Ortsrundgang auf der Suche nach dem Kuckuck

Schneidhain (hhf) – Gerade aus der Faschingszeit ist es noch präsent: In Schneidhain tickt so manche Uhr anders als in den übrigen Stadtteilen. Das mag sehr viel damit zu tun haben, dass der Ort – vermutlich deutlich älter als Königstein – lange Zeit zu Sulzbach beziehungsweise Neuen- und Altenhain gehörte, sowohl politisch als auch kirchlich. Vermutlich wird „Snithan“ schon 1035 als zur Vogtei Sulzbach gehörend erwähnt, später soll der ansässige Pfarrer den Dienst als Kaplan auf der Burg Königstein nebenbei erledigen. In den französischen Revolutionskriegen kurz vor 1800 hat sich der Name „Schnaadem“ so weit etabliert, dass ein Besatzungsoffizier den Ort als „Schaden“ in die Landkarte eintrug (diese Zuordnung konnte erst im vergangenen Jahr getroffen werden). Leider aber ist es bis heute auch der einzige Ortsteil, der keinen eigenen Heimatverein hat, obwohl sich einzelne Personen und auch die Kirchengemeinden redlich darum bemühen, die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Um so wertvoller war daher der erstmalig durchgeführte Ortsrundgang mit dem ehemaligen Ortsvorsteher Karl-Ludwig Pfeil, unterstützt von Dr. Leonhard Häfner, der nicht nur die evangelische Kirchengeschichte referierte.

Besonders traurig sind die Schneidhainer darüber, dass die lokalhistorischen Aufzeichnungen vom „Halbschranken-Otto“ bis heute verschollen sind. Schriftliches gibt es immerhin von Lehrer Dorn, Bürgermeister Gregori und aus einigen Vereins-Jubiläums-Heften. Zu seinem Spitznamen kam Otto Katzer übrigens durch seinen unentwegten Kampf im Ortsbeirat um eine minimale Sicherung des Bahnüberganges an der B455, denn dort kam es in den 1970er-Jahren wiederholt zu schweren Unfällen, die er als direkter Anwohner weder übersehen noch überhören konnte.

Nur einen Steinwurf vom Bahnübergang entfernt lag damals der „Parkplatz Rothenbächer“, die geschotterte Abstellmöglichkeit für ganze Ausflugsbusse, denn das nach dem Besitzer benannte Lokal „Rothenbächer“ (heute würde es sicher in falscher Rechtscheibung „Rothenbächer’s“ heißen) war überregional bekannt und beliebt. Selbstverständlich diente es auch den ortsansässigen Vereinen als Versammlungsstätte und als Tanzboden zur Kirchweih. Daher wusste der Pfarrer im Jahre 1948 auch, wo er tatkräftige Hilfe finden konnte: „Geht heim, zieht euch um und bringt Schubkarren mit“ befahl er dem Gesangsverein, als ihm ein Zug mit Steinen angekündigt worden war. Besagte Steine waren nämlich für den Neubau der katholischen Kirche bestimmt, die direkt an der Trasse der Kleinbahn steht und daher per Güterzug geliefert werden konnte – sofern der zwischen dem letzten Abend- und dem ersten Morgenzug ausgeladen wurde.

Heute ist der Schotterparkplatz zu einer hübschen kleinen Grünanlage umgestaltet worden und trägt den Namen „Kuckuckstreff“ –der ideale Ausgangspunkt für eine Ortsbegehung also, der auch den Linienbusfahrern bekannt ist, wie Kronberger und Kelkheimer Gäste bestätigten. Über 30 Interessierte hatten sich trotz fraglicher Wetterprognose dort um den „KaLu“ Pfeil geschart, darunter auch sein Vorgänger im Amt des Ortsvorstehers, Walter Sambeth.

