Aus dem Stadtarchiv: Wieso hat Königstein eigentlich ein „Luxemburger Schloss“?

Herzogin bzw. Großherzogin Adelheid Marie in der Bildmitte im Kreise ihrer Enkelinnen, den luxemburgischen Prinzessinnen. Hinten rechts sieht man durch die Bäume das Schloss durchschimmern.

Auf dem Weg zur Burgruine kommen Besucher an einem markanten weißen Schlösschen vorbei, das einst dem letzten Herzog von Nassau, Adolph, und seiner Frau Adelheid Marie als Sommerresidenz diente. Viele wissen, dass sich heute hier das Amtsgericht befindet, aber nicht jedem ist bekannt, weshalb das kleine Schloss im Volksmund auch als „Luxemburger Schloss“ bezeichnet wird.

Königstein: ein beliebter Sommersitz für die herzogliche Familie

Adolph war nach dem Tode seines Vaters Wilhelm im Jahr 1839 bereits mit 22 Jahren Herzog von Nassau geworden. Früh verwitwet, heiratete er in zweiter Ehe Adelheid Marie Prinzessin von Anhalt-Dessau. Auf der Hochzeitsreise 1851 besuchte das Paar auch Königstein und übernachtete im Hotel Stadt Amsterdam (Hauptstraße 15). Offenbar gefiel es den beiden sehr gut in der kleinen Taunusstadt, denn sieben Jahre später erwarb der Herzog das ehemalige kurmainzische Amtshaus unterhalb der Ruine. Hier verbrachte die herzogliche Familie alljährlich einige Sommerwochen.

Seit 1866 war Adolph nicht mehr Herzog von Nassau. Im Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland hatte das Herzogtum auf der österreichischen Seite gekämpft – und somit verloren. Das Herzogtum Nassau wurde von Preußen am 3. Oktober 1866 annektiert und der 49-jährige Herzog quasi seines Amts „enthoben“ und materiell abgefunden. Es heißt, dass Adolph und Adelheid Marie niemals auf ehemals nassauischen Boden zurückkehrten – mit Ausnahme von Königstein. Die Sommervilla wurde in den Jahren 1875-77 zu einem Schlösschen umgebaut und erweitert. Insbesondere Herzogin Adelheid Marie liebte „ihr“ Königstein, in dem sie im Alter auch immer länger verweilte. Ansonsten befand sich das Paar viel auf Reisen und hielt sich auf Schloss Hohenburg in Lenggries/Oberbayern, in Österreich oder Italien auf.

Von Königstein nach Luxemburg

1889 war es mit dem Ruhestand vorbei, denn Adolph von Nassau übernahm die Regentschaft in dem kleinen Großherzogtum Luxemburg. Wie kam es dazu?

Das Großherzogtum Luxemburg und das seit 1806 bestehende Königreich der Niederlande waren seit den Beschlüssen des Wiener Kongresses von 1815 in Personalunion vereinigt. König Wilhelm I. der Niederlande, der dem Haus Nassau-Oranien angehörte, war der erste Großherzog von Luxemburg. Sein Sohn Wilhelm II. und sein Enkel Wilhelm III. folgten ihm auf den Thron. Anfang 1889 erkrankte König Wilhelm III. sehr schwer und war nicht mehr in der Lage, sein Amt auszuüben. Da seine drei Söhne bereits gestorben waren, war es erforderlich, sowohl in den Niederlanden als auch in Luxemburg jeweils einen Regenten einzusetzen. Für die Niederlande war dies nicht problematisch, konnte dort verfassungsgemäß auch Wilhelms III. Ehefrau, Königin Emma, die Regentschaft übernehmen.

Anders sah es in Luxemburg aus: Hier galten noch immer die Regelungen des „Nassauischen Erbvereins“ von 1783. Dieser Erbvertrag war festgelegt worden, um eine weitere Aufsplitterung des Hauses Nassau, das aus der ottonischen und der walramischen Linie bestand, zu verhindern. Demnach sollte beim Aussterben der ottonischen Linie (Nassau-Oranien) im Mannesstamm der Chef der nächstberechtigten Linie des walramischen Stammes (1783 waren dies die Linien Nassau-Saarbrücken, Nassau-Weilburg und Nassau-Usingen) Nachfolger werden, Vorrang hatten die männlichen Nachkommen.

