Leserbrief: Stromnetz

Dr. Klaus Kühlein, Fasanenstraße 41, schrieb folgenden Brief an Bürgermeister Kündiger und die Mitglieder des Kelkheimer Parlamentes, den wir als Leserbrief übernehmen:

Betr. Stromnetz-Votum:

Im Höchster Kreisblatt vom 17. August ist ein Interview zu obigem Thema mit Herrn Bürgermeister Kündiger abgedruckt. Dazu möchte ich meine Meinung als Kelkheimer Bürger (seit 1973) kundtun:

„Soll die Stadt Kelkheim Partner des Energieversorgers Süwag werden, um das Stromnetz unter ihre Fittiche zu bekommen? Diese Frage wurde in den vergangenen Jahren immer wieder kontrovers diskutiert“, so Kündiger.

Ich habe davon nichts mitbekommen, wie viele andere Bürger Kelkheims auch, die ich danach befragt habe.

Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb in einer so wichtigen Frage die Öffentlichkeit Kelkheims lediglich durch ein abgedrucktes Interview von Herrn Kündiger mit dem Höchster Kreisblatt davon in Kenntnis gesetzt wird, sind doch damit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Stadt in meinen Augen erhebliche Risiken verbunden..

Liest man in dem Interview weiter, so findet man die Gründe dafür: Kündiger betont: „Unter dem Strich werde das Projekt ähnlich ,geräuschlos‘ laufen wie bei der Stadt Hofheim …“

Für Kündiger sprechen nach dem Interview für eine Übernahme des Stromnetzes zwei Gründe:

Gewinn von anfangs 70 000 Euro minus ca. 30 000 für Anwaltskosten.

Verbesserung der Gewerbesteuer durch die neue Gesellschaft. Wichtig für Kündiger sei aber vor allem, „dass die Stadt an den Entscheidungen für das Stromnetz beteiligt sei und bei Investititionen mitreden könne.“

Dazu folgende Fragen:

1) Wirtschaftlichkeit:

Nach meinen Informationen soll die Investition etwa drei Millionen Euro kosten.

Setzt man einen jährlichen Gewinn von ca. 60 000 Euro an, so resultiert daraus eine Rückflusszeit des eingesetzten Kapitals von 50 Jahren. Für ein attraktives Projekt werden in der Industrie fünf bis maximal zehn Jahre angesetzt. Auch in dem vorliegen Fall handelt es sich um ein industrielles Engagement der Stadt.

Es wird in dem Interview davon gesprochen, dass eine Verbesserung der Gewerbesteuer durch die neue Gesellschaft für Kelkheim eintreten werde. Wie hoch fällt diese Verbesserung aus?“

2) Was bedeutet folgende Aussage von Kündiger: „Die Stadt wird an den Entscheidungen für das Stromnetz beteiligt und kann bei Investitionen mitreden?

Wenn die Stadt Eigentümer der neuen Gesellschaft ist, ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass bei Entscheidungen für das Stromnetz die Stadt nicht nur „beteiligt“ ist und bei Investititionen nicht nur „mitreden“ kann. Das alte Prinzip „wer zahlt, hat auch die Hoheit für alle Entscheidungen“.

Wie ist in den Verträgen dieser Sachverhalt geregelt?

Wenn die Stadt zukünftig neue Wohngebiete erschließt und die Süwag alleiniger Anbieter für die dann notwendigen Investitionen sein wird, kann die Süwag so kalkulieren, dass zwar die jährliche Gewinnmarge für die Stadt bei ca. 60 000 Euro liegen wird, die Stadt aber einen höheren Preis für die notwendigen Investitionen an die Süwag zahlen muss als bei einem ggf. günstigeren Anbieter.

Wie ist dieser Sachverhalt in den Verträgen geregelt?

3) Die Süwag gehört dem Mutterkonzern EON. 78 Prozent der Anteile von Süwag werden von Innogy gehalten. Diese Gesellschaft wurde 2016 von RWE gegründet. 2018 wurde von EON und RWE mitgeteilt, dass RWE im Rahmen eines weitreichenden Tauschs von Vermögenswerten und Geschäftsbereichen den gesamten durch RWE gehaltenen Innogy-Anteil an EON überträgt, d. h. vor allem, dass EON dabei zukünftig überwiegend nur noch als Netzbetreiber und im Energievertrieb tätig sein wird. Der Deal soll im September 2019 abgeschlossen werden!

Für den Beobachter der Aktien von EON und RWE muss man leider feststellen, dass die EON -Aktie seit Bekanntwerden dieses Übereinkommens nur noch ein Drittel des Wertes der RWE -Aktie aufweist, zuvor betrug der Wert der EON-Aktie immerhin noch die Hälfte der RWE-Aktie.

Daraus muss man den Schluss ziehen, dass EON und damit auch die Süwag/Syna offenbar ernstere Probleme aufweisen.

Unter Umständen hat es die Süwag verstanden, in den Verträgen ihre wirtschaftlichen Risiken zu minimieren.

Als langjähriger Bürger der Stadt Kelkheim muss ich mich fragen, weshalb die Stadt einen solchen, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten absolut unsinnigen, Deal mit der Süwag eingehen will. Geht er schief, wird sich die Stadt wieder durch Erhöhung der Grundsteuer bei den Bürgern schadlos halten.



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