Ein Kelkheimer Hausarzt zum Thema Corona-Impfprogramm

Ich bin frustriert – okay, die Impfkampagne in den Arztpraxen läuft seit drei Wochen, und die erste davon hat meine Praxis wegen unseres Urlaubs aussetzen müssen. Aber seitdem „stolze“ 58 Impfdosen, das ist eher ein Witz als eine ernsthafte Hilfe für uns Niedergelassene.

Ich bin frustriert – der Kampf um die begehrten Plätze – sprich Impfungen – tobt unter unseren Patienten.

Was wir so zu hören bekommen: In der Nachbarpraxis werden mittlerweile schon die 40-jährigen geimpft, oder: Alle meine Freunde, auch die, die zehn Jahre jünger sind, sind schon geimpft. Kurzum: Es treten leider nicht immer die vornehmsten Charaktereigenschaften zu Tage, und wir als Praxis stehen dem Ganzen einigermaßen hilflos gegenüber.

Ich bin frustriert – stundenlang sitze ich mit meinen Mitarbeiterinnen über der Liste der potentiellen Impflinge, und wir zermartern uns das Hirn, wie wir es einigermaßen gerecht hinbekommen können, den Mangel zu verwalten.

Und dann erklärt uns die Hälfte der Kontaktierten, dass sie mittlerweile einen Termin im Impfzentrum haben oder bereits geimpft sind.

Wieso in aller Welt werden in den Impfzentren bereits die unter 60-jährigen geimpft, wenn wir noch nicht einmal die Alten und Kranken vollständig versorgt haben?

Ich bin frustriert – denn am Ende kann ich das Unverständnis meiner Patienten nachvollziehen – wer kann so ein absurdes Verteilungsgebaren auch verstehen?!

Zu guter Letzt bin ich frustriert, wenn ich höre, dass in den Impfzentren für den gesamten Aufwand ungefähr 120 Euro pro Impfung verrechnet werden, und wir Hausärzte erhalten für die gleiche Leistung 20 Euro, inklusive des gesamten organisatorischen und bürokratischen Aufwands.

Das hat mit Wertschätzung der geleisteten Mehrarbeit des gesamten Personals wenig zu tun.

Was mein Team und mich dennoch motiviert, ist die Dankbarkeit der Patienten, die seit Wochen auf einen Impftermin bei uns gewartet und dann „das goldene Los“ gezogen haben. Außerdem gibt es viele, die uns ermutigen, die Verteilung gerecht zu handhaben, und nicht nur ihr eigenes Wohlergehen im Sinne haben.

Und natürlich motiviert uns, dass wir besser als jeder Algorithmus die wirklich Impfbedürftigen identifizieren – und trotz allen Mangels am Ende hoffentlich angemessen versorgen können.

Dr. med. Andreas Thonke, Hausärztlicher Internist in Kelkheim.



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