Soziales Jahr oder Ehrenamt: „Familie“ MSD sucht dringend Verstärkung

Königstein (hhf) – Die Lücke, die er hinterlässt, ist so schwer zu füllen, dass er vorläufig noch ehrenamtlich weitermacht, bis sein Studium ihn dann daran hindert: Tim Lutz hat zum Monatswechsel August/September sein Freiwilliges soziales Jahr beim Mobilen Sozialen Dienst (MSD) in der Sozialstation am Ende der Georg-Pingler-Straße beendet, ein Nachfolger wird noch gesucht. „Die Idee war zunächst, sich während einem FSJ in Ruhe zu orientieren, wie es denn nach der Schule weitergehen soll“, erzählt er die Vorgeschichte, eine sehr sinnvolle Sache für junge Leute, bevor sie sich beruflich festlegen.

Dass er seine Denkpause ausgerechnet beim MSD unter der Leitung von Annette Otto verbrachte, geht auf einen Freund zurück, der hier zuvor als FSJler gearbeitet hatte. Er erzählte dem Ruppertshainer von dem guten Team hier und einer „tollen Chefin“, der Empfehlung folgte eine vorsichtige Bewerbung und dann ging alles sehr schnell...

Essen auf Rädern nimmt zu

Freiheit und Vertrauen zeichnen den „Job“ beim MSD aus, denn es geht hauptsächlich um Fahrdienste im Raum von Glashütten, Kronberg und Königstein samt Stadtteilen. Ganz wichtig ist dabei die Auslieferung von warmem Mittagessen, auch für andere Hilfestellungen im Haushalt werden diejenigen Menschen besucht, die zwar noch alleine leben, sich aber nicht mehr komplett selbst versorgen können. Einkäufe werden für sie erledigt oder Arztbesuche ermöglicht und wenn die Zeit reicht, kann es auch einmal die Begleitung für einen Konzertbesuch sein oder ein kurzer Spaziergang im Grünen.

Der Anteil an Demenzkranken nimmt beständig zu, doch längst nicht nur für sie gilt der Grundsatz „kein Beschleuniger sein, sondern das Tempo des Patienten annehmen.“ Oft ist der reine Kontakt auch ein wichtiges Mittel gegen Einsamkeit. Ohne eine vernünftige Begleitung kann man solche Dienste aber nicht leisten, da hilft es schon, wenn die Kollegen aber auch die Chefin ganz offen auf einen zugehen und man über alles reden kann, denn durch die rosarote Brille kann man das Leben hier nicht mehr betrachten. Auch über die Seminare, die zum FSJ gehören, ist Tim Lutz des Lobes voll, denn es gibt mitreißende Referenten, die fast immer vor vollen Stühlen sprechen: „Die sind sehr gut, man erfährt viel, zum Beispiel über Ethik, Probleme der Rollstuhlfahrer, Demenz und die Auswirkungen auf Angehörige oder Obdachlose und wird für ganz bestimmte Themen sensibilisiert.“ Dazu gehört auch das Sterben, denn man begleitet die Patienten, sofern sie nicht doch in ein Pflegeheim müssen, auch bis zum Tod.

Ein enger Familienverband

„Es ist so gewesen, wie ich es erwartet habe“, resümiert Tim Lutz nun, daran ist natürlich die gute Vorbereitung durch seinen Freund maßgeblich beteiligt. Aber wer Annette Otto kennt, weiß, dass die Leiterin ihren Beruf mit Herzblut versieht und ihr Team wie eine Familie führt. Und noch etwas kommt dazu: Die Kollegen, die der FSJler in den Seminaren getroffen hat, waren regelrecht neidisch auf das abwechslungsreiche Tätigkeitsfeld beim MSD.

Von unschätzbarem Wert ist aber sicherlich die enge persönliche Beziehung, die die Mitarbeiter aus allen Altersschichten gleichermaßen pflegen. So wie Anton Hempfling, laut Annette Otto der „treueste Ehrenamtliche“, gerne auch als „Stammesältester“ bezeichnet. Er ist seit 2009 „dabei“, da sind ihm unter anderem auch Veränderungen im täglichen Arbeitsalltag aufgefallen. So wurden die ohnehin schon seltenen Fahrten für Rollstuhlfahrer eingestellt, nachdem das Fahrzeug, das auch Rollstühle fachgerecht transportieren konnte, nicht mehr über den TÜV gekommen ist. Auch gibt es heute nicht mehr so viele Arztfahrten – da ist inzwischen ein großer Markt für private Krankenfahrten entstanden – dafür werden inzwischen mehr warme Mittagsmenüs zu Alten und Kranken nach Hause gebracht und für sie Einkäufe und andere Besorgungen erledigt. Wenn die Empfänger dabei mitfahren können, ist es meist ein besonders willkommenes Erlebnis.

Diese kleinen Freuden im Alltag motivieren ihn besonders, außerdem hat er eben die Zeit dafür, seinen Mitmenschen zu helfen und freut sich sie so sinnvoll einsetzen zu können. Seine klare Einsicht: „Wenn ich mal in so eine Situation komme, dann freue ich mich bestimmt auch, wenn mir jemand hilft.“ Helfen kann man ihm allerdings schon jetzt: Der alleinstehende Mann aus dem Hintertaunus sucht eine kleine, bezahlbare Wohnung in Königstein, um sein gutes Werk ohne die lange Anfahrt weiterführen zu können.

Eine große Familie

Die persönlichen Verbindungen enden allerdings nicht mit dem Kreis der Mitarbeiter, vielmehr sind in die große Familie auch die Patienten eingeschlossen, Trauerminuten für Verstorbene gehören ebenso zum Dienstplan wie die Möglichkeit, sich eine Pause zu nehmen, wenn es nötig ist. Neu in der Familie ist auch ein Gebrauchtwagen, den Annette Otto „günstig geschossen hat“, ein Skoda „Roomster“ mit genügend Platz für Senioren, ihre Einkäufe und gegebenenfalls den Rollator. Das wäre ohne Sponsoren – in diesem Fall der Förderverein und ein Privatmann aus Kronberg – natürlich auch nicht möglich gewesen, eigentlich weitere Familienangehörige.

In diesen mächtigen Clan kann man im Übrigen gerne einheiraten oder vielleicht sogar dort wiedergeboren werden, wer nicht nur fördern will, sollte allerdings einen Führerschein besitzen. Neuankömmlinge werden auf jeden Fall mit offenen Armen warmherzig empfangen und sorgfältig eingearbeitet, so wie Klaus Menken aus Schneidhain, der sich gerade frisch zum ehrenamtlichen Dienst gemeldet hat: „Ich habe vorher viel am Schreibtisch gearbeitet, nun wollte ich im Vorruhestand mal was anderes machen“, erzählt er, da kam der Tipp aus der Kirchengemeinde gerade recht.

Aus dem „Familienalbum“: Tim Lutz (links), Annette Otto und Klaus Menken mit dem neuen gebrauchten „Roomster“.
Foto: Friedel



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