Die Musik-Profis kommen in die Bischof-Neumann-Schule

Thomas Gimnich coacht die Blechbläser. Foto: Raabe

Königstein (gs) – Einmal in einem richtigen Profi-Konzertsaal spielen – dieser Traum ist am vergangenen Samstag für die rund 60 Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters der Bischof-Neumann-Schule unter der Leitung von Mechthild Geißler wahr geworden.

800 Besucher passen in den Sendesaal des Hessischen Rundfunks und dieser war auch nahezu ausverkauft. Im Rahmen des Projekts „Coach ‚n‘ Concert für hessische Schulorchester“ durften drei ausgewählte Orchester – das Schulorchester der Bischof-Neumann-Schule, das Jugendorchester Karben sowie das Kammerorchester Oranienschule Wiesbaden – ein eigenes Konzert geben. Durch das Konzert führte lebhaft der bekannte hr-Moderator und Schauspieler Klaus Krückemeyer, der das Projekt zunächst vorstellte.

Coach ‚n‘ Concert ist praktisch das Nachfolgeprojekt des bisherigen Hessischen Schulorchester-Wettbewerbs. Allerdings steht kein Wettbewerbsgedanke mehr im Vordergrund, sondern das Coaching der Schüler durch hochqualifizierte Berufsmusiker sowie die Begegnung im Rahmen eines Konzerts. Das Projekt wird von dem hr-Netzwerk Musik+Schule sowie dem Lionsclub Frankfurt-Paulskirche gefördert und findet alle zwei Jahre statt. Ziel ist die Verbindung von Schule und Musik. „Die Nachwuchsförderung liegt uns beim hr ganz besonders am Herzen!“, so der Moderator Krückemeyer. Auch der „Chef des Projekts“, der Musikchef des Hessischen Rundfunks, Michael Traub, betonte in seiner Ansprache: „Ich bin stolz, dass wir das zusammen hinbekommen haben. Diese Erfahrungen, die die Schüler bei diesem Förderprojekt machen dürfen, bleiben bei ihnen. Das prägt einen Menschen, auch wenn er nicht Musiker wird.“ Genauso waren auch die Lions überzeugt von dem, was sie da unterstützt hatten: „Wir dienen – das ist unser Motto!“, so Präsident Michael Stritter. Man habe die Idee gehabt, die Jugendlichen mal in anderer Form zu unterstützen, man sei von dem musikalischen Gedanken beseelt gewesen und habe eine gute Verbindung zum hr gehabt.

Mechthild Geißler hat als Musiklehrerin der BNS die Gelegenheit beim Schopf gepackt, an dem Projekt teilzunehmen: „Ich habe in der Bewerbung unser Orchester-Repertoire sowie zwei Stücke als neue Vorhaben vorgestellt.“ Unter 13 Bewerbungen aus ganz Hessen wurde das Orchester der Bischof-Neumann-Schule schließlich ausgewählt.

Gleich vier Profimusiker des Hessischen Rundfunkorchesters haben sich daraufhin freiwillig zur Verfügung gestellt und hochmotiviert den Weg raus aus dem Konzertsaal in Frankfurt und rein in den Musiksaal der BNS in Königstein auf sich genommen. Seit Februar begleiteten sie die jungen Musiker/innen der BNS in ihrer wöchentlichen Orchesterarbeit. Stefanie Pfaffenzeller (Violine), Dirk Niewöhner (Viola), Thomas Gimnich (Oboe/Englischhorn) und John Stobart (Horn), haben mit den Schülern eifrig an Lautstärke, Dynamik, Technik sowie Rhythmus getüftelt und konnten so, mit Tricks für kniffelige Stellen und Hilfestellung für Bogeneinteilung und dergleichen, viel aus den Schülern heraus kitzeln.

„Die Profis waren kollegial, total flexibel und haben uns mit ihrem hohen musikalischen Wissen, der Technik und ihrer Orchestererfahrung unterstützt. Die haben viel aus unserem Orchester herausgeholt“, so Geißler. „Fördern durch Fordern“ – und das im Sinne von beharrlichem Üben – lautete die Devise. So erschienen die Coaches zu Register- , aber auch zu Tuttiproben. Selbst „Einzelcoaching“ gab es, wenn‘s gefordert war. So zum Beispiel für das anspruchsvolle Solo der Tuba-Bläserin Lorena, die von Thomas Gimnich höchstpersönlich gecoacht wurde. Hilfreich war auch Stefanie Pfaffenzeller, die beim Vibrato der ersten Geigen nicht locker ließ: „Eins, zwei, drei...mit Vibrato...nein...eins, zwei, drei...mit mehr Vibrato!“.

