Königstein (hhf) – Die Interessen von Kolpingfamilie und Verein für Heimatkunde weisen eine große Schnittmenge auf, daher ist es zu einer guten Tradition geworden, dass Rudolf Krönke, Erster Vorsitzender der Heimatkundler, im November auf Einladung der katholischen GesellInnEn einen Vortrag zu wechselnden Themen der örtlichen Historie hält. Zum festen Ritual gehört dabei stets ein gut gefüllter Saal im Gemeindezentrum und ein hoher Anteil an Nebengesprächen und Diskussionen auch während des Referates, denn gerade in diesem Publikum sind viele der alten Königsteiner vertreten, denen Krönke gerne immer wieder ein Mitspracherecht einräumt. Förderlich ist dieser freien Art die reiche Bebilderung durch den Fotosammler, die sich diesmal um ein jüngeres Kapitel der 800jährigen Stadtgeschichte drehten: „Die Perle im Taunus – Königstein im 19. Jahrhundert“.
Zeichnungen und Fotos, zum Beispiel vom heutigen Standort des Kurbades aus, zeigen in dieser Zeit ein kleines, idyllisches Königstein aber auch Armut und Zerstörung, denn vor dem Aufstieg zum bekannten Kurort lag ein tiefer Fall. Der Weg ins 19. Jahrhundert begann mit dem Stadtbrand von 1792 sehr unromantisch, preußische Truppen hatten statt der französisch besetzten Festung die Stadt beschossen. Zu den Ruinen der Wohnhäuser gesellte sich nach der Sprengung durch die Franzosen 1796 auch noch die bisherige Festung – und zog damit die ersten „Romantiker“ an. Ohnehin waren Königstein und die umliegenden Dörfer wegen ihrer schönen Lage und guten Luft schon immer ein beliebtes Ziel für Tagesausflüge der Städter aus der Mainebene gewesen. Nun unternahmen die ersten Anhänger der „Rheinromantik“ – zunächst Engländer und Franzosen – erste Abstecher in den Taunus und es entstanden die bekannten Schriften und Gemälde der Kulturepoche: „Die Romantik hatte die Menschen erfasst.“ In diesem Zusammenhang wies Rudolf Krönke darauf hin, dass 2019 in Frankfurt das „Deutsche Romantik-Museum“ eröffnet werden soll: „Wir sollten hier hellwach sein!“ Wenn die Epoche der Romantik wieder mehr in den Blickpunkt der Bevölkerung gerät, dann sollten sich Königstein und der Taunus ihre Scheibe als Ausflugsziel davon abschneiden können.
Historisch korrekt stand weiterhin aber nicht die Burg im Mittelpunkt, sondern die Anfänge des Taunus-Tourismus und die Entstehung erster Sommervillen reicher Frankfurter „Forensen“ wie unter anderem die Villa Andreae, die auf dem Geisberg aus dem Vorgängeranwesen „Villa Bächle“ hervorging oder die „Villa Rothschild“. Immerhin hatten früher schon die Mainzer Fürstbischöfe ihre Sommerresidenz in Königstein eingerichtet und 1858 kauft Herzog Adolph ebenfalls eine Privatresidenz. Zu seinem Anwesen gehörte zeitweise auch die Burgruine, deren von der Sprengung verschonter Turm 1819 durch Blitzschlag ausbrannte – die bis heute begehbare Holztreppe wurde erst nach 1852 wieder eingebaut. Ein Bild von Anton Radl (1774 – 1852) zeigt mit einem Blick aus der Karlstraße um 1815 noch das Dach auf dem Turm.
1803 war der erste „Taunusführer“ von Johann Friedrich Morgenstern (1777-1844) in Frankfurt herausgegeben worden, dadurch verstärkte sich der Ausflugsverkehr auf „die Höhe“. Aus dieser Zeit sind Reiseberichte und Zeichnungen von Privatleuten erhalten geblieben, weiterhin zog die Gegend verstärkt auch Maler an, wie zum Beispiel Melchior Kraus (1737-1806), der mit Dichterfürst Goethe befreundet gewesen ist. Letzterer erwähnt Königstein nur einmal so beiläufig, dass man davon ausgehen kann, dass dieses Ausflugsziel für ihn selbstverständlich war – der Haus- und Hofliterat des Städtchens ist dagegen Friedrich Stoltze, der hier schon in den ersten Jahren einige Kuraufenthalte über sich ergehen ließ.
