Aloha: Europameister Bernd Müller erreicht die Qualifikation für die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii

Schneidhain (kw) – Seit über einem Jahr hatte sich Bernd Müller, versierter Läufer und Triathlet aus Schneidhain, auf den Ironman-Wettkampf am Sonntag, 8. Juli, in Frankfurt vorbereitet. Zur Erinnerung: eine Ironman-Langdistanz ist ein Triathlon, ein Wettkampf über 3,8 km Schwimmen, 185 km Radfahren und zum Abschluss ein Marathonlauf über 42,2 km.

Dieser Wettkampf war sein zweiter Start bei einer Langdistanz. Triathlon-Legende Jürgen Zäck, mehrfacher Europameister und Hawaii-Starter, stand ihm mit entsprechenden Trainingsplänen und Tipps beiseite. Sein Verein KCR Sindlingen bot ihm die nötige Struktur für Schwimmtraining und gemeinsame Lauf- und Radtrainingseinheiten. Für die sehr genauen Informationen über seinen erfolgreichen Tag bedankt sich die Redaktion bei Claudia Freitag.

Früh aufstehen und gut frühstücken

Bei den Europameisterschaften des Ironman in Frankfurt am Main begann schließlich „der längste Tag des Jahres“ für den 65-jährigen Sportler.

Dieser Tag begann am Sonntagmorgen um 3.30 Uhr, Zeit, aufzustehen und Kohlehydrate aufzunehmen. Ein Triathlet verbraucht an so einem Wettkampftag bis zu 12.000 Kalorien.

Weiter geht es wie nach Checkliste: 4.45 Uhr – alles ist vorbereitet, Abfahrt in Richtung Langener Waldsee zum Schwimmstart. Das Rad hat Bernd Müller bereits am Vortag am Langener Waldsee in der Wechselzone eingecheckt,

5.30 Uhr: Eintreffen in der Wechselzone; Luft am Rad prüfen, Neopren-Anzug für das Schwimmen anziehen.

Die Profis starten um 6:30 Uhr. Übrigens stehen an diesem Schwimmstart neben Altersklasse-Athleten auch die Superstars des Triathlon-Sports – in diesem Fall Jan Frodeno (Weltmeister 2015, 2016 und Olympiasieger in der Kurzdistanz) oder Patrick Lange (WM 2017) – an der Startlinie. Die Deutschen sind eine erfolgreiche Triathlon-Nation, nach den Amerikanern zahlenmäßig die zweitgrößte: Jürgen Zäck, Norman Stadler, Thomas Hellriegel, Faris Al Sultan, Sebastian Kienle – um nur einige bekannte Namen zu nennen.

Zweimal umziehen für drei Etappen

6.40 Uhr: Start der Altersklasse-Athleten, also auch für Bernd Müller. 2.800 Athleten stürzen sich in den „Lago di Langen“, wie der Langener Waldsee in Triathlonkreisen auch gerne genannt wird.

Nach seiner Zeit von 1 Stunde und 30 Minuten im Schwimmen erfolgt der Wechsel aufs Rad. Bernd Müller – jetzt eher schlecht gelaunt und mit finsterer Miene, denn er hatte sich eine bessere Zeit erhofft – läuft nach dem Schwimmausstieg in die Wechselzone.

Dann ab aufs Rad, immer das Gebot im Kopf, mit seinen Kräften hauszuhalten und sich auch die Nahrung gut einzuteilen. Die Radstrecke – 185 km – endet am Mainufer kurz vor dem Eisernen Steg in der Wechselzone zum Laufen. Nach knapp sechs Stunden Radfahrt erreicht Bernd Müller – nun mit einem Lächeln auf den Lippen – die Wechselzone, um sich schnell umzuziehen und den Marathon zu starten.

Die Laufstrecke (vier Runden am Main entlang) liegt in der prallen Sonne und man sieht, wie sich einige Athleten quälen. Die realen Gedanken vor dem Start waren von der Art: „mal sehen ob es klappt“, aber das Traumziel war bereits gesteckt, nachdem ihm seine Freundin schon im vorangegangenen Jahr im Adventskalender einen Hawaii-Reiseführer geschenkt hatte.

Der Sieg ist mit Kosten verbunden

In seiner Altersklasse gibt es zwei ernstzunehmende Kontrahenten, die Bernd Müller schon vorher auf ihre Leistungen geprüft hat. „Kann ich die schlagen?”, war eine der Schlüsselfragen vor dem Start, denn nur der Erste seiner Altersklasse – Männer ab dem Alter 65 Jahre (M65) – erhält das Ticket für Hawaii.

Allerdings: „Ticket für Hawaii“ heißt nicht etwa, dass die Kosten für die Teilnahme bezahlt würden – nein, das bleibt die Sache des Athleten. Ein wirklich kostspieliger Sport, denn die Ausrüstung (Neoprenanzug, Triathlon-Rad, gute Laufschuhe, und weitere „Kleinigkeiten“), die Anreisen sowie die Startgelder sind teuer. 1.028 Dollar kostet der Start beim legendären Rennen auf Hawaii, das 1978 zum ersten Mal aus einer verrückten Idee von vier Freunden entstand.

Bernd Müller erreichte jetzt den „Once-in-a-lifetime“-Traum eines jeden Triathleten, doch dieser ist kaum zu realisieren, wenn man nicht bereit ist, neben Job und Familie viel Zeit für das Training zu investieren.

Konsequenz zahlt sich aus

Auf der Laufstrecke findet sein Supporter-Team einen Platz, an dem es Bernd Müller in kurzem Abstand gleich zwei Mal sehen kann, ihn motivieren und ihm dabei zurufen, wie weit der Erste entfernt ist.

Er liegt (nein – läuft) zu diesem Zeitpunkt an zweiter Stelle. Am Anfang war sein Konkurrent noch 20 Minuten schneller, doch Bernd Müller läuft konzentriert und souverän seinen Stil weiter und verkürzt konsequent den Vorsprung zunächst auf 14 Minuten. Ab diesem Moment wird deutlich: „Er kann es schaffen.“

Bei der nächsten Zeitmessung sind es noch neun Minuten, dann sechs, nur noch vier, schließlich zwei – und beim letzten Reload der Ergebnisse in der Athleten-Tracker-App auf dem Smartphone wird den Supportern klar: Bernd Müller wird Europameister und qualifiziert sich für Hawaii!

Gänsehaut pur nach diesen aufregenden und spannenden Stunden. Glücksgefühle, Tränen und ein überglücklicher Bernd Müller beim Zieleinlauf – nach 11 Stunden und 57 Minuten. Verdient durch reichlich Entbehrungen und langes, hartes Training. Der wahre Lohn, das sind die feiernden Zuschauer während des Zieleinlaufs am Römer und der Moderator, der ins Mikro ruft: „You are an Ironman!” Auf Englisch, und das ist die erste Erinnerung daran, dass nun noch intensiveres Training ansteht, um am 13. Oktober bei der Weltmeisterschaft den Hut in den Ring zu werfen.

Ob er den Bembel auf Hawaii wohl etwas näher erklären muss? Ironman Bernd Müller hat Eisen in Gold verwandelt und darf nun zur Weltmeisterschaft.
Foto: Merkle



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