem umfangreichen 15-seitigen EXCEL-Sheet beschrieben und jede der über 500 Einzelmaßnahmen ist kostenmäßig erfasst. Die Delegation war sich einig darüber, dass dieses Projekt realisiert werden soll, und hierzu sind v.a. die Kommunen gefragt. Es sind diejenigen, die sich an der Strecke von Frankfurt-Höchst nach Königstein, von Frankfurt über den Westbahnhof, Eschborn nach Kronberg und Bad Soden und an der Taunusbahn nach Grävenwiesbach befinden. Hier wird sich ein „runder Tisch“ vor allem der Bürgermeister formieren, damit diese „waschechte Hessin“ wieder zurück in ihre Heimat kommt. „Dies ist eine einzigartige Chance und wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, damit diese authentische Dampflok wieder zum Einsatz kommt“ – so Jochen Fink von der HLB.