Auch die Lage an der Straße von Frankfurt nach Köln hatte stets dafür gesorgt, dass sich in Königstein der Erwerbszweig „Gastronomie“ etablieren und auch ohne Regierungsfunktionen halten konnte – allerdings kampierten hier nicht nur friedliche Gäste. So ist belegt, dass im Lauf des französischen Rückzuges nach der Völkerschlacht bei Leipzig, vom 15. bis 17. November 1813, Feldmarschall Blücher sein Hauptquartier im „Grünen Baum“, Hauptstraße 21, bei Gastwirt und Posthalter Colloseus einrichtete. Hier hielt er unter anderem Kriegsrat mit dem russischen General Alexandre Graf von Langeron bezüglich der bevorstehenden Rheinüberquerung, die in der Neujahrsnacht bei Kaub auch gelang. Langeron baute mit seinen Männern dafür eigens eine Pontonbrücke, ein Vorfahre von Rudolf Krönke war mit dabei.
Nach der Auflösung des Kapuzinerklosters wird das Gebäude zum Hotel Pfaff, auf dessen Scherben Archäologen erst in diesem Sommer wieder gestoßen sind. Nach einfacheren Anfängen bot das gehobene Etablissement später Platz für bis zu 80 Gästen mit Dienerschaft: „Die Touristen suchten den Komfort, die alten Gästehäuser genügten nicht mehr.“ Die Frankfurter Straße bildete nun ein gepflegtes „Entree der Stadt“, allerdings zeugen Leserbriefe davon, dass die neue Zeit noch nicht bei allen angebrochen war. Man beschwerte sich über Jauchefahren, was sogar die Anreise des rumänischen Königs „durchduftet“ habe und forderte generell mehr Reinlichkeit, da könne man sich Soden als Vorbild nehmen, wo die Straßen „wie geleckt“ sind.
Die neue Identität der Stadt als Kurort geht auf Medizinalrat Dr. Georg Pingler zurück, der zunächst mit kaltem Wasser, Luft und Landschaft einfache und billige Heilmethoden gefunden hatte. In einer seiner zahlreichen Publikationen formuliert er auch einen bis heute bekannten „Slogan“ für die Stadt: „Königstein (...) bildet mit dem nahegelegenen Cronberg und Cronthal die Perle des Taunus“. Was sich dort vor genau 100 Jahren ereignete, bildete den Abschluss des Abends: 1915 gab es zum Beispiel eine Gemäldeausstellung von Herzogin Adelheid-Marie, die als ausgebildete Malerin sehr aktiv war. Der erhobene Eintritt kam den Kriegsopfern zugute, in Folge des Ersten Weltkrieges war die Kurstadt auch zur Lazarettstadt geworden – Bilder zeigen die zum Krankensaal umgewandelte Turnhalle des Sanatorium Kohnstamm. Hier traf schließlich auch Ernst Ludwig Kirchner ein, um über den Jahreswechsel zu kuren. Von ihm sind etliche Ansichten aus Stadt und Umgebung erhalten, so die Kleinbahn am Burgberg oder ein Blick durch die Herzog-Adolph-Straße zur Marienkirche. Lang diskutiert wurde schließlich eine Skizze, die Häuser an einer Straßenkurve zu zeigen scheint, dann winkte Rudolf Krönke ab: Die Lösung, um welches Motiv es sich handelt will er erst 2016 verraten, wenn er einen eigenen Vortrag über „Kirchner in Königstein“ halten wird.
Was zeigt diese Zeichnung aus der Feder von Ernst Ludwig Kirchner? Dieses Rätsel wollte der Referent trotz engagierter Diskussion im Saal dann doch nicht auflösen, sondern erst im nächsten Vortrag. Frohes Knobeln bis dahin!
Repro: Friedel