Im Jahr 1889 gab es nur noch die walramische Linie Nassau-Weilburg, der der ehemalige Herzog von Nassau, Adolph, vorstand. In Bezug auf Luxemburg war er demnach der nächste Thronanwärter.

Im März 1889 traf sich Adolph in Frankfurt mit dem luxemburgischen Staatsminister Eyschen. Die Taunuszeitung schrieb dazu am 2. April 1889, dass es sich dabei um „die erste persönliche Annäherung zwischen dem Herzog und der Luxemburgischen Regierung“ handelte. Für Luxemburg verfasste Adolph am 6. April 1889 eine Botschaft, in der er von seinem Recht, die Regentschaft zu übernehmen, Gebrauch machte: „... Wir befinden uns in einer sehr traurigen und schmerzlichen Lage. Aber nach der übereinstimmenden Ansicht der Regierung und des Staatsrates des Großherzogtums Luxemburg glaube ich mich nicht der Pflicht entziehen zu können ...“ und wünschte weiter, den vorgeschriebenen Eid zu leisten. Als er am 8. April nach Luxemburg aufbrach, versicherte der Herzog dem Königsteiner Bürgermeister Fischer, „sein Herz verbleibe in Königstein“. In Luxemburg freundlich empfangen, verließ der Regent das kleine Land jedoch bereits am 4. Mai wieder mit Ziel Königstein. Entgegen aller Erwartungen hatte sich König Wilhelm III. wieder erholt und bestand darauf, die Regierungsgeschäfte erneut selbst zu übernommen.

Wilhelm III., König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg, konnte sein 40-jähriges Regierungsjubiläum noch feiern, starb jedoch am 23. November 1890. Damit erlosch die Personalunion des Königreichs der Niederlande mit dem Großherzogtum Luxemburg. Aus der zweiten Ehe mit Emma von Waldeck-Pyrmont hatte Wilhelm III eine Tochter, Wilhelmine, die in den Niederlanden erbberechtigt war und mit Erreichen ihrer Volljährigkeit Königin der Niederlande wurde.

Der mittlerweile 73-jährige Herzog Adolph von Nassau wurde jetzt Großherzog von Luxemburg und erhielt den Titel „Königliche Hoheit“. Am 9. Dezember 1890, vor genau 125 Jahren, leistete er in Anwesenheit seiner Frau Adelheid Marie und seines Sohnes Wilhelm den Eid auf die Verfassung von Luxemburg. Der in Luxemburg sehr populäre Großherzog ernannte seinen Sohn aus Altersgründen 1902 zum Statthalter.

Auswirkungen für Königstein

Für Königstein hatte dies doch ganz besondere Auswirkungen: Großherzogin Adelheid Marie, die hier in Königstein von zahlreichen Mitgliedern des europäischen Hochadels besucht wurde, war eine große Wohltäterin und sehr beliebt. Die Königsteiner Kurlisten vermerkten auch genau, wer sich im Großherzoglichen Schloss gerade aufhielt. Königsteiner Kaufleute und Handwerker erhielten aus dem Schloss Aufträge. Dafür bemühten sie sich um eine Auszeichnung aus Luxemburg als großherzogliche Lieferanten oder Handwerker. So war es ausgesprochen werbewirksam, wenn beispielsweise der Königsteiner Fotograf Franz Schilling das Prädikat „Großherzoglich Luxemburgischer Hoffotograf“ führen durfte.

Und somit ist auch die Bezeichnung „Luxemburger Schloss“ (manche verwenden auch den Begriff „Luxemburgisches Schloss“) erklärt: Sie hält die Erinnerung wach, dass der letzte nassauische Landesherr in seinen letzten Lebensjahren nochmals ein hohes Amt, das des Großherzogs von Luxemburg, übernahm.

Sein Nachfolger Wilhelm hatte übrigens sechs Töchter, die oft ihre Großmutter in Königstein besuchten, aber keinen Sohn. Und so wurde 1907 die weibliche Thronfolge auch in Luxemburg gesetzlich verankert. Die beiden ältesten Enkelinnen Adolphs wurden später Großherzoginnen: Marie Adelheid war von 1912 bis 1919 Großherzogin von Luxemburg, nach ihrer Abdankung folgte ihre nächste Schwester Charlotte, die 1964 den Thron ihrem Sohn Jean überließ. Großherzog Jean dankte 2000 zugunsten seines Sohnes Henri ab, der der gegenwärtige Großherzog ist und in direkter Linie von Großherzog Adolph, Herzog von Nassau, abstammt.



X