Ein Flug mit der JU52 – „Tante JU“

Einmal über dem Taunus mit der nostalgischen „Tante JU“ schweben: Ein Traum für viele, der für eine Königsteinerin wahr wurde. Foto: Scholl

Königstein (gs) – So sehr uns der Lärm der Flugzeuge über dem Taunus auch manchmal nerven mag, es gibt ein Flugzeug, bei dessen Überflug alle den Kopf verdrehen, um einen Blick auf dieses schöne Relikt der früheren Fliegeridylle zu erhaschen. Wenn die alte JU 52 der Lufthansa auf einem ihrer Rhein-Main-Rundflüge über den Taunus fliegt, dann lassen ihre unverkennbaren Motoren- und Propellergeräusche die Fliegerherzen höher schlagen. Während sich viele Taunusbewohner mittlerweile über zunehmenden Fluglärm beschweren (Anm. Leserbrief in der letzten Ausgabe), zaubert dieses Flugzeug den Menschen ein wehmütiges Lächeln aufs Gesicht. Es stellt sich die Frage, warum das wohl so ist. Die JU 52 ist eine „alte Dame“ der Lüfte. Die heute noch in den Diensten der Lufthansa stehende Maschine mit der historischen Kennung „D-AQUI“ wurde bereits Anfang 1936 in Dessau gebaut und kann auf ein wahrhaft bewegtes Flugleben zurückblicken. Während des Zweiten Weltkrieges war sie als Transportmaschine in Norwegen eingesetzt, später flog sie Passagiere und Fracht über die Urwälder Ecuadors und sogar am Goldschmuggel soll die alte Dame beteiligt gewesen sein. Ihre zunächst letzte Reise endete auf einem Provinzflughafen in Südamerika, wo sie ein paar Jahre vor sich hin rostete, Tiere nisteten sich ein und ein Kondor hatte im Leitwerk ein Nest gebaut. Gerettet von einem amerikanischen Flugzeugsammler, leidlich flugtauglich und einem Feuer beim ersten Motorenstart glücklich entkommen, wurde die Maschine in die USA überführt. Hier wurde die JU 52 von einem bekannten amerikanischen Schriftsteller erstmalig restauriert, denn ihr katastrophaler Zustand machte eine Flugzulassung unmöglich. Die Instrumente waren ein Sammelsurium aus nicht funktionierenden Einzelteilen, der Motor brauchte mehr Öl als Benzin und das Funkgerät „hörte sich an, als ob man Eier aufschlägt“. Nach einer Grundrenovierung und Instandsetzung war die JU viele Jahre in den USA auf Flugschauen zu bewundern, bevor sie 1984 in den Besitz der Lufthansa überging. Hier wurde sie in der Hamburger Flugzeugwerft vollkommen demontiert und neu aufgebaut. Das Vorhaben, die Maschine im Originalzustand wieder aufzubauen, mussten die Mechaniker allerdings damals aufgeben. Sie machten die Erfahrungen, die auch viele Oldtimerbesitzer kennen – die alten Geräte waren zu schwer zu bedienen, die Funkanlage funkte auf Frequenzen, auf denen heute niemand mehr antwortet, ganz zu schweigen von den Sicherheitsanforderungen der modernen Luftfahrt. So wurde „Tante JU“ modernisiert und schließlich ausnahmsweise mit ihrer Originalkennung „D-AQUI“ für den Personenflugverkehr zugelassen. Heute fliegt sie regelmäßig Passagiere in Panoramaflügen über das Rhein-Main-Gebiet oder den Rheingau, gelegentlich bringt sie auch nostalgisch angehauchte Passagiere auf die Urlaubsinsel Sylt. Der Flug mit dieser wunderschön restaurierten Maschine ist an sich ein tolles Erlebnis. Das fängt schon auf dem Flugplatz beim „Einchecken“ an. Wer an die strikten Sicherheitsvorkehrungen auf dem Frankfurter Flughafen gewöhnt ist, hat hier ein echtes Kontrasterlebnis. Die Crew besteht aus drei Piloten, einem Purser und eben dem Mitarbeiter für den Check-in. Letzterer verfügt über eine Namensliste, die herrlich altmodisch einfach abgehakt wird, wenn der Passagier sein Ticket vorlegt – am Rande des Flugfeldes versteht sich! Fehlende Passagiere werden auch schon mal persönlich im Tower-Restaurant gesucht und freundlich auf die Abflugzeit hingewiesen, bevor sich die maximal 16 Passagiere gemeinsam mit der Crew zu Fuß auf den Weg zum Flugzeug machen. Die Piloten fliegen die JU in ihrer Freizeit und aus reiner Liebhaberei. Hauptberuflich sind sie gestandene Flugkapitäne der Lufthansa und fliegen jeweils eine Boing 747. Allerdings tragen die Herren Flugkapitäne in der JU keine schnöde Fluguniform, wie wir sie oft auf Linienflügen sehen, sondern eine schicke, schwarze Flieger-Lederjacke mit den vier Pilotenstreifen auf der Schulter und den Emblemen der Lufthansa und der JU 52 am Revers. Ohne hier jemandem zu nahe treten zu wollen – die Herren sehen mit ihren grau melierten Haaren in der Fliegerjacke wirklich top aus! Am Flugzeug angekommen, gibt es eine kurze Einweisung in die Geschichte und das Flugverhalten der guten alten Tante JU – denn mit einem Jumboflug hat der Rundflug wenig zu tun.

