Als in Königstein die Narren los waren

Königstein (kw) – Die Fastnachtstradition im Taunus ist älter, als heute so manch einer denken mag. Heimathistorikerin Ellengard Jung kennt Dokumente aus dem Jahr 1790, in dem ein Amtmann aus Camberg erwähnt, dass die Fastnachtsgelage mit allerlei Kurzweil vermummter Gassenschwärmer, Essen und Trinken, privaten und öffentlichen Belustigungen mehrere Tage und Nächte dauerten. Wegen Störung der öffentlichen Ordnung versuchte man 1792, das närrische Treiben einzuschränken, jedoch mit wenig Erfolg.

Der rheinische Karneval in Köln setzte dem ungeordneten Narrentreiben im Jahr 1823 den Rosenmontagszug entgegen, was Goethe im fernen Weimar zu Lob inspirierte: „Merkwürdig ist‘s auf alle Fälle, dass in den jetzigen Tagen ein solcher Humor sich hervortut, den man geistreich, frei, sinnig und gemäßigt nennen kann.“ Auch dieses Zitat stammt aus der Sammlung von Ellengard Jung. Man muss es ja auch historisch einordnen: Deutschland erlebte nach dem Wiener Kongress 1815 eine Restauration der alten Ordnung, die Zeit für das Hambacher Fest 1832 oder gar die Revolution 1849/49 war noch nicht gekommen. Aber offenbar rührte sich schon etwas: Die Fastnachtstradition mit Prinz und Hofstaat und einer Ordensflut richtete sich auf gewisse Weise schon gegen die Militärordnungen jener Zeit, sie nahm das Preußische im Rheinischen auf die Schippe.

Programm aus dem Jahre 1857

Auch Königstein machte äußert geistreich und frei – um bei Goethe zu bleiben – bei der beginnenden närrischen Tradition mit, das beweist das „Programm zum Königsteiner Carneval“ des Jahres 1857, das sich ebenfalls in der Sammlung von Ellengard Jung befindet und das wir auf dieser Seite abdrucken.

So heißt es etwa im Programm zum damaligen Sonntag:

„Der Gesandte Sr. Narrheit Demetrius Hanselensken Freiherr v. Schnurringen in einem Vierspänner, verkündet die Ankunft seines höchst närrischen Hauptes zu dem großen Festtage. Der Narrenrath nimmt denselben in Empfang und bestimmt für die höchst närrischen Herrschaften, die geeigneten Hotels.“

Die Tollitäten blieben also für einige Tage in der Kurstadt und so kündigte das Programm unter „Großer Dienstag“ einen närrischen Fastnachtsumzug an: „Morgens bei noch finsterer Nacht große Tag-Reveille. Die Ranzengarde besetzt die gewesen Thoren und die sonstige offenen Löcher mit standhafter Courage. Der Telegraph verkündet die Ankunft seines höchst närrischen durchbohrten Hauptes nebst ganzem Gefolge durch einen Extrazug. Die Deputation macht Anstalten zur Empfangnahme dessen und somit wird der Zug wie folgt in Bewegung gesetzt: unter Zugnummer 3 wurde zum Beispiel der „Herold von Bratwursthausen zu Pferd“ genannt.

Dass die Zeitgenossen ordentlich Humor hatten, vielleicht mehr als heute, beweist auch das Programm für Aschermittwoch, das sich so heute auf keinem Fastnachtsplakat mehr finden lassen würde, aber wohl doch einen jeden Fastnachter mehr oder minder stark plagt: „Großes Haarweh (Kopfweh, d. Red.) mit kalten Umschlägen, Häringsalat und Vertreibung der Gedanken über nachwöchentlicher Wehen.“ Die Tradition des Heringsessens zum Vertreiben des Katers ist also auch schon mindestens 167 Jahre alt …

Umzug mit bösen Folgen

Auch 1909 gab es einen Umzug mit 36 Gruppen. Zeitgenosse Johann Piepenbring kommentierte den unter Prinz Harlekin „Jean I.“ veranstalteten, groß gefeierten Umzug. „Das Wetter war etwas windig und kalt, doch trocken. In dem Zug waren etwa 340 Personen, 25 Wagen und 110 Pferde.“ Jean I., im bürgerlichen Leben Jean Hees, rief auf zum Kampf wider Stumpfsinn und Philistertum. Als Gefechtsgebiet bezeichnete die Hoheit alle Straßen Königsteins, der Kampf sollte mit vollem Sieg enden, was dann mit köstlichem Rhein-, Mosel- und Burgunderwein und in den Küchen Königsteins mit Ochsen am Spieße gefeiert werden sollte. Nachkommen von Jean Hees aus der gleichnamigen, 2017 geschlossenen Traditionsbäckerei in der Kirchstraße, berichteten, dass er sich beim Fest – es herrschten wohl minus 13 Grad Celsius – eine Lungenentzündung zugezogen hatte, an deren Folgen er im Mai verstarb. Ein närrisches Gefecht zu viel.

Bildunterschrift: Umzug anno 1899. Auf dem Wagen der Türken fuhr auch die damals 20 Jahre alte Großmutter von Ellengard Jung mit (hinten links). Die Auszeichnung war keineswegs abwertend zu verstehen. Historikerin Ellengard Jung erinnert sich an Erzählungen, dass das Türkenlager in einer Scheune in der Hauptstraße in der Bevölkerung sehr beliebt gewesen sei.

Das Programm aus dem Jahr 1857 in Frakturschrift Fotos: Ellengard Jung

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