Sonne tanken und Gutes tun

Sopranistin Daria Tymoshenko, die vor drei Wochen noch in Kiew studierte, begeisterte das Publikum mit ihrem Gesang.

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„Freiluftveranstaltungen sind immer toll“, betont Stein mit Blick auf die fröhlichen Menschen, die sich vor der „Bühne“ im Sand mit Getränken in der Hand eingefunden hatten. Präsentiert wurde hier unter anderem eine Modenschau mit Stücken aus dem „Flower Power“-Shop in Kombination mit Hemden und Blusen aus der Maßschneiderei Befeni. Cordula Göbel, im Team verantwortlich für den Vertrieb, hat ebenfalls Gewinne für die Tombola zur Verfügung gesellt und wartet an ihrem Stand unter Obstbäumen auf Interessenten für maßgefertigte Oberbekleidung.

Heiko Schneider, der auf Einladung von Kelkheimer Freunden extra aus dem Frankfurter Nordend zum Rettershof gekommen ist, zeigt großes Interesse an den bunten Hemden und freut sich über die gute Stimmung auf dem Event. „Es ist toll, wieder mit seinen Freunden in der Sonne sitzen zu können und zu feiern und fröhlich zu sein.“ Gleichzeitig fügt er nachdenklich hinzu: „Dieses ‘ganz normale‘ Leben hier, das ist doch etwas, was die Menschen in der Ukraine bis vor kurzem auch noch hatten. Unvorstellbar, wie schnell sich das ändern konnte. Es ist doch selbstverständlich, dass wir den Geflüchteten so viel helfen, wie wir können.“

Angst und Dankbarkeit

Daria Tymoshenko ist eine von ihnen: Seit drei Wochen lebt die Ukrainerin, die über Ungarn nach Deutschland geflohen ist, bei einer Familie in Kelkheim. Die 18-Jährige, die am Konservatorium in Kiew Gesang studiert hat, berichtet in perfektem Englisch von ihrer Flucht, von ihrer Dankbarkeit den gastfreundlichen Deutschen gegenüber und ihrer Angst um Familie und Freunde, die noch in der Ukraine geblieben sind.

In eindringlichen Worten spricht sie von der Bühne, die auf der Ladefläche eines Transporters aufgebaut ist, über die Situation in ihrem Heimatland. Ganz in schwarz gekleidet, scheint sie an diesem Frühlingstag zu mahnen, dass auch knapp 2.000 Kilometer von hier das Leben weitergeht, aber auch das Sterben.

Ebenso eindringlich singt sie verschiedene Lieder aus ihrer Heimat und endet mit dem Stück „The nightingale“. Das Lied über die Nachtigall, den Nationalvogel der Ukraine, handelt indirekt vom Krieg und geht als Lied für den Frieden gerade rund um die Welt.

Dzuna Kalnina, bekannte Mezzosopranistin aus Ruppertshain, die bereits vor zwei Wochen ein Benefizkonzert zugunsten der Ukraine in Kelkheim gegeben hatte, zeigte sich sehr berührt von der Situation. Die gebürtige Lettin, die seit 25 Jahren in Deutschland lebt, berichtet, auch in Lettland hätten die Menschen nun Angst vor einer russischen Invasion. Sie erinnerte sich an ihren Großvater, der zu Lebzeiten immer einen Sack mit trockenem Brot im Schrank gehabt habe für den Fall einer notwendigen Flucht. „Es ist furchtbar, was da gerade passiert in der Ukraine und sehr beängstigend“, betonte die Sängerin, die an diesem Nachmittag mit frechen und „reizenden“ Stücken von Friedrich Hollaender das Publikum begeisterte.

Kalnina war auf Einladung des Vereins „Stimme für Ruppertshain“ zum Rettershof gekommen. Der gemeinnützige Verein um Dr. Thomas Zellhofer, der bereits das Kelkheimer Benefizkonzert initiiert hatte, konnte mit Dzuna Kalnina sowie den Pianisten Georgi Moudrov und Stanislav Rosenberg nicht nur hochkarätige Künstler für das Event vermitteln. Margareta Boos und Isabelle Huebert verkauften am Stand des Vereins auch erfolgreich Primeln und Stiefmütterchen in beziehungsreichem Blau und Gelb.

Vor allem die ebenfalls angebotenen hölzernen Nistkästen fanden reißenden Absatz, viele Besucher wollten den Vögeln im Garten eine neue Heimat schaffen.

Eine neue Heimat hat auch Sopranistin Daria Tymoshenko in Kelkheim gefunden. Aber für sie ist es nur eine Heimat auf Zeit. „Mein Ziel ist es, bald zurückkehren zu können in die Ukraine – in ein freies und friedliches Land“, erklärt sie. Bis dahin wird es wohl noch eine Weile dauern und Kraft und Energie kosten. Beim Charitynachmittag im Schlosshotel Rettershof zeigte sich für die Besucher aber auch deutlich, wie viel Spaß es machen kann, Gutes zu tun.



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