Die Kraft der Sonne – grüner Strom von Balkonkraftwerken

Andrea und Jochen Ballach haben sich schon vor einiger Zeit für ein Balkonkraftwerk entschieden. Da ihr Balkon eine perfekte Ausrichtung hat, bot es sich an, hier die Panele zu befestigen und von dem so erzeugten Strom Waschmaschine, Kaffeemaschine oder Bügeleisen zu betreiben. Foto: Judith Ulbricht

Kelkheim (ju) – Dieser Tage werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Ein bedeutender Schritt in eine Zukunft ohne Atomkraft und Endlager. Dabei wird verstärkt auf erneuerbare Energien gesetzt – Wind und Sonne. Und das Gute dabei: Schon im Kleinen kann man damit anfangen – mit Balkonkraftwerken.

Informationstag

Das hat auch die Stadt Kelkheim entdeckt und setzt auf die finanzielle Unterstützung von Menschen, die sich ein Balkonkraftwerk installieren. Mit 100 Euro unterstützt die Stadt die ersten 500 Balkonkraftwerke, die sich Mieter, aber auch Hauseigentümer auf ihren Balkonen oder geeigneten Orten einbauen lassen. Auf Initiative der Grünen, der ukw und der Stadt gibt es eine Aufklärungskampagne, die am Samstag, 22. April, mit einem Informationstag das städtische Förderprogramm „500 Balkonkraftwerke für Kelkheim“ vorstellen und Bürgerinnen und Bürger ermutigen möchte, diesen Schritt zu gehen. Ab 13.30 Uhr kann ein Kraftwerk direkt vor dem Rathaus live erkundet werden. Dabei können drängende Fragen beantwortet und vor Ort nachempfunden werden. Wieviel Strom wird gerade produziert? Was kann ich damit betreiben? Wie funktioniert das im Netz? Ganz nach dem Motto: Sehen, anfassen und verstehen! In anschließenden Vorträgen im Gartensaal des Rathauses gibt es allerlei Wissenswertes rund um die Kleinstkraftwerke, das Förderprogramm und hilfreiche Praxistipps.

Einer, der schon eine Weile mit seinem Balkonkraftwerk arbeitet, ist Jochen Ballach. Seine Frau und er hatten wie viele mit den steigenden Strompreisen zu kämpfen, außerdem wollten die beiden ein Stück autarker werden. Zwei Panelen schmücken jetzt den Balkon, von Jochen Ballach selbst befestigt, denn es braucht zur Installation weder Handwerker noch Elektriker – nur ein bisschen Geschick. „Im Grunde genommen ist so ein Balkonkraftwerk das Einsteigermodell. Hier kann man erstmal schauen, was geht, wieviel man produziert und sich dann eventuell sogar für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach entscheiden“, so Ballach. Er ist von dem Konzept komplett überzeugt, und auch die Beantragung der Bezuschussung bei der Stadt läuft völlig problemlos. Derzeit seien schon 50 Balkonkraftwerke in Kelkheim installiert worden und hätten auch den Zuschuss erhalten. Doch es sollen noch viel mehr werden. Bei der Familie Ballach wird durch den grünen Strom über das Kraftwerk Einiges an Grundbedarf gedeckt. Auf seiner App kann Ballach genau verfolgen, was an Leistung reinkommt, wieviel er davon selbst verbraucht und was eventuell ins Netz gespeist wird. „Ich glaube auch, dass das wichtig ist, für Menschen, die darüber nachdenken, sich eine solche Anlage zu installieren. Was spare ich mir am Ende des Jahres an Stromkosten“, weiß Ballach. Schon nach 5 bis 8 Jahren hat sich das Kleinstkraftwerk amortisiert, außerdem geben die meisten Hersteller 25 Jahre Garantie auf die Anlagen. „Man kann also nichts falsch machen.“

Was ist ein Balkonkraftwerk?

