WhatsApp, Mobbing, Handystress und mehr Kinder lernen Medienkompetenz in Workshop

Über Spiele gelangen Kinder zum ersten Mal in Kontakt mit den Sozialen Medien. Ob Brawl Stars, Fortnite oder Among Us! – Spiele haben eine bestimmte Altersgrenze, die häufig von Eltern ignoriert wird. Wenn Eltern sich mit den Spielen ihrer Kinder beschäftigen, können sie eher Gefahren erkennen und erzieherisch eingreifen. Foto: Judith Ulbricht

TikTok, youTube, Snapchat, WhatsApp, Brawl Stars, Fortnite, Among Us! – was sich für Viele, gerade Ältere, wie englisches Kauderwelsch anhört, ist für die junge Generation die Welt, in der sie sich häufig bewegen. Videos schauen, mit den Freunden schreiben, zocken, eigene Videos drehen und hochladen – das sind die Dinge, die sich hinter diesen Namen verbergen. Und noch etwas ganz Anderes versteckt sich dahinter: Gefahr.

Medienerziehung

Um die Kinder adäquat auf die Gefahren des Internets und der Sozialen Medien vorzubereiten, veranstaltete jetzt die Pestalozzischule einen Workshop zur Medienerziehung mit den vierten Klassen. Jörg Astheimer, ein Fachmann auf seinem Gebiet, begleitete die Jungen und Mädchen durch die Woche und verriet ihnen viele Stolperfallen, hatte aber auch so manchen hilfreichen Tipp im Umgang mit TikTok und Co. Dass viele Kinder bereits im Alter von 10 Jahren im Internet und in Games unterwegs sind, ist für ihn nichts Neues. Von daher ist es aber extrem wichtig, wie wir Eltern unseren Kindern die Mediennutzung vorleben. „Wir als Erziehungsberechtigte haben eine Vorbildfunktion. Kinder übernehmen bei der Mediennutzung eigentlich die Verhaltensweisen, die ihnen ihre Eltern vorleben. Als Eltern sollte man vor allem darauf achten und die eigene Mediennutzung hinterfragen“, so Astheimer. Außerdem sollten Eltern frühzeitig mit der Medienerziehung beginnen, sich erkundigen, welche Inhalte und welche Zeiten ab welchem Alter in Frage kommen. Idealerweise orientieren sie sich dabei an Familien-Regeln für die Mediennutzung. Denn gelten Regeln für alle Familien-Mitglieder, so sind diese für Kinder viel leichter zu reflektieren. Ebenso ist es wichtig, dass sich Eltern mit dem, was ihre Kinder nutzen, beschäftigen und in jedem Alter als Ansprechpartner für die Kinder zur Verfügung stehen. Ein vertrauensvolles Verhältnis hilft Kindern sehr, wenn es darum geht, mit Problemen, die sich online ergeben, zurechtzukommen. „Ich gebe Eltern immer den Tipp: Spielt die Spiele eurer Kinder, schaut mit ihnen gemeinsam TikTok oder youTube – nur so bekommt ihr einen direkten Einblick in die Welt, in der sich eure Kinder bewegen.“

Immer frühere Nutzung

Kinder nutzen ab einem bestimmten Alter Smartphones, Tablets und Spielekonsolen selbstständig. Schon in der Vorpubertät geht die Vernetzung in den Sozialen Medien los. Die drei 4. Klassen der Pestalozzischule sind durchweg aktiv, wie die Jungs und Mädchen zugeben. Sie berichten von Sperrzeiten, Influencern, TikTok-Challenges und dem ein oder anderem Streit in WhatsApp oder den Chats in Spielen. Was mit Spielen um des Spielen Willens anfängt, geht über in WhatsApp-Gruppen, Vidoedrehs und dem Folgen von Influencern bei youTube und TikTok. In den Workshops greift Astheimer besonders das auf, worauf Kinder achten können. So gilt es, ein Gefühl dafür zu bekommen, was ihnen an realen Erfahrungen gut tut (Zeiten mit Familie, Freunden, Sport und so weiter). „Sie sollten lernen, welche Umgangsweisen bei der Online-Kommunikation gefragt sind („Chattiquette“), reflektieren, was für sie und andere privat bleiben sollte. Sie müssen außerdem darauf vorbereitet sein, wie sie sich oder andere in Online-Situationen schützen – etwa wenn jemand gemobbt, bedroht oder belästigt wird“, erklärt der Fachmann. Denn die Kinder und auch die Eltern dürften nie aus dem Blick lassen: Das Netz vergisst nie. Und so kommen die Heros ins Spiel. Vier sind es an der Zahl und sie heißen: Ignorieren, Stop-Regel, Blockieren-entfernen-melden und Hilfe holen. Mit diesem Werkzeug an der Hand lernen die Kinder, sich sicher im Netz zu bewegen. Denn: Die Online-Risiken können Eltern nicht verhindern. Aber sie können ihr Kind so vorbereiten, dass es weiß, wie es sich selbst schützen kann und wen es zu Hilfe holen kann. 