Und das konnte das Publikum dann auch im Konzert genießen. Zunächst stand die Sinfonische Sonatina op. 100 von Antonin Dvorák auf dem Programm. Dieses Stück hatte Dvorák als letzte Komposition während seines USA-Aufenthaltes 1893 für seine damals 15-jährige Tochter und seinen zehnjährigen Sohn für Violine und Klavier geschrieben. Dabei hat er die Komposition genau auf das technische Niveau seiner Kinder ausgerichtet. Das Orchester der BNS spielte aber die „vollere“ Version, nämlich das Arrangement für Orchester von C.P. Arnell und K.W. Rokos. Ein Feeling für die Neue Welt bekam man aufgrund der Vielseitigkeit der vier Sätze, die auf „Indianer-Melodien“ sowie spiritualtypische Wendungen zurückgreifen. „Ich habe die dieses Stück ausgewählt, weil es so gut zum Klang meines Orchesters passt. Die Sonatina ist darüber hinaus gut spielbar für das Orchester“, so Mechthild Geißler.

„Dvorák, Tscheche, denkt an diese Mentalität! Denkt an Knödel und Braten – und dann geht voll rein in das Stück!“ – so anschaulich hatte der Bratschist Dirk Niewöhner seine tiefen Streicher zuvor in der Registerprobe auf den rechten Weg gebracht.

Dass es sich ursprünglich um eine Violinsonate handelte und dass sich Stefanie Pfaffenzeller den hohen Streichern angenommen hatte, das konnte man hören und bestaunen. Das zuvor geübte Vibrato kam ausdrucksvoll und gekonnt zum Einsatz, überzeugend war aber insgesamt beim Orchester ein sauberer Aufbau der Akkorde und passgenaues Einsetzen. Der zweite Satz der Sonatina wurde vom Kammerorchester der BNS übernommen und bestach durch seine ausgewogene Dynamik. Nach einem fulminanten 3. und 4. Satz folgte zunächst schon mal tosender Applaus.

Dann die Überleitung zu dem zweiten Programmpunkt, dem Soundtrack des Dinoklassikers Jurassic Park: Dieses Stück hatte das Schulorchester höchstpersönlich ausgewählt. Dem Wunsch nach Filmmusik sei man gerne nachgekommen, betonte Mechthild Geißler, und auf der alljährlichen Orchesterfahrt in das hessische Schlitz (Sitz des Landesmusikrates Hessen, Schloss Hallenburg) habe man nicht nur intensiv an dem Stück geübt, sondern auch schon mal den Film dazu geschaut.

„So bekommen die jungen Musiker ein Gefühl dafür, wie in Spielfilmen Musik zur Erzeugung von Stimmungen und Gefühlen eingesetzt wird. Das ist eine kostbare musikalische Erfahrung“, so Geißler. Die Komposition stammt von keinem Geringeren als John Williams, dem jeder musikalisch schon einmal begegnet sein dürfte, ohne dass er die dazugehörigen Filme gesehen hat. Denn wer würde nicht den Soundtrack vom Weißen Hai, Harry Potter oder Star Wars vor sich hin summen können? Und so konnte man eindrucksvoll erleben, wie es sich anhören kann, wenn etwas von Herzen gespielt wird – und zwar von 60 Jugendlichen unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichster Leistungsstufen. Jede Instrumentengruppe hatte einmal das Thema, jedes Mal war es spannend, zuzuhören. Alles hat super geklappt, ...übrigens auch das Solo von Lorena auf der Tuba, kein Wunder, das Einzelcoaching von Thomas Gimnich hatte sich voll ausgezahlt! Aber auch die Geigen haben mal wieder von „ihrem Coach“, Stefanie Pfaffenzeller, profitiert, weiß Sarah zu berichten: „Bei Jurassic Park müssen wir Geigen so richtig in die Lagen gehen. Frau Pfaffenzeller hat uns tolle Fingersätze und wertvolle Tipps für eine gute Bogeneinteilung gegeben. Es hat uns sehr viel Spaß gemacht!“. Und so konnte man die Dinos förmlich spüren!

„Das Projekt Coach ‚n‘ Concert hat die Motivation der Schüler unglaublich gestärkt“, berichtete Geißler auf Nachfrage des Moderators. Die hohe Motivation, die Wertschätzung und hohe Flexibilität der Profis und die Aussicht, im Sendesaal spielen zu dürfen, das sei ein großer Gewinn für die jungen Musiker. „Dass man als Schulorchester auch mal aus der Schule rausgehen kann zum Musizieren, ist eine tolle Erfahrung!“ betonte die Leiterin des Orchesters.

Auch den Coaches scheint es gefallen zu haben, die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. „Die machen doch auch nix anderes als ich früher,“ so Thomas Gimnich. Man könne sich selbst noch gut an die eigenen Anfänge der „Orchesterlaufbahn“ erinnern, auch wenn die schon fast 50 Jahre zurückliegen. Als „detailverliebte Fanatiker“ habe man hoffentlich nicht gewirkt. Allerdings trage die heutige Digitalisierung und Mediatisierung nicht unbedingt immer zum „Zuhören“ bei. „Wir spielen noch traditionell, nicht mit Tablets!“, lacht Geißler, „...wenn denn mal alle ihre Noten dabei haben, was auch nicht immer selbstverständlich ist.“

Neben dem musikalischen Programm gab‘s für die Königsteiner Schülerinnen und Schüler aber noch eine Zugabe: Eine Führung durch den Hessischen Rundfunk und eine Einladung zum Essen vor dem großen Auftritt.



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