Als erstes brannte am Kuckuckstreff natürlich die Frage nach dem namensgebenden Vogel auf der Zunge, der gleichzeitig auch der „Uhzname“ der Schnaademer ist. „Mit dem Eier legen in fremde Nester hat das weniger zu tun“, erklärte KaLu selbstbewusst, vielmehr habe der Name damit zu tun, dass man lange Zeit den typischen Ruf der Kuckucke aus dem Wald hinter dem Erdbeerstein Richtung Rettershof oft und deutlich hören konnte. Bis zum großen Windbruch vor rund zehn Jahren, seither ist es diesbezüglich sehr ruhig geworden.

Laut dagegen wurde es in den letzten Jahren um die nunmehr beschlossene Verlegung des Sportplatzes an den „Zankwald“ (die KöWo berichtete).

Der Bereich mit den Firmen Seeger und Donath (im Volksmund immer noch „Möbel-Geis“) stellt heute gewiss das größte zusammenhängende Gewerbegebiet von ganz Königstein dar, ein Umstand, der schon vor der Eingemeindung dafür gesorgt hat, dass Schneidhain eine finanziell gut aufgestellte Kommune war.

Nicht ohne Grund sind Willy und Alfred Seeger zunächst Ehrenbürger von Schneidhain und damit später von Königstein geworden, denn wie auch die Firma Hoechst, die im Ort ganze Wohngebiete für ihre Mitarbeiter erschloss, zeigten sie der Zeit gemäß (und heute leider völlig unüblich) Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Bei Frankfurt ausgebombt, siedelte sich der kriegswichtige Hersteller von Kolbenringen im Zweiten Weltkrieg zunächst in den Gebäuden einer alten Eisengießerei im Johanniswald an. Nach dem Krieg von Königstein als Schwerindustrie von der Kurstadt nicht gewollt, ließ sich der international gefragte „Kolben-Seeger“ nicht nur als Firma in Schneidhain nieder, sondern vermittelte seinen Angestellten und Arbeitern auch günstige Bauplätze oder Mietwohnungen in der „Seeger-Siedlung“, heute unteres „Hainchen“ und „Hohlberg“ bis zur „Braubach“.

Eben durch diese Region, mit Schule, Spielplätzen, Dorfgemeinschaftshaus und auch dem Neubau zur U3-Betreuung am Rodelberg neben dem Kindergarten („daneben kann immer noch gerodelt werden“) führte der Rundgang, vom evangelischen Gemeindezentrum schließlich erst zur katholischen Kirche in der Waldhohlstraße und dann in das evangelische Gotteshaus „An den Geierwiesen“.

Die Vermutung, sich nun am ältesten Punkt Schneidhains zu befinden, dürfte nah an der Wahrheit liegen, denn auf der Terrasse oberhalb des Liederbachs liegt der alte Ortskern und das Kirchengrundstück gehört wie das inzwischen nicht mehr tagende „Ding-Gericht“ fest dazu. Der heutige Bau, 1741 eingeweiht, wurde lange Zeit als „Simultan-Kirche“ von beiden Konfessionen genutzt, bis die Katholiken nach dem Zweiten Weltkrieg ihre eigene Kirche bauten und dorthin den spanischen Feldaltar mitnahmen. Gekrönt wird dieser von einem Kruzifix, dessen Arme beweglich sind, um es am Karfreitag zu Grabe tragen zu können – diese Funktion hat die Feuerwehr vor einigen Jahren im Rahmen einer Übung nachgewiesen.

Vorbei am Domizil der Brandschützer neben dem ehemaligen Rathaus begab sich die Gruppe schließlich zur Nachbesprechung in die „Dorfschänke“, wodurch sie auch dem nachmittäglichen Gewitter entging. Nur wenig unterhalb der Gaststätte liegt auch das Lokal „Zur Linde“ mit dem entsprechenden Baum davor, der mit Sicherheit den alten Dorfplatz markiert und eventuell auch den Sitz des Ding-Gerichtes, dessen Verurteilte gegebenenfalls auf den „Geierwiesen“ endeten.

Eine beachtlich große Gruppe begleitete Karl-Ludwig Pfeil (vorne rechts) trotz des miserablen Wetters auf dem Rundgang durch Schneidhain, hier zwischen Sportplatz, Heinrich-Dorn-Halle und Grundschule mitten im „Sozialzentrum“.

Foto: Friedel



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