Unterhaltsame Führung durch das Kelkheim, „wie es früher war“...

Bei hochsommerlichen Temperaturen fand unlängst wieder eine sehr unterhaltsame Führung durch das „neue und alte Kelkheim“ mit der Frankfurter Schauspielerin und Autorin Katharina Schaaf (Kate) statt, die damit in charmanter und amüsanter Art und Weise in hessischer Mundart auch mit Anekdoten an den ersten Kelkheimer Polizisten der Nachkriegszeit Josef Becker erinnerte. Denn an Geschichtliches zu erinnern, auch in Form von Zeitzeugen wie Josef Becker und seiner Familie, und diese wertvollen Erinnerungen zu bewahren – dies ist besonders in Zeiten wie diesen von großer Bedeutung. Josef Becker war bis zu seinem Tod im Jahr 2016 an der Geschichte seines Heimatortes Kelkheim interessiert. So nahm er selbst noch im stolzen Alter von 90 Jahren an Stadtführungen wie diesen teil, führte selbst durch das Franziskanerkloster oder war bei Vorträgen im Museum dabei.

So traf man sich in munterer Runde am Bahnhof in Kelkheim-Mitte, um von dort aus einen kleinen Bogen rund um die Stadtmitte zu laufen, die Altstadt und die wichtigsten „Lebensstationen“ des ersten Kelkheimer Polizisten anzusteuern (vornehmlich in einem „Schatte-Eckelsche“). Wie lebte es sich zu dieser Zeit im alten Kelkheim? Welche rasanten Entwicklungen brachten die Jahre um 1900 mit sich? Wie hat sich Kelkheim und seine Stadtteile bis heute verändert?

„Moderne Annehmlichkeiten“

Um 1900, als gerade der Erste Weltkrieg sein Ende gefunden hatte, gab es wahrlich Annehmlichkeiten wie beispielsweise die Anbindung an die Höchster Kleinbahn (man musste nicht mehr zu Fuß nach Höchst laufen!), Straßenbeleuchtungen und – sage und schreibe – Kanalisation, feste Bürgersteige und Trinkwasserleitungen nebst Hydranten. Katharina Schaaf schreibt in ihrem Buch „Ich bin ein Kelkheimer Bub“: „Diese Welt ist uns heute fern und wirkt im nostalgischen Rückblick manchmal geradezu idyllisch. Dass diese Idylle von vielen Schicksalsschlägen bedroht war und den Zeitgenossen immer wieder den Mut zu einem Neuanfang abverlangte, wird in vielen Details deutlich, an die sich Josef Becker mit manchmal erstaunlicher Sachlichkeit erinnern konnte.“

Rasante Entwicklungen

„Asphalt war das Größte zur damaligen Zeit“, berichtete Katharina Schaaf – so konnte man als Kind mit den „Klickern“ (Murmeln) auf der neu asphaltierten Straße spielen oder mit dem Ball „doppschen“. Durch die Werkstatt des Großvaters animiert, wollte Josef Becker ursprünglich das Schreinern erlernen – der Zweite Weltkrieg sollte bei der Lehre dazwischenkommen – war doch das Schreinern eher ein „Nebenwerk“. Hauptsächlich schufteten die Männer damals entweder in der Erzgrube oder in den „Farbwerken“, und die Frauen erlernten das Töpferhandwerk oder das Weben an Webstühlen.

Durch die rasanten Entwicklungen in den Nachkriegsjahren konnten sich auch die Kelkheimer mehr leisten, gingen auch mal „in die Wirtschaft“ – zur damaligen Zeit beispielsweise in „Die Krone“, den „Löwen“, den „Taunus“, die „Klosterschänke“ oder den „Schützenhof“. Wer dort „Rippsche mit Kraut“ aß oder gar ein Rumpsteak – ja, der hatte es geschafft! So wurde eine Hypothek aufgenommen, und auch der Großvater von Josef Becker baute um 1927/28 ein Haus „ganz obbe vorm Kloster“, welches sich im Rohbau befand und unglaublich fleißig daran gearbeitet wurde bis spät in die Nacht. So musste der „Seppl“ Becker bereits als kleiner Bub oft den Vater, wohlgemerkt zu Fuß, „nachhause holen“, weil die Mutter Eva solche Angst hatte, es sei was passiert. Früh musste man damals Verantwortung übernehmen, sich „einbringen“.

Lebensmittelversorgung

1939 folgte der Krieg. Nach fünf Jahren im Kriegsdienst und einer Malaria-Erkrankung kehrte Becker nach Kelkheim zurück. Wie sich später herausstellen sollte, war er der einzige Kriegsüberlebende aus seinem Jahrgang. Der erste Weg ging ins Rathaus, denn dort gab es Lebensmittelmarken. Es herrschte eine unzureichende Lebensmittelversorgung. Hier wurde Becker prompt auf der Straße angesprochen: Er solle doch Polizist werden. Gesagt, getan. So war das damals. Auch die Hochzeit mit seiner Frau fiel kurz und in kleinem Rahmen aus. Generell war zu der Zeit alles nicht so pompös wie heutzutage – aber man machte das Beste daraus.

In der Straße zum Kloster mit unmittelbarer Sicht auf das Haus der Becker-Familie endete die kleine Führung schließlich in und um Kelkheim. Und es gab noch eine unerwartete Überraschung! Der Sohn von Josef Becker hatte „inkognito“ die Führung begleitet und war sichtlich gerührt. Dem „Seppl“ hätte dies bestimmt sehr gefallen. (mk)

Es wurde viel gelacht bei dem „Spaziergang“ mit Katharina Schaaf.

Foto: Mirjam Kuschel

Das Hochzeitsbild der jungen Beckers (früher wurde tatsächlich in schwarz geheiratet)

Foto: Privat

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