„Unis sind keine isolierten Elfenbeintürme“: Die Goethe Universität präsentierte sich im HdB

Königstein (hhf) – Wenn Bürgermeister Leonhard Helm früher zu seiner Alma Mater gelangen wollte, schwang er sich bei gutem Wetter schon einmal auf das Fahrrad, um den Weg von Königstein nach Frankfurt an der frischen Luft zurück zu legen. Kurz vor seinem 50. Geburtstag gestand der ehemalige Jura-Student nun ein, dass dieses Verfahren heute wohl nicht mehr in Betracht käme, das war aber auch gar nicht nötig, denn die Goethe-Universität kam nach Königstein.

Im Rahmen ihres 100-jährigen Bestehens präsentiert sich die „Stiftungs- und Bürgeruniversität“ in ausgewählten Orten ihrer Umgebung, um die Nachbarschaft zu festigen und natürlich auch weitere Stifter zu finden. Ein Besuch in Königstein, genauer gesagt ein Abend im Haus der Begegnung, darf dabei eigentlich schon als Pflichttermin gelten, schließlich wohnen in der Kurstadt nicht nur rund 40 Mitarbeiter der Institution (vom Professor bis zur Sekretärin), sondern auch gleich drei weiterführende Schulen versorgen die nahe gelegene Universität regelmäßig mit neuen Studenten.

Von den aktuell etwa 46.000 Studierenden an 16 Fachbereichen stammen zirka 130 aus Königstein, rechnete Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz vor, der als amtierender Vizepräsident den Abend eröffnete. Noch weitaus mehr Berührungspunkte fügte Bürgermeister Leonhard Helm hinzu, der selbst einen davon darstellt: „Vor 25 Jahren habe ich dort mein Examen bestanden.“ Damals hätte er freilich – wenn auch nicht im Fach Jura – auch zu Hause studieren können, denn mit dem Albertus Magnus Kolleg verfügte die Stadt über eine eigene katholische theologische Hochschule. Trotz deren Schließung sind also Erfahrungen im Umgang mit Professoren, Studenten und deren Bedürfnissen im Ort vorhanden, zu letzteren zählt mit Sicherheit das Haus der Begegnung, das die Theologen einst als Kongreßzentrum ihrer Anstalten errichtet haben. Der Bau wurde damals komplett aus Spendengeldern finanziert, was den Bogen zur Stiftungsuniversität in Frankfurt wieder schließt. Der Kontakt zwischen Stadt- und Hochschulverwaltungen schließt aber auch die Goethe-Universität ein, denn sie besitzt in Königstein und Stadtteilen einige Immobilien, meist Dienstwohnungen für Professoren. Diese wiederum hinterlassen durchaus ihre Spuren in der Öffentlichkeit, so zum Beispiel als Referenten und Organisatoren der Vortragsreihe „Königsteiner Forum“ in der Volksbank. Kaum nötig, zu erwähnen, dass auch das Stammpublikum dieser Veranstaltung zum Universitätsabend erschienen war, dessen Organisatoren sich über eine besonders hohe Besucherzahl äußerst erfreut zeigten.

Nach einem kurzen Film, der ein Stimmungsbild der neu strukturierten Universität zeichnete (Prof. Dr. Wilhelm Bender: „Die Universität gehört zu Frankfurt wie der Flughafen und die Eintracht“), erläuterte „Edeljurist“ (so Moderator Schubert-Zsilavecz) und Ex-Präsident Prof. Dr. Rudolf Steinberg die Geschichte der Bildungs- und Forschungseinrichtung. Privat verwies er dabei auf einen weiteren Kontakt zu Königstein, denn als Stipendiat hatte er das Haus der Begegnung vor rund 50 Jahren im Rahmen der jährlichen Treffen dort kennen gelernt und in der Kurstadt seine ersten Versuche in Sachen Ebbelwoi und Handkäs mit Musik unternommen. Mittlerweile hat er sich an die hessischen Ernährungsformen gewöhnt, lehrt seit 1980 in Frankfurt und wohnt in Hofheim.

