Burgfest-Regen bringt es an den Tag: Die Zisterne hält dicht

Der Zollstock verschwindet noch über die Hälfte im Gewölbe: Eine Ausdehnung der Baustelle in Richtung Parkplatzeinfahrt wurde unumgänglich. Foto: Friedel

Königstein (hhf) – Die Autofahrer wird es freuen: Schon seit dem Burgfest sind die archäologischen Ausgrabungen am Parkplatz Stadtmitte beendet, nun soll das Areal schnellstmöglich wieder verfüllt und dem (ruhenden) Verkehr zurückgegeben werden. An eine Kennzeichnung auf der Teerdecke ist diesmal nicht gedacht, also muss die Erinnerung an den Fund reichen, es soll lediglich eine Trennfolie zwischen Mauerwerk und Verfüllung eingebracht werden, um unnötige Beschädigungen für kommende Generationen zu vermeiden.

An zukünftige Generationen denkt die Wissenschaft der Archäologie in ihrer Gesamtheit ganz besonders, als eine der wenigen akademischen Disziplinen hat sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und deutliche Konsequenzen gezogen. Mit der Entwicklung immer feinerer Methoden hat sich nämlich gezeigt, dass berühmte Ausgräber wie Heinrich Schliemann auf der Suche nach Funden dabei unzählige Befunde zerstört haben, Ähnliches gilt in unserer Gegend für die Saalburg. Unter Befunden versteht man dabei die Umstände, die die Funde umgeben, deshalb werden diese erst geborgen, wenn sie mit den Bodenverfärbungen in ihrer Nachbarschaft zusammen dokumentiert und gegebenenfalls Bodenproben „eingetütet“ worden sind. So können einerseits zum Beispiel Brandschichten etwas darüber verraten, warum Scherben oder Münzen verloren gegangen sind, andererseits können im Einzelfall Spezialuntersuchungen wie Pollenproben Auskunft geben, welche Nahrungsmittel in einzelnen Gefäßen gelagert waren.

Geht man in heutigen Tagen – wie an vielen Abschnitten des römischen Limes – sogar so weit, die verfallenen Denkmalreste bewusst nicht anzutasten, sondern nur für künftige, noch feinere Forschungsmethoden zu bewahren, nehmen parallel zur regen Bautätigkeit die sogenannten Notgrabungen zu. Hier bemühen sich die Archäologen, möglichst zügig wenigstens die alten Reste zu vermessen und aufzuzeichnen, bevor sie dann dem Bagger unwiederbringlich zum Opfer fallen. Je nach Wichtigkeit oder Seltenheit der „Bodenschätze“ kommt es zwar auch einmal zu einer Verhinderung der Baumaßnahme, doch das ist selten, wie die Ausgrabung am Parkplatz deutlich belegt.

Die Idee der Mitglieder des Vereins für Denkmalpflege, von historischen Häusern eine „Bauaufnahme“ machen zu lassen, bevor diese umgebaut oder abgerissen werden, hat den selben Hintergrund.

Wie die KöWo bereits vor rund einem Monat berichtete, hatte die Stadtverwaltung die Gelegenheit genutzt, zwei Mitarbeiterinnen der „Wissenschaftliche Baugrund Archäologie“ aus Marburg, die ohnehin auf der Burg tätig waren, auch auf dem Parkplatz nach dem Rechten sehen zu lassen.

Dort hatte sich, wie ebenfalls berichtet, schon im vergangenen Winter plötzlich ein Loch aufgetan und es war zu erahnen, dass dies im Zusammenhang mit einem alten Gewölbe stehen könnte. Aus dieser Situation erwuchs nun die Aufgabe, im Sinne der Verkehrssicherung einerseits nachzusehen, ob weitere Einstürze zu befürchten seien, zum Anderen ist es in einem historisch gewachsenen, wenn nicht bedeutsamen Ort wie Königstein Ehrensache, solche Tiefbauarbeiten von Forschern begleiten zu lassen.

Obwohl dies von etlichen Autofahrern am Bauzaun laut und gelegentlich recht unhöflich bezweifelt wurde, gruben sich Britta Stiesch und Marie Wenske schnellstmöglich, sogar mit Hilfe eines Kleinbaggers, in die Tiefe, wo sie schnell tatsächlich ein Gewölbe aus Ziegelsteinen freilegten. Wohl durch eine spätere Störung – eine bleierne Wasserleitung war quer darüber gezogen worden – hatte dieses einen Knacks bekommen und begonnen einzustürzen.

Der Hohlraum darunter war im Durchschnitt bis zu einem halben Meter nicht verfüllt, ein merkwürdiger Umstand, denn man hatte den Parkplatz 1928 eigentlich bewusst als solchen angelegt, tauglich auch für Omnibusse. Dazu kam, dass der Fundort mit historischen Plänen nicht in Einklang zu bringen war, keine Seltenheit zwar, aber doch Anlass für etliche „Bauzaunkonferenzen“ mit sachkundigen Heimatforschern, denen wiederholt sogar ganze Schulklassen interessiert zuhörten.