Ein Balkonkraftwerk wird auch Kleinsterzeugungsanlage, Stecker-Solaranlage oder Mini-PV genannt. Es handelt sich um eine Mini-Solaranlage, die man nach der Installation einfach an die Steckdose im Haus anschließt. Die Sonnenenergie wird durch einen integrierten Wechselrichter in 230 Volt-Wechselstrom umgewandelt, sodass damit alle elektrischen Geräte von der Kaffeemaschine bis zur Spielekonsole in der Wohnung mit Strom versorgt werden können. Die nicht verbrauchte Energie fließt automatisch ins öffentliche Stromnetz. Eine Einspeisevergütung wie bei Photovoltaikanlagen ist in diesem Fall allerdings nicht sinnvoll. Pro eingespeister KW Solarstrom bekommt man aktuell nur sieben Cent vom Netzbetreiber. Zudem steckt ein erheblicher bürokratischer Aufwand dahinter, und der erzeugte Strom aus einem Balkonkraftwerk wird ohnehin so gut wie immer komplett verbraucht.

In Deutschland sind nur Balkonkraftwerke bis 600 Watt erlaubt, das sieht in einigen europäischen Nachbarländern schon anders aus. Das liegt an gesetzlich festgelegten Sicherheitsvorkehrungen. Erzeugt das Kraftwerk mehr Strom, drosselt der Wechselrichter die Anlage automatisch. Man muss sich also keine Sorgen machen.

Wer sich so ein Mini-Kraftwerk anschaffen möchte, muss mit Kosten zwischen 500 und 1.400 Euro rechnen. Je nachdem, wie viel Strom man verbraucht, sind die Kosten bereits nach fünf Jahren wieder gedeckt. Zum Vergleich: Bei einer fest installierten Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher amortisieren sich die Kosten erst nach neun bis elf Jahren.

Experten gehen davon aus, dass ein Haushalt mit einem Balkonkraftwerk circa 10 bis 20 Prozent seines Stroms selbst produzieren kann. Doch wie läuft das dann mit dem Stromzähler? Derzeit gilt: Der Stromzähler darf sich nicht rückwärts drehen. Da die eingespeiste Strommenge von Stecker-Solargeräten zu gering ist, kommt es in den meisten Fällen auch nicht dazu. Wer nur einen Einrichtungszähler hat, muss einen Stromzähler mit Rücklaufsperre oder einen Zweirichtungszähler installieren lassen. Die Umrüstung erfolgt in der Regel über die Netzbetreiber, im Falle von Kelkheim über die Syna. Hier könnte sich allerdings bald etwas ändern: In einem Positionspapier fordert der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE), dass die Mini-PV-Anlagen bis zu einer Grenze von 800 Watt Gesamtleistung künftig mit jedem Zählertypen verwendet werden dürfen. Das würde bedeuten: Die Zähler dürfen im Ausnahmefall auch rückwärts laufen.

Keine Mehrwertsteuer

Natürlich erzeugt eine fest installierte Photovoltaikanlage viel mehr Strom, so dass man das ganze Haus versorgen und gleichzeitig noch Strom speichern kann; das ist heute aber noch sehr kostenintensiv, denn gerade die Speicher kosten derzeit noch sehr viel Geld, und andere Möglichkeiten, wie beispielsweise das E-Auto als Speicher nutzen zu können, sind in Deutschland noch nicht erlaubt. Doch vor allem für Mietwohnungen ist ein Balkonkraftwerk eine rentable und kostengünstige Möglichkeit, Stromkosten zu sparen. Seit dem 1. Januar 2023 gibt es zudem keine Mehrwertsteuer mehr auf Balkonkraftwerke. Sie wurde von 19 Prozent auf 0 Prozent heruntergesetzt. Um ein Balkonkraftwerk zu installieren, braucht es weder eine Genehmigung noch einen Elektriker. Die Anlage wird einfach am gewünschten Ort befestigt und an die Steckdose angeschlossen. Wichtig ist aber, dass man die Anlage bei der Bundesnetzagentur registriert. Und auch der Netzbetreiber muss informiert werden. Ist dies alles erledigt, steht dem grünen Strom im Hause nichts mehr entgegen.



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