Als „Nachbar“ stellte er dabei fest: „Der Bürgermeister hat recht, die Stärke einer Region ist abhängig von der Wissensbasis und der Ausbildung von jungen Leuten.“ Mit gerade 100 Jahren liegt die Gründung der Goethe-Universität, die damals noch „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ hieß, als Stiftung Frankfurter Bürger im Vergleich zu anderen Universitäten erst eine recht kurze Zeit zurück. Mit ihrer internen Historie, der Umwidmung in eine staatliche Institution und der Rückführung in eine Stiftungsuniversität ab 1999, wie auch der äußeren Erscheinung hat sie allerdings einiges an Geschichte aufgeholt.

Aktuell präsentiert sich die Einrichtung nämlich als „grüne Campus-Uni“ inmitten der Großstadt Frankfurt, genauer gesagt als Einheit von drei Campen, während der alte Standort am eher zubetonierten Campus Bockenheim nahezu aufgelöst ist. Unter großem Medienspektakel wurde dort erst im vergangenen Jahr der sogenannte AFE-Turm gesprengt, den auch der Autor dieses Artikels lange Zeit von innen gesehen hat, und das Hauptgebäude aus der Ära Kaiser Wilhelms wird derzeit vom Senckenberg-Museum als Erweiterung umgebaut.

Die zuletzt immer weiter über das Stadtgebiet verteilten Fachbereiche konzentrieren sich nach der äußerst kostenintensiven Neuordnung nun auf das Gelände um den ehemaligen IG-Farben-Komplex als „Campus Westend“, den „Campus Riedberg“ bei Niederursel, wo sich die Naturwissenschaften versammeln und den „Campus Niederrad“. Letzterer ist im Umland schon lange als Universitätsklinik bekannt und erfährt derzeit eine Phase großer Um- und Anbauten.

Interessant gerade für die Bewohner des Umlandes ist die Einladung seitens der Universität, sich die Standorte einmal anzusehen, zum Beispiel auch als Wochenendausflug mit der Familie, denn die neue Goethe-Universität legt Wert auf Offenheit: „Unis sind keine isolierten Elfenbeintürme.“ Auch inhaltlich sind Forschung und Lehre für Schnupperstunden zugänglich, Genaueres lässt sich unter www.goethe-universität.de im Internet erfahren. Eine Kostprobe guter Forschung und Lehre gab schließlich Seniorprof. Dr. Theo Dingermann im Haus der Begegnung, der sicherlich als eine außerordentliche Persönlichkeit eingestuft werden muss.

Mit bewusst einfachen Worten und vielen Bildern vermittelte der ehemalige Lehrstuhlinhaber für pharmazeutische Biologie in einem lebhaften Vortrag den aktuellen Wissensstand der Genom-Forschung. „Die Zeit des Elfenbeinturms ist vorbei, nicht nur die Sponsoren zwingen uns, herauszugehen und zu zeigen, was wir machen“, sprach’s und verband Ethik mit Naturwissenschaft. „Sollen wir in unsere Gene schauen? Von der Faszination des Wissens um die eigene Erbinformation“, so die Überschrift der Einführungsvorlesung, die leider hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden kann.

Seine einleuchtenden Vergleiche von genetischen Voraussetzungen mit Bungee-Springern, die mit einem, zwei oder keinem Seil gesichert sind lösten ebenso wie die einprägsame Erkenntnis „Ich bin der Klon meiner Zygote“ und der Einblick in seine eigene genetische Prädisposition zu Recht einen donnernden Applaus im Saal aus.

In logischer Folge war es auch Professor Dingermann, um den sich in der offenen Diskussionsphase im Anschluss die größte Traube von Interessenten scharte, allerdings mussten die Fragesteller noch ein Weilchen warten, denn zum Abschluss des offiziellen Teils trugen sich die Botschafter der Goethe-Universität noch in das Goldene Buch der Stadt Königstein ein.

Sie stehen für den engen Kontakt der Goethe-Universität zu Königstein: Vizepräsident Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Universitätspräsident a. D. Prof. Dr. Rudolf Steinberg, Bürgermeister Leonhard Helm, Afina Matthias und Seniorprof. Dr. Theo Dingermann (von links nach rechts).

Foto: Friedel



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