Somit wurde es notwendig, die Untersuchungsfläche auszuweiten, um das Umfeld abzuklären: Befindet sich nebenan vielleicht ein weiteres Gewölbe, das einstürzen könnte? Notgedrungen wanderten die Absperrungen auf weitere Parkflächen, Markus Schneider vom Bauamt, der die Arbeiten begleitete, veranlasste sogar die Abfuhr der Erdhaufen, um möglichst viel Platz zu sparen. Auf drei Seiten gab es dann Entwarnung: In Richtung Adelheidstraße schien die Kellermauer in anstehende Erde gebaut zu sein, hier waren zwar interessante Ascheschichten zu finden, doch könnten die statt des großen Stadtbrands von 1792 auch mit der Verfüllung und Einebnung des Parkplatz-Areals zu tun haben – weitere Forschung ist hier derzeit nicht nötig, damit konnte wenigstens die Durchfahrt über die Behindertenparkplätze erhalten bleiben.

In Richtung Konrad-Adenauer-Anlage schloss sich eine nicht uninteressante Pflasterung aus Ziegelsteinen an, sowie eine ältere Wasserleitung (neben neueren), auch kein akuter Grabungsbedarf, während es in Richtung Bushaltestelle schon interessanter wurde. Hier schließen sich unklare Mauerstrukturen und ältere Pflasterungen aus Natursteinen an, wenn dort einmal der Parkplatz grundhaft erneuert werden muss, wäre ein weiterer Archäologen-Blick interessant, konnte derzeit aber unterbleiben. Ausgerechnet in Richtung der Einfahrt von der Hauptstraße aus setzte sich das Gewölbe fort, ein Hohlraum war wieder zu erkennen, in dem ein Zollstock über einen Meter tief verschwand.

Nun wurde es für den Parkplatzverkehr richtig unangenehm, doch es blieb keine Wahl, hier musste dringend nach dem Rechten gesehen werden, schließlich möchte ja auch niemand sein Auto plötzlich in jener Tiefgarage wiederfinden, die nie gebaut worden ist...

Auf dem neuen Ausgrabungsareal wurde es nun richtig interessant, ein weiterer älterer Wasserkanal schloss sich an das Ende des überwölbten Kellerraums an, dessen schräge Richtung eventuell mit dem ehemaligen Obertor in Verbindung bringen lässt. Dieses nach 1792 nicht wieder aufgebaute Stadttor regulierte nämlich auch die Wasserversorgung Königsteins, Überschwemmungen waren unmöglich, denn was hier nicht durch den Kanal passte, floss über die heutige Wiesbadener Straße steil bergab in Richtung Liederbach – so häufig, dass alte Karten hier mitunter einen eigenen Bachlauf verzeichnen, obwohl es nur der Überlauf des vom Reichenbach durch Menschenhand umgeleiteten Höhenbachs ist.

Leider stand aber auch hier letztendlich die Notwendigkeit der schnellen Arbeit an vorderster Stelle, und so bleiben Wasserleitung, etwas merkwürdige Strukturen daneben (Klärbecken?) und weitere Natursteinpflasterung bis auf Weiteres unerforscht, denn das bröckelige Gewölbe endet hier. Unklar bleibt bislang auch die Zuordnung des unterirdischen Raumes, denn nach wie vor scheint es sich nicht um den Keller des Brauereigebäudes zu handeln, der müsste etwa an der Hecke, die den Parkplatz begrenzt, liegen. Mit dem mittelalterlichen „Stechgarten“ scheinen die Pflasterungen auch nicht in Einklang zu bringen sein, stattdessen weist das Mauerwerk der Grundmauern auf eine Entstehung im 17. Jahrhundert hin. Das würde recht gut zum Klosterbau der Kapuziner ab 1681 auf dem „Stechgarten“, damals noch vor den Stadtmauern, passen.

Die Grundrisse von Kirche und Wohnbau sind in der Pfasterung des „Kapuzinerplatzes“ gegenüber dem Eiscafe konserviert worden, allerdings endet das eigentliche Klosterareal unstrittig noch vor dem jetzigen Ausgrabungsbereich, etwa an der großen Laterne auf dem Parkplatz. Daran schloss sich allerdings ein Wirtschaftshof an, dessen Gebäude aus logischen Gründen am Rand der Bebauungsgrenze vermutet werden, wo sie auch als Wirtschaftsgebäude des Hotels Pfaff dokumentiert sind, zu dem das Kloster Anfang des 19. Jahrhunderts umgebaut wurde. In Folge des großen Stadtbrandes von 1792 war es ohnehin nur notdürftig wieder zusammengeflickt worden und wurde rund 20 Jahre später in Folge des Reichsdeputationshauptschlusses aufgelöst und an den Hotelier verkauft.

Mit dem Gegenüber zum „Hotel Amsterdam“, in dem bis Ende des 21. Jahrhunderts das Rathaus untergebracht war (Kurparkpassage zur Kur- und Stadtinformation), bildete der große Komplex ein Zentrum der blühenden Kurstadt und beherbergte illustre wie adlige Gäste aus dem In- und Ausland. Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Hotel von den französischen Besatzungstruppen beschlagnahmt und belegt, die hier den äußersten Rand des „Brückenkopfs Mainz“ bewachten. Sie wechselten 1928 in die eigens für sie erbaute Kaserne in die heutige Bischof-Kaller- bzw. Bischof-Kindermann-Straße, doch hatten sie den Hotelbau dermaßen „abgewohnt“, dass nur der Abriss sinnvoll erschien, zumal ein zentraler Parkplatz für die neu aufkommenden Omnibusse gebraucht wurde.



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