Die Kurorte positionieren sich als Wirtschaftsfaktoren und kämpfen um einen höheren „Bäderpfennig“

Zweimal Heimspiel bei der Mitgliederversammlung des Hessischen Heilbäderverbandes im HdB: Christian Bandy von der Kur- und Stadtinformation repräsentierte die Gastgeberstadt, die Königsteinerin Almut Boller ist Geschäftsführerin des Verbandes und Bad Wildungens Bürgermeister Ralf Gutheil dessen Vorsitzender.Foto: Schramm

Königstein (as) – Die 30 Heilbäder und Kurorte in Hessen, zu denen auch Königstein im Taunus zählt, haben schwere Zeiten hinter sich. Nicht nur, dass seit den 1990er Jahren aus Kostengründen weniger Kuren verordnet werden und einige „Kurorte“ ihren Kurbetrieb weitestgehend einstellen mussten. Die Corona-Pandemie traf die 15 Orte, die ein Kurbad oder eine Therme betreiben, nochmals hart. Die Schwimmbäder waren jene Einrichtungen, die mit als erste schließen und als letzte wieder aufmachen durften.

Seit zwei Jahren geht es vielerorts aber wieder aufwärts, die Übernachtungszahlen in den 30 Kurorten mit Prädikat steigen stetig, auch wenn sie noch nicht an die Zahlen von 2019 heranreichen. Aktuelle Zahlen, Aufgaben und Herausforderungen zur Kur gab es jetzt bei der Jahresmitgliederversammlung des Hessischen Heilbäderverbandes im Haus der Begegnung in Königstein. „Es gab fast 1,5 Millionen, um sich für die Heilbäder und Kurorte zu engagieren“, sagte dessen Vorsitzender, Bad Wildungens Bürgermeister Ralf Gutheil, mit Blick auf die Statistik für die ersten sieben Monate des Jahres 2024. Denn 1.484.106 Menschen waren in den 30 prädikatisierten Kurorten zu Gast und haben dabei 5.465.708 Übernachtungen ausgelöst. Knapp 30 Prozent aller Übernachtungen in Hessen gehen auf das Konto der Kurorte. „Diese Zahlen stehen auch für das Engagement und die Leistungsfähigkeit unserer Gastgeber – vom Campingplatz über die Hotels und von den Tagungszentren bis hin zu den Kliniken.“ 40.000 Beschäftigungsverhältnisse würden allein im Zusammenhang mit der Kur und der Gesundheitswirtschaft stehen, der Umsatz liege bei mehr als zwei Milliarden Euro. Hinzu kämen mehrere 10.000 weitere Arbeitsplätze im touristischen Bereich, die von der Kur profitieren, mitunter sogar unmittelbar von ihr abhängen.

Fünf Millionen Euro mehr?

Das Wort „Engagieren“ zeigt aber auch eine gewisse Dringlichkeit. Die 200-Kilometer-Umkreis-Regel für die Auswahl einer Kurklinik ist gefallen, das heißt, die hessischen Kurorte müssen sich noch mehr der bundesweiten Konkurrenz stellen. Und die Förderung der Kurorte in anderen Bundesländern ist teilweise deutlich höher als in Hessen. Im Moment erhalten 26 der 30 Heilbäder und Kurorte (auch Königstein) den sogenannten Bäderpfennig in Gesamthöhe von 13 Millionen Euro pro Jahr, die nach einem Schlüssel zugewiesen werden. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung des Landes Hessen, die aber auch damit gerechtfertigt ist, dass Kurorte bei der Ausweisung von Gewerbegebieten Beschränkungen unterliegen. „Um auch weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, bedarf es der Anpassung der Bäderzuweisung von derzeit 13 auf 18 Millionen Euro“, sagt Gutheil. „Und es bedarf der Dynamisierung der Bäderzuweisung, damit die jährlich steigenden Kosten aufgefangen werden können.“ Die kommunalen Haushalte seien kaum noch in der Lage, die Kosten in die Gesundheitsinfrastruktur zu schultern. Der Verband spricht daher von einer „gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“.

„Wir verstehen die Investitionen in die Heilbäder und Kurorte nicht als Einbahnstraße“, macht die Geschäftsführerin des Hessischen Heilbäderverbandes Almut Boller deutlich. Zum einen seien die stationären Reha-Angebote zu knapp und oft nach einer OP nicht verfügbar, obwohl Patienten heute nach einem operativen Eingriff viel früher aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Zweiter Gesundheitsmarkt

Zum anderen wachse der sogenannte zweite Gesundheitsmarkt mit ambulanten Pflegeangeboten. Die Menschen hätten das Bewusstsein entwickelt, dass man sich um sich selbst kümmern – sprich privat investieren – muss, um gesund und widerstandsfähig in der zweiten Lebenshälfte, auch zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit, zu bleiben. Auf diesem zweiten Gesundheitsmarkt müssten sich die Kurorte, die mit ihren natürlichen Heilmitteln Wasser, Moor und Luft prädestiniert dafür seien und die ambulante Versorgung der Bevölkerung mit abdecken könnten, etablieren. „Jeder Euro, der in die Bäderzentren und die präventiven Gesundheitsangebote fließt, vervierfacht sich und entlastet so die Gesundheitskassen“, so Boller.

Unter der Dachmarke „Die Kur“ wollen sich die hessischen Heilbäder und Kurorte ganzheitlich als „Partner fürs Leben“ positionieren, um die Menschen stark für den Alltag zu machen. „Und deshalb investieren sie, allen Herausforderungen zum Trotz, mutig in die kurörtliche Infrastruktur“, sagt Boller und nennt als aktuelles hessisches Paradebeispiel Bad Nauheim mit der Neueröffnung der Sprudelhof-Therme und einer stringenten Ausrichtung auch seitens der Stadtverwaltung als Gesundheitsstandort.

Kurbad als Mehrwert

Königstein ist, verglichen mit der Kreisstadt Bad Homburg, mit einer großen Gesundheitsindustrie, zahlreichen großen Kurkliniken und dem Kur Royal als Aushängeschild zwar ein sehr kleiner Kurort, hat aber mit seinen psychosomatischen- und Migränekliniken auch eine gute Gesundheitsinfrastruktur. Sein Prädikat verdankt es dem Heilklima. „Es ist das schwierigste Heilmittel, weil man es nicht anfassen kann“, sagt Almut Boller und lobt speziell das Engagement der Stadt, den ersten Heilklima-Park in Hessen geschaffen zu haben, der einlädt, das Reizklima in verschiedenen Höhenlagen zu fühlen. Die Angebote wie die Heilklima-Wanderungen und die Nachtwanderungen zum Sonnenaufgang seien gerade erst wieder vom übergeordneten Deutschen Heilbäderverband geprüft worden, Königstein habe mit Bravour bestanden, berichtet Christian Bandy von der Kur- und Stadtinformation. Im nächsten Jahr steht dann wieder die erneute Prädikatisierung für Königstein-Mitte und für Falkenstein auf dem Programm.

Da Königstein über keine Heilquelle verfügt, die zur Anwendung gebracht werden muss, ist der Weiterbetrieb des Kurbades kein Kriterium, um weiterhin ein prädikatisierter Kurort bleiben zu dürfen. Das Schwimmbad gilt aber in einem heilklimatischen Kurort genauso als Frequenzbringer wie ein Kurpark und ein schönes Stadtbild. „Unser Ziel ist es, Schwimmbäder als kommunale Pflichtaufgabe zu verankern“, sagt Ralf Gutheil.



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