Soziale Kompetenzen

Stark und selbstbewusst im richtigen Leben zu sein, ist dabei ein klarer Vorteil. Es ist traurig zu sehen, dass es Kinder gibt, die im Klassenverband soziale Schwierigkeiten haben und dann auch bei dem Versuch scheitern, diese online zu kompensieren. „Medienkompetenz setzt meines Erachtens soziale und kognitive Kompetenzen voraus, die im direkten Miteinander gefragt sind. Nur mit diesen gelingt es Kindern und Jugendlichen, mit dramatischen Online-Problemen wie Cyber-Mobbing, Hass-Rede (Hate-Speech) oder Fake-News umzugehen. Und auch für den alltäglichen Umgang mit Instagram- und Tik-Tok-Vorbildern sowie Influencern sind sie besser vorbereitet“.

Kinder stark machen

Auch die Eltern werden bei diesem Workshop mit einbezogen. Für sie wurde extra ein Online-Elternabend „Medien im Alltag der Kinder“ von Astheimer vorbereitet, in dem alle drängenden Fragen behandelt und besprochen werden konnten.
Denn gerade vor dem anstehenden Schulwechsel haben viele Eltern Respekt und sind sensibilisiert. „Gerade wenn der Schulwechsel ansteht, bekommen so ziemlich alle Kinder ein Handy und dann sollten sie vorbereitet sein – Kinder wie Eltern“, wünscht sich Astheimer.

So sieht es auch Schulleiterin Julia Hermann, die mit einem besonderen Blick auf „ihre Kleinen“ schaut. „Man muss die Kinder stark machen und dafür sorgen, dass sie im Internet nicht verloren gehen“, lautet für sie der Ansatz des Workshops. Wichtig ist ihr auch, dass der Sozialverbund weiter bestehen bleibt, dass Kinder Kinder sind, sich mit Freunden treffen, zusammen Fußball spielen oder Ähnliches. „Dabei ist die Unterstützung der Eltern ein wichtiger Stützpfeiler.“ Außerdem wünscht sie sich, dass die Kinder ebenso lernen, zu unterscheiden, was sie online oder offline zu klären haben. „Ein Streit, den man mit seinem Freund oder der Freundin hat, hat nichts in der Chatgruppe zu suchen, sondern sollte immer im echten Leben geklärt werden“, so die Schulleiterin. Für Jörg Astheimer ist klar: „Die Kinder sind jetzt gut vorbereitet, vor allen Dingen, weil man auch an der weiterführenden Schulen erkannt hat, dass die Medienerziehung auch dort weitergehen muss.“ Und er appelliert noch einmal an die Eltern: „Ihre Kinder brauchen Sie als Ansprechpartner, greifen Sie erziehend ein und vermitteln Sie Ihren Kindern Eigensteuerung und Eigenkorrektur, dann geht im Netz niemand verloren.“

Info

6 Degrees* ist eine Initiative zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, zu der Jörg Astheimer gehört. Träger ist die JUNG GmbH aus Rüsselsheim.

Das Team besteht aus einer Gruppe erfahrener Medienwissenschaftler, Pädagoginnen und Sozialarbeiterinnen. Aufgabe ist es, Kindern, Eltern und Lehrern den Umgang mit digitalen Medien verständlich nahezubringen sowie Chancen und Risiken aufzuzeigen. Dabei wird auf Augenhöhe agiert – die Inhalte werden im Dialog mit Schülern, Eltern und Lehrern entwickelt immer mit Blick auf mediale und gesellschaftliche Trends in Forschung und Wissenschaft und sozial verantwortlich.

Der Name 6 Degrees* ist angelehnt an die Theorie, dass jeder Mensch mit dem anderen auf der Welt über 5 Kontakte verbunden ist.

Die Mediennutzung geht immer früher los, daher muss verantwortungsvoll und bewusst gehandelt werden.

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