Kelkheim (ju) – Die schlechte Nachricht zuerst: Rund 300 Kelkheimer Bürgerinnen und Bürger haben nicht genügend Geld, um sich adäquat mit Lebensmitteln zu versorgen. Sie sind auf das Angebot der Tafel Hattersheim-Hofheim angewiesen.
Tafel Deutschland
Dabei gibt es in Deutschland Lebensmittel im Überfluss – dennoch herrscht bei vielen Menschen Mangel. Unterstützt durch zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bemühen sich die Tafeln in Deutschland um einen Ausgleich für armutsbetroffene Menschen in ihrer Stadt.
Die Tafel Deutschland unterstützt und vertritt die 975 Tafeln in Deutschland. Sie sammeln qualitativ einwandfreie Lebensmittel, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden, und verteilen diese kostenlos oder gegen einen symbolischen Betrag an armutsbetroffene Menschen. Die Tafeln gelten als eine der größten sozialen Bewegungen Deutschlands. Etwa 1,6 bis 2 Millionen Menschen werden so mit Lebensmittelspenden unterstützt. Zu den Tafel-Kunden zählen Arbeitslose genauso wie Geringverdiener und Rentner. Da Alleinerziehende und Migranten besonders häufig von Armut betroffen sind, fragen sie die Hilfe der Tafeln besonders häufig nach.
Tafel Hattersheim-Hofheim
Die Tafel Hattersheim-Hofheim versorgte 2023 1.216 Haushalte mit insgesamt 2.909 Personen, davon 933 Kinder bis 16 Jahre. In den Ausgabestellen Hattersheim und Hofheim werden wöchentlich ca. 390 berechtigte Haushalte, deren Bedürftigkeit belegt ist, mit den gesammelten Lebensmitteln versorgt. Träger dieser Tafel ist die Caritas Main-Taunus in Hofheim. Die Zahlen für Kelkheim sind erschreckend, wie Markus Barthel von der Hattersheimer Tafel zu berichten weiß. „Waren es 2022 rund 150 Menschen, die bei uns Lebensmittel bezogen, sind es Stand heute schon über 300, Tendenz steigend“, so die nüchternen Zahlen.
Umso mehr freut er sich über das Engagement des örtlichen Rotary Clubs und des REWE Marktes in der Stadtmitte, die am Samstag, 4. Mai, von 8 bis 16 Uhr einen gemeinsamen Action Day unter dem Motto „Kauf 1 mehr“ initiieren. Die Idee dahinter ist ziemlich simpel, wie Joachim Schwind vom Rotary Club Kelkheim erklärt: „Im Eingangsbereich des Marktes werden länger haltbare Produkte des täglichen Bedarfs stehen. Die Kunden können diese Waren mit in ihren Einkaufskorb legen, bezahlen und am Ausgang den bereitstehenden Mitgliedern des Clubs aushändigen, die die gesammelte Ware an Mitarbeiter der Tafel weitergeben.“
Dinge des täglichen Bedarfs
Marktleiter Anton Klotz legt nach Absprache mit dem Gebietsleiter noch einen drauf. „Wir werden die von Kunden gekaufte Ware verdoppeln“, verspricht er zur großen Begeisterung von Johannes Schmittat, Präsident des RC Kelkheim, Jürgen Machalett, Incomming Präsident RC Kelkheim und Joachim Schwind. Auch die ehrenamtlichen Helfer der Tafel sind sichtlich bewegt. Denn sie können jede Lebensmittelspende mehr dringend gebrauchen. Gemeinsam mit ihnen hat der Markt abgestimmt, welche Lebensmittel im Eingangsbereich stehen werden. Haltbar müssen sie sein wie zum Beispiel Nudeln, Reis oder Hülsenfrüchte. Aber auch Hygieneartikel werden dabei sein. Bei durchschnittlich 2.000 bis 2.800 Kunden an einem normalen Samstag hofft man auf viele Spenden. Klotz unterstützt den Action Day aus vollster Überzeugung. „Ich habe großen Respekt vor all den ehrenamtlichen Helfern, die ganz uneigennützig da anpacken, wo andere schweren Herzens nach Hilfe fragen müssen.“ Denn dass der Schritt zur Tafel nicht einfach ist, kann er sich gut vorstellen. Wer gibt schon gerne zu, dass er Hilfe braucht?
Kelkheimer Hilfsbereitschaft
Dass die Bereitschaft der Kelkheimer, zu helfen, groß ist, weiß man nicht erst seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine. „Es ist für mich als Bürgermeister auch immer wieder schön zu sehen, wie Vernetzungen und soziales Engagement in Kelkheim zusammenfinden. Die Zahlen aus Kelkheim zeigen uns, dass es ein Thema vor Ort ist. Doch nicht nur hier wächst die Anzahl der Hilfebedürftigen. Im gesamten Rhein-Main-Gebiet steigt der Zulauf der Tafeln“, erklärt Albrecht Kündiger.
Dass es inzwischen 5 nach 12 ist, bestätigt auch Markus Barthel. Neue Kunden könne man derzeit nicht mehr aufnehmen, die zwei Ausgabestellen in Hattersheim und Hofheim hätten ihre Kapazitäten schon weit überschritten. Von daher gibt es auch bei der Stadt Überlegungen, einen Standort in Kelkheim einzurichten. Dass das natürlich nicht einfach ist, bestätigt auch der Rathauschef. Die Ausgabestelle müsste bestimmte Voraussetzungen erfüllen, man sei aber auf der Suche.
Weitere Unterstützung
Unterstützung gibt es dabei auch vom Rotary Club. „Unser Ziel wäre es schon, hier einen Platz zu finden. Damit würde sich die Lage in Hofheim etwas entzerren, und gerade Menschen mit Einschränkungen müssten nicht mehr den weiten Weg auf sich nehmen“, findet auch Jürgen Machalett. Er möchte während seiner Präsidentschaft, die am 1. Juli beginnt, dieses Thema in den Fokus stellen.
Hilfe bekommt die Tafel von Seiten der Rotarier auch bei der Digitalisierung. Derzeit ist Robert Hoffmann dabei, eine Software zu entwickeln, die die Registrierung und den Nachweis der Bedürftigkeit der Kunden vereinfachen soll. Und das alles ehrenamtlich. Einer dieser 100 engagierten Helfer der Tafel ist Arno Schmidt. Er hilft, wo er kann, fährt mit seinem privaten Pkw Lebensmittel abholen, bringt sich bei der Ausgabe ein und setzt auf Vernetzung. „Je mehr Unternehmen, Politik und Ehrenamtler zusammenarbeiten, neue Wege und Lösungen suchen, umso unkomplizierter und schneller kann man handeln“, ist er sich sicher.
Der REWE Markt in der Stadtmitte geht mit gutem Beispiel voran. Montags und donnerstags wird der Supermarkt von der Tafel angefahren, spendet seine Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden. Dies tun auch 40 bis 50 weitere Unternehmen aus dem Main-Taunus-Kreis, die eng mit der Tafel zusammenarbeiten.
Am Samstag haben es nun die Kelkheimer in der Hand, wieviele Lebensmittel für die Bedürftigen zusammenkommen. Alle Beteiligten sind optimistisch, dass das Ergebnis ein tolles sein wird. Schwind: „Wir haben tiefes Vertrauen in die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.“