Nachdem alle Passagiere über eine kleine Klappleiter eingestiegen sind und jeder seinen Fensterplatz eingenommen hat, es gibt derer genau 16, kann es losgehen. Das leicht cremefarbige Innenleben der Kabine verbreitet sofort Wohlfühl-Atmosphäre, die Ablagenetze über den Köpfen erinnern allerdings auch ein klein wenig an einen ICE – aber der Eindruck ist nur kurz, denn der Blick ins Cockpit ist für alle Mitreisenden frei, so dass man das fliegerische Geschehen aktiv beobachten kann. Die drei Propeller der Maschine werden nacheinander gestartet, rauchen dabei ein klein wenig und die eine oder andere Fehlzündung ist deutlich hörbar. Dann rumpelt sie los, die „Tante JU“, über das Rollfeld auf die doch sehr kurze Startbahn. Mit sagenhaften 120 km/h Startgeschwindigkeit hebt sie schließlich ab, um die Passagiere mit einer maximalen Geschwindigkeit von 160 km/h durch die Lüfte zu tragen. Es wackelt und ruckelt, es vibriert und rumort ein bisschen, es knarzt und klappert auch einmal und auch jedes noch so kleine Luftloch ist deutlich spürbar.

Angst vorm Fliegen sollte man tunlichst nicht haben und wer die Situation auf sich wirken lassen kann, der erlebt Fliegen in seiner ursprünglichen Form. Den Piloten ist ihre große Leidenschaft fürs Fliegen deutlich anzumerken, wenn sie während des Fluges über die alte „Tante JU“ und ihr Flugzeugleben berichten. Weite, sanfte Kurven wechseln sich ab mit „schnellen“ Strecken entlang der Autobahn (Anmerkung des Flugkapitäns: „Wenn wir neben der Autobahn fliegen würden, würden uns diverse Autos locker überholen!“). Die Sicht auf Land und Leute ist fantastisch, durch die geringe Fluggeschwindigkeit und -höhe können die Passagiere in Ruhe die Landschaft, die Stadt, den Taunus oder auch den Rheingau aus der Vogelperspektive betrachten. Wer diese Eindrücke einmal selbst sammeln konnte, weiß, warum Piloten solch eine Leidenschaft für das Fliegen haben. Jedem Fluggast ist es außerdem gestattet, einen Blick in das Cockpit zu werfen. Was sonst streng verboten ist, gehört hier zum Flugprogramm und neben allerlei Messinstrumenten und Schalthebeln eröffnet der Blick aus dem Cockpitfenster eine ganz besondere Sicht auf den Himmel, die Wolken und die vor einem liegende Landschaft. 40 Minuten Flugzeit sind eigentlich viel zu wenig, aber sie sind ein eindrucksvolles und sicher einmaliges Erlebnis – mit einem Jumboflug in Nichts zu vergleichen.

Als Andenken an den Flug bekommt jeder Passagier vom Purser einen exklusiven Pin mit dem Emblem der JU 52 geschenkt. Wem dies an Memorabilien nicht reicht, der kann am Zelt der Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung direkt am Flugfeld noch ein obligatorisches Andenken in Form einer Tasse, eines Buches, eines Schlüsselbandes, usw. erwerben. Auch der betagte Herr, der den mobilen Stand betreut, ist ehemaliger Lufthansamitarbeiter und versieht diesen Job in seiner Freizeit. Was diese Menschen eint, ist ihre Leidenschaft für die Fliegerei, die mit jedem Satz und in jedem Gespräch deutlich wird. Auch die Passagiere sind ausnahmslos begeistert von dem außergewöhnlichen Flugerlebnis. Noch lange sitzen sie bei einem Glas Wein auf der Terrasse des Tower-Restaurants und lassen dieses wunderbare Erlebnis bei strahlendem Sonnenschein Revue passieren. Ach so – ein Zitat des Flugkapitäns möchte ich nicht unterschlagen: „Tante JU verursacht keinen Fluglärm, sie macht lediglich nostalgische Fluggeräusche.“ Eine Sichtweise, der man sich durchaus anschließen kann!

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