Kelkheim
(ju) – „817 Stunden Sonne – mehr gab es nie“ – so vermeldete am Dienstag der Deutsche Wetterdienst. Länger hat die Sonne in Deutschland noch nie geschienen, das Rekordjahr 2003 (793,3 Stunden) ist damit Geschichte. 817 Sonnenstunden heißen leider auch: kein Regen, kein Niederschlag. Quellen versiegen, Flüsse trocknen aus, Fische sterben, Stauseen und Talsperren kämpfen mit niedrigen Pegeln.
Einfach weiter so
Und der Mensch? Macht weiter wie zuvor. Pools werden befüllt, Beregnungs- und Bewässerungsanlagen laufen weiter, wegen der Hitze wird dauergeduscht. Bestes Beispiel: Kelkheim. Wie Bürgermeister Albrecht Kündiger auf einer live bei NTV zu sehenden Pressekonferenz bekannt gab, leben die Kelkheimer Bürgerinnen und Bürger über ihre Verhältnisse. „In ‘normalen‘ Jahren hat die gesamte Stadt einen täglichen Wasserverbrauch von 3.500 Kubikmetern, wir liegen derzeit bei 5.500“, so der Rathauschef mit den erschütternden Zahlen. Schon lange stand die Wasserampel auf dunkelrot, doch die Appelle der Stadt an ihre Einwohner verhallten. Das kostbare Nass steht jedoch nicht endlos zur Verfügung. „Kelkheim wird zu 40 Prozent durch Brunnen versorgt, 60 Prozent des benötigten Wassers kommen über Leitungen von Hessenwasser“, erklärte Kündiger. Die Brunnen sind schon lange an ihrem Limit. Das weiß niemand besser als Wasserwerksmeister Christian Schmitt. Er wacht mit Argusaugen über die Wasserstände in den Brunnen und Hochbehältern. Gerade die tief in die Erde gebohrten Wasserspender machen ihm Sorgen. „Die Verbräuche sind höher als die Menge an Wasser, die wir fördern können – sprich, die Brunnen sind an ihrer Kapazitätsgrenze“, erläutert der Fachmann. Jeder Liter, der jetzt zusätzlich entnommen wird, könnte zu einer Verockerung der Kanäle führen, da Brunnen nicht bis auf den letzten Tropfen leergesaugt werden dürfen. Passiert das, ist der Brunnen nicht mehr zu gebrauchen, müsste kostenintensiv (bis zu 500.000 Euro) regeneriert werden – ohne Gewährleistung, dass er danach wieder die volle Leistung bringt.
Wassernotstand
Die Grenzen dessen, was die Bürger im ausgerufenen Trinkwassernotstand dürfen und was nicht, sind klar gezogen: kein Befüllen von Pools, kein Bewässern von Rasen- und Grünflächen, keine Beregnung von Sportflächen wie Tennis- oder Fußballplätzen. Die alltäglichen Dinge wie Duschen, Wäsche waschen etc. sind erlaubt. Kübelpflanzen dürfen mit der Gießkanne gegossen werden. Aber immer in Maßen. Die Stadt geht mit gutem Beispiel voran, stellte die Springbrunnen im Stadtgebiet ab, öffentliche Grünanlagen werden nicht mehr bewässert, das Gießen der städtischen Blumenkästen wurde auf ein Minimum runtergefahren. Über das Wochenende kamen die Aufrufe zum Wassersparen wohl doch ein Stückweit bei den Bewohnern an. „Die Wasserentnahme ist gesunken, aber bei Weitem noch verbesserungswürdig“, so der Bürgermeister. Problem in Kelkheim: Sinken normalerweise in der Nacht die Wasserentnahmen, passiert das in Kelkheim nicht. Ergebnis: Die Brunnen haben immer weniger Ruhezeiten, um sich zu erholen. Weniger Erholung, weniger Wasser, bis hin zum Supergau.
Stadt hat viel investiert
Dabei hat die Stadt nach den heißen Sommern 2018 und 2019 Einiges investiert, um die Wasserversorgung der Stadt sicherzustellen. Die Hochbehälter an der Gundelhardt und in Ruppertshain wurden ausgebaut: der HB Gundelhardt von 2.000 Kubikmeter auf 4.000, in Ruppsch ist die gesamte Speicherkapazität inklusive des alten Hochbehälters Rossert auf 800 Kubikmeter Trinkwasser erhöht worden. Außerdem wurden neue Leitungen zwischen Ruppsch und Fischbach gelegt, um im Notfall Wasser in die Bergdörfer pumpen zu können. Man hatte gelernt aus den vorherigen Jahren, in denen von der Feuerwehr Notleitungen gelegt werden mussten. Der Brunnen in Hornau wird derzeit mit Ausgleichsleitungen versehen. Das größte Projekt: Die Leitungen von Hessenwasser, die von Zeilsheim aus nach Münster das Trinkwasser weiterleiten, werden erweitert. Es werden Rohre mit einem größeren Durchmesser verlegt, um mehr Wasser durchpumpen zu können. Doch all diese Maßnahmen verpuffen, wenn die Bürger nicht mitziehen.
Weitere Maßnahmen
Axel Huppert, stellvertretender technischer Leiter der Stadtwerke, fasst es in Worte: „Wasser ist unser Lebensmittel Nummer 1. Es ist zum Verzehr gedacht und nicht zum Verschwenden.“ Sollte sich des Verhalten der Kelkheimer nicht ändern, müssten wesentlich drastischere Schritte in Betracht gezogen werden bis hin zum Abstellen des Wassers zu bestimmten Zeiten. Oberste Priorität hat derzeit die Sicherstellung der Wasserversorgung in Hornau – derzeit das größte Sorgenkind. Auch Christian Schmitt appelliert noch einmal eindringlich an die Eigenverantwortlichkeit der Bürger und verwahrt sich gegen die Vorwürfe aus der Bevölkerung, dass die Stadt tatenlos zuschaue. „In den letzten Jahren wurde soviel in die Wasserversorgung investiert wie noch nie.“ Die Wahrnehmung sei wohl die: Wenn es regnet, ist es allen egal, aber sobald es brisant wird, kommen die Vorwürfe.
Den Kelkheimern sei eine Dokumentation (ARD Mediathek, Die Story im Ersten, „Die große Dürre“) ans Herz gelegt, die die derzeitige Situation der Wasserversorgung rund um die Stadt Frankfurt beschreibt. Vielleicht verstehen die Menschen dann endlich, dass wir auf Pump leben und unser Verhalten grundlegend ändern müssen.