Samuel und Shorty erobern die Herzen im Sturm Alpakas auf Stippvisite im Seniorenheim

Alpaka Shorty ging auf Tuchfühlung und gab den Bewohnern auch mal ein Küsschen. Fotos: Judith Ulbricht

Kelkheim
(ju) – Pure Aufregung in der K&S Seniorenresidenz in Kelkheims Stadtmitte. Tische und Stühle werden verrückt, Gänge freigeräumt, der Rollator nochmal geölt – heute steht ein Besuch an, den man nicht alle Tage in einem Seniorenheim erwartet. Zwei Alpakas kommen zum Streicheln und Kuscheln, sollen den Bewohnern ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Aufsehenerregend

Schon auf der Straße beim Verlassen ihres Anhängers erregen die beiden flauschigen Vierbeiner Aufsehen. Kinder bleiben mit offenen Mündern stehen, Handys werden gezückt, erstaunte Gesichter huschen in einem Bus vorbei. Samuel und Shorty scheint das nicht zu stören, gemächlich machen sich die beiden geführt am Halfter auf den Weg zum Fahrstuhl. Genau: Fahrstuhl, denn ohne den kommen die Tiere nicht in die einzelnen Stockwerke. Petra Nothnagel-Kölsch strahlt die nötige Ruhe und Gelassenheit aus, um die beiden Herren mit der poppigen Frisur in den Aufzug zu lotsen. Im 2. Stock werden die Tiere schon sehnlichst erwartet, und dann ist es so weit: Samuel und Shorty schreiten durch die Gänge. Bewohner halten an, streicheln durch das weiche, kuschelige Fell, bestaunen die Alpakas im Flur und lächeln. Alltagsbegleiterin Katrin Fiedler, die den Kontakt zu Petra Nothnagel-Kölsch und den „Luna Alpakas“ aus Darmstadt hergestellt hat, ist begeistert. „Ich sehe hier Bewohnerinnen und Bewohner, die schon lange nicht mehr gelächelt haben, und jetzt strahlen sie über das ganze Gesicht. Es ist herrlich.“ Die resolute Helferin weiß, wovon sie spricht. Hat sie doch die Zeit der Isolation während der Pandemie miterlebt, musste mit ansehen, wie Seelen verkümmerten, weil es keine Abwechslung mehr gab. Doch langsam kommt wieder Bewegung in die Sache. Samuel und Shorty sind nur der Anfang. Es sollen weitere Tiere folgen, wie Schafe und Hühner zu Ostern nächstes Jahr.

Positiver Effekt

Dass Tiere einen positiven Effekt auf Menschen haben, ist längst erwiesen. Tiere können helfen, Stress abzubauen, den Blutdruck zu senken, die soziale Interaktion und körperliche Aktivität zu fördern. Auch Menschen, die nicht mehr oder nicht mehr gut sprechen können, können weiterhin mit Tieren kommunizieren: Berührungen und Reaktionen auf Gesten können für diese Menschen von großer Bedeutung sein. In Therapien mit Demenzpatienten haben Tiere nachweislich zu positiven Effekten geführt. Tiere leben immer im Hier und Jetzt und verdrängen Gedanken an die Krankheit und den Tod. Einsamkeit, körperliche Schmerzen – alles scheint für den Moment vergessen, und die Freude über den tierischen Besuch ist so gewaltig und für viele nachhaltig, dass er als Höhepunkt der ganzen Woche empfunden wird.

Samuel und Shorty machen geduldig ihren Job. Sie sind es gewohnt, wie Petra Nothnagel-Kölsch erklärt. Ein paar Verhaltensregeln gibt es allerdings: Die Tiere mögen es nicht, am Kopf gestreichelt zu werden, die Ohren sind ein sehr empfindliches Körperteil. Außerdem sollte man sich ihnen nicht von hinten nähern. Ähnlich wie Pferde können die Tiere mit ihren kurzen, kräftigen Beinen nach hinten austreten. Aber ansonsten kann man mit ihnen kuscheln, was das Zeug hält. Sie spucken nicht, sind stubenrein und somit bestens geeignet, den älteren Herrschaften den Tag zu versüßen.

Einige ganz mutige Bewohner lassen sich von Shorty sogar ein Küsschen geben. Ganz vorsichtig nähert sich der schokobraune Hengst dem Gesicht, um dann liebevoll die Lippen auf die Wange zu drücken. Strahlende Augen und ein glückliches Lächeln sind der Lohn für ihn.

Schöner Lebensabend

Ute Winter, Vorsitzende des Kelkheimer Hospizvereins, betrachtet die Szenerie mit Freude. Sie ist Katrin Fiedler zutiefst dankbar für diese Aktion. „Die Bewohner blühen auf, ihre Lebensgeister werden geweckt.“ Als Schnittstelle zwischen Hospizverein und Pflegeeinrichtung macht Fiedler einen großartigen Job, weiß Winter. „Auf der einen Seite bin ich bei den Bewohnern, wenn sie sterben, auf der anderen Seite möchte ich ihnen ihre verbleibende Lebenszeit so schön wie möglich machen“, fasst Fiedler ihre Intention zusammen. Nach einem langen, arbeitsreichen Leben hätten sich die meisten einen schönen Lebensabend verdient.

Samuel und Shorty haben ihren Beitrag dazu geleistet. Von Stockwerk zu Stockwerk hinterlassen sie glückliche Menschen, die sicherlich noch einige Zeit von diesem Besuch zehren. Und wer weiß – vielleicht waren sie nicht zum letzten Mal zu Besuch in der Seniorenresidenz.

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