Marienglocke läutet seit 60 Jahren festlich den Heiligen Abend ein

Ankunft der Marienglocke am 10.11.1956.

Königstein – Glocken – seit Jahrtausenden gehören sie zum Leben der Menschen. Sie begleiten uns tagein, tagaus. Für uns Christen zur Ehre Gottes und als Rufer zu Gottesdiensten oder zum Gebet. Sie sagen uns die Zeit an und erschallen als Festtags- oder Hochzeitsglocken. Sie sind aber auch Verkünder von Frieden und Mahner gegen Gewalt und das Vergessen.

Als Sturm- und Feuerglocken waren sie früher mehr als heute Boten von Gefahr. Seit dem Mittelalter spielte das „Armesünderglöcklein“ eine Rolle. Die Sterbeglocke erinnert uns an den Tod eines lieben Menschen und an unsere eigene Vergänglichkeit. Wer kennt zudem nicht den Klang von Schiffsglocken oder Glockenspielen?

Glocken, wie die Marienglocke in Königstein, die am 24. Dezember 1956 aus der hohen Glockenstube des Kirchturms von St. Marien erstmals ihren wohlklingenden Ruf erschallen ließ, bedeuten ein Stück Heimat, ja sie vermitteln Geborgenheit. Sie stellen in unserem Empfinden eine harmonische Verbindung zwischen Himmel und Erde dar.

Zur Geschichte: Nachdem in den Katastrophenjahren des Krieges drei Glocken von St. Marien von den Machthabern entweiht und zu Rüstungszwecken eingeschmolzen wurden, brachte man 1951 erhebliche finanzielle Mittel auf, um sie durch drei neue zu ersetzen.

Sie sind dem heiligen Wilhelm, dem heiligen Antonius und der heiligen Elisabeth geweiht. Erst 1956 konnte das Geläut mit der größten, der 36 Zentner schweren Marienglocke, wieder harmonisiert werden.

Am 30. Oktober erfolgte ihr Guss in der Gießerei der Gebrüder Rincker in Sinn. Spediteur Adam Kroth holte sie am 10. November mit einem Lkw nach Königstein. Tags darauf fand durch Domkapellmeister Hans Pabst ihre Weihe statt. In seinem Grußwort für die evangelische Gemeinde nannte Pfarrer Hermann Gerber die Glocken „Wächter, Rufer und Boten Gottes“ und wünschte „dass sie bis auf die eine Ausnahme, einmal die Wiedervereinigung Deutschlands einzuläuten, niemals zu politischen Zwecken erklingen sollten“.

Die Presse schrieb „Am Weihnachtsabend wird das volle Geläut zum erstenmal offiziell ertönen. Möge es, wie im Verlaufe der Glockenfeier immer wieder flehentlich zum Ausdruck gebracht wurde, niemals aus Anlass von Katastrophen, sondern nur zum Lobe Gottes und stets im und für den Frieden der Menschen und ihrer Herzen läuten.“

Die lange Geschichte von Glocken hat ihren Ursprung vor 5.000 Jahren in China. Der Kunst des Metallgießens noch unkundig, wurden zunächst Klingsteine und Klingschalen genutzt, mit denen die Mönche zum Gebet riefen.

Sie dienten zudem als Weckruf für den Kaiser, aber auch als Musikinstrumente. Über den asiatischen Raum und den Buddhismus kamen Glocken um 700 v. Chr. in den Mittelmeerraum. Erst im 6. Jahrhundert n. Chr. hielten sie durch christliche Wandermönche in den Klöstern und Kirchen Europas Einzug. Vor etwa 1.000 Jahren entwickelte sich dann der Glockenguss.

Größte intakte Glocke der Welt mit fast 90 Tonnen Gewicht und einer Höhe von 3,7 Metern ist die Mingun-Glocke bei Mandalay in Myanmar. Die Zarenglocke im Moskauer Kreml ist mit über sechs Metern Höhe und 200 Tonnen Gewicht zwar wesentlich imposanter. Sie ist aber fest auf einem Sockel am Boden stehend wegen einer Beschädigung nie geläutet worden. Die größte freischwingende Kirchenglocke der Welt hängt im Kölner Dom. Die St. Petersglocke, im Volksmund liebevoll „Dicker Pitter“ genannt, ist 24 Tonnen schwer.

Die älteste Glocke Deutschlands hat im „Katharinenturm“ bei der Stiftsruine in Bad Hersfeld ihren Platz. Die über 20 Zentner schwere „Lullusglocke“ wurde im Jahr 1038 gegossen und läutet bis heute.

Berühmte Glocken sind „Big Ben“ am Palace of Westminster in London, in Paris die „Emmanuel“ in Notre-Dame und im Petersdom in Rom die „Companone“. Abschließend sei noch die Millenniumsglocke „World Peace Bell“ in Newport, Kentucky, erwähnt. Die 34 Tonnen schwere Glocke ließ erstmals zur Jahrtausendwende am 1. Januar 2000 um 00.00 Uhr ihren Ruf erschallen.

Wenn am Heiligen Abend das große Frankfurter Stadtgeläut, angeführt von der mächtigen 12 Tonnen schweren Gloriosa des Kaiserdoms St. Bartholomäus, mit 50 Glocken der Innenstadt das Weihnachtsfest verkündet, wird in Königstein Küster Peter Langer die uns allen wohlvertraute, festliche Stimme unserer Marienglocke zum Erklingen bringen. Möge ihr Klang gemeinsam mit allen anderen Glocken der Stadt ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und die Hoffnung auf ein friedvolleres Zusammenleben der Menschen aller Herkunft, Hautfarben und Religionen in der uns allen geschenkten, einmaligen Welt einläuten.

Manfred Colloseus

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