„Loch mit Brett“: Freie Hand in der feinen Gesellschaft

Vom Häppchen übers Brettchen bis zum Stand alles selbst gemacht: Kai Sommer (links) und Johannes Pfaff an ihrem Stand auf der Kronberger Genuss-Messe. Foto: Lux

Königstein (hhf) – „Lecker Häppchen“, wer mag die nicht? Mitunter soll ja sogar die Frage, ob es ein Büfett gibt, den letzten Ausschlag geben, welcher Termin Eingang in den vollen Kalender findet. Ist der Termin dann gemacht, führt dies aber immer wieder zu einem neuen Problem: Man steht mit einem Glas Sekt und etwas Eßbarem da und hat nun keine Hand mehr frei, um sie zu schütteln, ganz zu schweigen von Umarmungen bei Familienfesten.

Genau ein solches gab daher auch den Ausschlag dafür, dass zwei junge Königsteiner sich mit dieser Zwickmühle näher befassten und zu einer genialen Lösung kamen. Im März 2016 hatte der Vater von Kai Sommer Geburtstag, auf dem Programm stand unter anderem ein Sektempfang mit kleinen Flammküchlein. Gemeinsam mit Freund Johannes Pfaff grübelte der Sohn nun über ein Geschenk nach, welches genau diese Situation mit den blockierten Händen entschärfen könnte. Schließlich kamen die Studenten auf die Idee, ein Holzbrettchen, das als Ablage für die Häppchen dienen konnte, mit einem Loch zu versehen, in dem sich ein Wein- oder Sektglas per seitlichem Einschnitt einklinken lässt.

Von der Idee zum Prototyp

Bevor die Partyhelfer ihre Erfindung im Mai 2017 auf der Kronberger Genuss-Messe einem größeren Publikum vorstellen konnten – natürlich an einem selbst gebauten Messestand – mussten sie freilich durch alle Höhen und Tiefen einer Produktentwicklung gehen. Einen ersten Versuch starteten sie mit Bambus-Brettchen aus dem Discounter – die Qualität reichte für den Prototyp-Bau, aber nicht für die Serienreife. Mit ein paar materiellen Verlusten, die eben dazugehören, kam man letzten Endes zu einem respektablen Resultat. „Ein Start-up, wie es im Buche steht“, erinnert Johannes Pfaff an andere Jungs, die ihre ersten Computer in einer Garage zusammenfummelten. Und schließlich waren knapp 100 der Geburtstagsgeschenke pünktlich fertig. In der Werkstatt blieben stumpfe Topfbohrer und an den Händen Blasen zurück, schließlich hatte man jedes Brettchen einzeln mit der Laubsäge nachbearbeitet.

Die Gehirne der Studenten beschäftigten sich alsbald mit einer grundsätzlichen Lösung: Ein zertifiziert nachhaltig erwirtschaftetes Holz musste her, das bei maschineller Bearbeitung eine bessere Figur machen würde – den Zuschlag erhielt die heimische Buche. Darüber hinaus war man nun auf der Suche nach geeigneten Maschinen oder besser Firmen, die eine CNC-Fräse besitzen, denn so ein Gerät hat einen Einkaufspreis „der Kategorie Mittelklassewagen“. Selbst in der Möbelstadt Kelkheim wurde man nicht fündig oder verfahrenseinig, andere Firmen versuchten sich vergeblich an der Aufgabe, dann traf man endlich den Traumbetrieb: Die „Praunheimer Werkstätten“, eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung, hatte erst zwei Jahre zuvor einen neuen Bereich zur Holzverarbeitung in Dienst gestellt. Eine „Eins-A-Partnerschaft“, freut sich Johannes Pfaff noch heute, denn die Meister dort denken mit. So selektiert man inzwischen für das „Loch mit Brett“ Holz mit stehenden Jahresringen, denn es verzieht sich kaum. Vorher hatten sich in verleimten Werkstücken nicht selten kleine Fugen geöffnet, die schlecht zu reinigen waren. Nun ist es aus einem Stück.

Schließlich entlasten die Werkstätten die Studentenbuden auch in puncto Lagerkapazität, eine Palette mit 2.000 Stück wartet dort auf Bestellungen, nachdem die ersten 500 Brettchen „wie warme Semmeln weggegangen waren“.

Einmal auf dem Weg vom Billigprodukt zur Qualität fehlte noch ein letztes Kapitel: Um pflegeleichter zu werden, erhalten die Löcher mit Brett abschließend noch eine Behandlung mit lebensmittelechtem Öl, das man inzwischen auch auf der Website nachbestellen kann. Dennoch, darauf weisen die Fabrikanten extra hin, fühlen sich ihre Produkte in der Spülmaschine nicht wohl: „Nur feucht abwischen und abtrocknen lassen“, ein entsprechender Beipackzettel ist mit im Paket. An einer Kunststoff-Variante für die Spülmaschine arbeiten die Tüftler inzwischen aber auch, vielleicht im edlen Schiefer-Design, und auch eine dunkle Variante der bisher hellen Partyhilfen ist angedacht.

Das Studium geht vor

Allerdings mag das noch ein wenig dauern, denn die Prioritäten stehen fest – die Ausbildung geht vor. Johannes studiert Industriedesign (hatte schon immer „einen Hang zum Basteln und zu sehen, wie etwas besser funktionieren könnte“) in Darmstadt. Damit dem Taunus näher, beschäftigt er sich in erster Linie mit der hier anfallenden praktischen Arbeit: Nicht nur Päckchen wollen gepackt werden, es sind inzwischen auch personalisierte Lasergravuren (Firmenlogos etc.) möglich – da raucht es dann schon mal gewaltig im Hause Pfaff. Eine selbst gebaute Lüftungsvorrichtung zur Fensterbank hinaus erinnert wieder an die Innovationskraft des Start-up-Unternehmens, wie auch die Kühlung des aus dem fernen Osten stammenden Lasers mittels einer Teichpumpe. Es funktioniert wunderbar.

Kai arbeitet schon an seinem Master im Bauingenieurwesen in Braunschweig, von dort aus kümmert er sich vorwiegend um administrative und kommunikative Dinge, da die Entfernung doch recht beträchtlich ist. Von dort aus betreut er auch die sauber strukturierte Website „www.lochmitbrett.de“, die über die Entstehungsgeschichte informiert, häufig gestellte Fragen im Voraus beantwortet und neben Newsletter und Blog natürlich auch eine Bestelladresse beinhaltet.

Wie es sich für ein einzigartiges Naturprodukt gehört, gibt es auch einen Direktverkauf, eine Abholung ab Lager in Königstein ist nach Vereinbarung möglich. Aber auch der Feinkostladen „DAS Königstein“ (Hauptstraße 9) führt die Brettchen und natürlich auch den passenden Wein zum Einklinken – Inhaber Giovanni hatte sein Geschäft sogar kurzfristig als Kulisse zur Verfügung gestellt, als die Hessenschau am 23.6.2017 einen Filmbeitrag produzierte.

Wie man sich denken kann, sind auch die Familien der jungen „Start-upler“ nach Kräften eingebunden, was die braven Jungs nicht vergessen: „Wir bekamen und bekommen viel Support von Familien und Bekannten“, darunter ist „Digital-Mann“ Julien Lux – seines Zeichens Grafik-Designer – besonders zu erwähnen. Er hat einen „nennenswerten Beitrag zum Entstehen der Marke geleistet“. Ganz umsonst arbeitet man übrigens nicht für die Studentenfirma: „Käsekuchen ist mittlerweile zu einer gängigen Währung geworden“ und gilt schon bis nach Praunheim.



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