Eine Radtour, die es in sich hat Tarek Al-Wazir radelt durch Kelkheim

Interessiert liest sich Tarek Al-Wazir die Plakate der Lorsbacher Bürger durch, auf denen diese ihre Bedenken und Wünsche verfasst ahtten. Fotos: Judith Ulbricht

Kelkheim
(ju) – Tarek Al-Wazir scheint es Kelkheim angetan zu haben. War er in der vorigen Woche zur Einschulung der Gymnasiasten in die Gesamtschule Fischbach gekommen, erradelte er sich am vergangenen Sonntag anlässlich einer Fahrradtour, die von den Hofheimer Grünen organisiert worden war, den Kelkheimer Stadtwald bis hin zum Rettershof, wo ihn und seine Entourage schon der Obst- und Gartenbauverein Fischbach mit Handkäs und Äppler erwartete. Doch bis dahin sollte der hessische Minister für Wirtschaft und Verkehr, der von Hofheim aus gestartet war, noch so manchen spitzen Stein überfahren.

Denn das „Aktionsbündnis gegen eine einjährige Vollsperrung der L 3011“ hatte dazu aufgerufen, den Minister an der Waldgaststätte Gundelhardt abzupassen und mit Plakten und Schildern auf die Misere für ihren Ort, aber auch für Kelkheim aufmerksam zu machen. 150 Bürger waren dem Aufruf des Bündnisses gefolgt und erwarteten Al-Wazir zu einem klärenden Gespräch. Doch worum geht es eigentlich? An der Landesstraße 3011 kurz vor Hofheim-Lorsbach muss eine Stützwand erneuert werden, da diese umzustürzen droht. Dafür muss die Straße für ein Jahr komplett gesperrt werden. Eine Straße, auf der täglich 10.000 Fahrzeuge unterwegs sind. Hessen Mobil, verantwortlich für die Bauarbeiten, hatte versucht, eine Umfahrung während der Bauzeit zu ermöglichen. Dafür hätten aber zusätzliche private Flächen in Anspruch genommen werden müssen. Über diese Bereiche sollte eine einspurige Ausweichstrecke gebaut werden. Nach mehrmonatigen intensiven Verhandlungen hatte sich aber herausgestellt, dass die Flächen seitens der privaten Grundstückseigentümer nicht zur Verfügung gestellt werden können. Zunächst hatte Hessen Mobil Ende vergangenen Jahres diesbezügliche Gespräche geführt, die bis Dezember zu keinem Ergebnis geführt hatten. Anschließend setzte die Stadt Hofheim seit Januar die Verhandlungen fort. Auch diese blieben ohne Ergebnis. Mehrmals hatte Hessen Mobil der Stadt Fristen verlängert, um die Klärwerksumfahrung bis zuletzt doch noch zu ermöglichen. Auch der Baubeginn war dafür nochmals verschoben worden. Die Stützmauer im Zuge der L 3011 befindet sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand, so dass sie dringend zeitnah erneuert werden muss, das bestätigte auch der Minister auf Nachfrage der anwesenden Bürgerinnen und Bürger. Die bauvorbereitenden Arbeiten haben bereits begonnen. Der Baubeginn für die eigentliche Stützwanderneuerung erfolgt im März 2023. Die Erneuerung der Stützwand ist außerdem Voraussetzung für den geplanten Bau eines Radwegs entlang der L 3011 zwischen Hofheim und Lorsbach.

Tarek Al-Wazir hatte ein offenen Ohr für die Sorgen der Bürger, die dramatische wirtschaftliche Folgen für die Geschäfte und Betriebe in Lorsbach fürchten. Überdies müssten tausende von Autos täglich kilometerlange Umleitungen fahren, was einerseits schädlich für die Umwelt sei und des weiteren gerade bei den steigenden Benzinkosten nicht jeder tragen könne, der aber auf das Auto angewiesen sei. Städte wie Kelkheim und die Hofheimer Stadtteile Wildsachsen und Langenhain würden das zu spüren bekommen, denn das wären die Ausweichstrecken bei der Straßensperrung.

Für den Minister waren alle Einwände nachvollziehbar, aber er macht auch unmissverständlich klar, dass diese Angelegenheit keinen Aufschub mehr dulde. Die Stützmauer sei in Bewegung und könne jederzeit umstürzen. Was das bedeute, schob er gleich noch nach.: „Dann reden wir nicht mehr von einer einjährigen Vollsperrung, sondern von einem wesentlich längeren Zeitraum.“ Die Ingenieure hielten jetzt schon die Luft an, wenn sie die Mauer begutachten. So verwunderte es nicht, dass er das Gespräch mit einer klaren Aussage beendete: „Ich halte an der Entscheidung fest, die Sperrung wird kommen.“

„Der Minister nahm sich die Zeit, seinen Standpunkt als Verkehrsminister darzulegen“, teilte Heidrun Wormsbächer für das Aktionsbündnis nach dem Treffen mit. Gleichzeitig habe Al-Wazir klargemacht, dass sich an der zwölfmonatigen Sperrung nichts ändern werde. Das Bündnis wird allerdings weitermachen. Wormsbächer: „Das Aktionsbündnis ist durch das Engagement und die Betroffenheit der vielen Teilnehmenden aber darin bestärkt, weiter nachzuhaken und nicht aufzugeben, die Vollsperrung doch noch abzuwenden.“

Für Tarek Al-Wazir ging die Tour nach diesem Zwischenstopp weiter, die Hügel Kelkheims hoch und runter, bis endlich die Streuobstwiesen des Rettershofs auftauchten und das Ziel markierten. An der Scheune des OGV stärkte sich der Minister kurz, bevor er noch ein paar Worte über die Mobilität in heutigen Zeiten an die zahlreichen Mitradler und Gäste richtete. Dabei spielte er darauf an, dass die Verkehrspolitik der vergangenen 60 Jahre auf das Auto ausgelegt war und erst jetzt ein Umdenken erfolge. Er arbeite seit 8 Jahren an der Verkehrswende in Hessen und sehe viele positive Aspekte, aber auch mannigfaltige Aufgaben, die noch vor ihm und seinem Ministerium liegen. „Kein vernünftiger Mensch kann jetzt noch den Klimawandel leugnen. Wir brauchen schnelle Veränderungen. Der Verkehr muss elektrifiziert werden, der Strom dafür kommt aus erneuerbaren Energien. Dabei sind auch Elektroautos Teil des Klimaschutzes“, so der Verkehrsminister. Der Radwegeausbau, ein Schwerpunkt seiner Arbeit, schreitet voran, immer mehr Geld werde dafür bereitgestellt. Und auf noch etwas ist der Minister stolz: Die weltweit erste Wasserstoffzugflotte, die ab Dezember die Linie der RB12 bedienen wird. „Die Kelkheimer kommen mit als erste in den Genuss, emmisionsfrei zur Arbeit, ins Büro oder in die Schule zu fahren.“ Vorbei die Zeiten in „museumsreifen“ Zügen. Modern, großzügig und 30 Prozent mehr Sitzplätze, das versprechen die wasserstoffbetriebenen Züge. Kleiner Wermutstropfen: Noch ist es kein grüner Wasserstoff, sondern ein Abfallprodukt aus Höchst. Al-Wazir: „Wir sind auf dem richtigen Weg, wir müssen an langfristigen Lösungen arbeiten und die Menschen dabei immer mitnehmen.“

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