„Das Leben ist bunt“ – Ministerinnen besuchten die Ukrainehilfe in Königstein

Ein bunter und intensiver Nachmittag im Adelheidsaal in Königstein mit allen Verantwortlichen und Beteiligten an diesem Tag. In der Mitte Bürgermeister Leonhard Helm, die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich (4. von links vorne) und daneben die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, im Kreis der ehrenamtlich engagierten Mitglieder der Ukrainehilfe Königstein. Foto: Kuschel

Königstein
(mk) – Im Rahmen der „Europawoche“, die vom 30. April bis 9. Mai stattfand, besuchten die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und die Europaministerin Lucia Puttrich am vergangenen Samstag persönlich Königstein, um sich über das enorme Engagement der Ukrainehilfe in Königstein selbst ein Bild machen zu können und sich über weitere Pläne, Ziele und dafür erforderliche Maßnahmen zu informieren. Im Vordergrund des Besuches aber stand der Dank an alle ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Verbände, die Stadtverwaltung und vorrangig an die Geflüchteten selbst, die gemeinsam sehr viel bewegen.

Nach herzlicher Begrüßung aller Gäste durch Christian Schönwiesner von der Ukrainehilfe Königstein und einer stillen Gedenkminute folgte sogleich das Grußwort von Bürgermeister Leonhard Helm, in dem er ein kurzes Resümee gab: „Mittlerweile sind etwa 284 Geflohene aus der Ukraine nach Königstein gekommen, die dank der Bürgerinitiative meist in privaten Haushalten, zum Beispiel in Einliegerwohnungen, untergebracht werden konnten – es haben sich auch zufällig ein paar Immobilien dafür gefunden. Ein großes Dankeschön geht aber auch an die Verwaltung für ihren Ukraineservice. Es ist viel gelungen: Schüler erhalten Onlineunterricht, gehen zur Schule oder in den Kindergarten und haben mit viel Engagement weitergemacht.“ Der „Hoffnungsfunke“ sei das unermüdliche Durchhaltevermögen der Menschen, so Helm.

Volle Solidarität

Beide Ministerinnen erklärten im Anschluss ihre volle Solidarität mit der Ukraine. Bettina Stark-Watzinger bedankte sich für die Einladung nach Königstein und machte eingangs nochmals bewusst: „Mit dem 24. Februar begann der, wie ich es nenne, Angriffskrieg auf die Ukraine. Dies ist allein der Krieg von Putin und geht uns alle an, da sich dieser Angriff gegen unsere Freiheit, Demokratie und Menschenrechte richtet. Wir sehen die Ängste und Nöte der Menschen und die Ukraine hat unsere volle Solidarität und ist als souveränes Land selbst in der Lage, für sich zu entscheiden und zu bestimmen.“

Das Leitmotiv sei die Selbstbestimmung der Menschen. „Wir verstehen das und werden sie dabei unterstützen, weiter darauf aufzubauen“, bekräftigte Stark-Watzinger. Konkret hieße das: Hilfe anbieten, Perspektiven aufzeigen und diese besonders an Jugendliche und Kinder weitergeben, etwas „Normalität“ und, dass die eigene Identität wichtig bleibe und dennoch weiter in die Zukunft geblickt werden könne, beispielsweise auch auf dem Arbeitsmarkt. „Den Menschen ist es wichtig, arbeiten zu gehen, die Kinder zur Schule zu schicken oder ihnen Freizeitaktivitäten zu ermöglichen. Daher müssen auch Sprachbarrieren abgebaut werden, Abschlüsse und Berufe anerkannt werden.“ Dabei sei die ehrenamtliche Arbeit in den Kommunen so wichtig; aber auch Ländersache, bei den vielen „Reglementierungen“ nun schnell und zügig Lösungen und Perspektiven aufzuzeigen. „Wir schaffen das ja nur zusammen“, so Stark-Watzinger, „und ich sehe, wie viel Kraft in unserem Land steckt. Das Leben ist bunt und ich freue mich auf die Diskussion!“

Europaministerin Puttrich ergänzte aus ihrer Sicht, dass „gemeinsam zusammengehalten werde“ und alle miteinander hofften, dass „dieser Krieg irgendwann enden wird“, aber keiner letztendlich wisse, wann genau dies eintreffen werde. „Wir tun alles dafür auf europäischer Ebene“, so Puttrich. Die Waffen sollten im besten Falle schweigen und alle Mitgliedsstaaten trügen dafür die Verantwortung. Puttrich erinnerte sich dabei an ein sehr prägendes, persönliches Erlebnis bei der Erstaufnahme eines geflüchteten, sechsjährigen Mädchens aus dem Gebiet Donbass: Dieses Mädchen habe sich in dieser aussichtslosen Situation schlicht etwas Normalität gewünscht. „Die einfachste Frage, die wir uns also stellen können, ist die: Wie würde es einem selbst gehen in dieser Situation?“ Es sei wichtig zu sehen, dass die Menschen eine enorme Belastung hätten, die „uns verpflichte“. Sie seien heute in erster Linie in Königstein, um zuzuhören und zu schauen: „Was können wir mit unserer Hilfe verbessern?“

Zukunftsprojekte

Im Anschluss wurde die Ukrainehilfe in Form einer umfassenden Präsentation rund um Mitglieder und Aufgabengebiete vorgestellt mitsamt den bereits geleisteten Hilfen, Veranstaltungen und Projekten. Sichtlich beeindruckt waren die beiden Ministerinnen im Folgenden auch von den zwei „Schwerpunktprojekten“ der Social Business Women e.V., vorgestellt von Elif Kahnert, und des „Ukraine-Zentrums“, vorgestellt von Arpine Abrahamyan, was im ehemaligen Mercedeshaus Senger eingerichtet werden soll. Das Projekt der Social Business Women setzt sich insbesondere für die „Integration in den Arbeitsmarkt und Selbstständigkeit“ von ukrainischen Frauen ein. Das Mercedes-Gelände soll unter anderem dafür genutzt werden, den Ukrainerinnen und Ukrainern einen Ort zu schaffen, der es ihnen – auch arbeitstechnisch – ermöglicht, „einen Teil des ukrainischen Lebens zeigen zu können“ und ihre Identität zu wahren: Wie leben die Ukrainer? Was macht sie aus?

Dank der hervorragenden Übersetzerin, Iryna Correia, konnte die Botschaft der Geflüchteten nahtlos ins Deutsche übersetzt werden: „Die Ukrainerinnen und Ukrainer möchten Danke sagen! Sie schätzen sehr, dass an sie geglaubt wird und sie hier die Möglichkeiten erhalten, uns ein Stück von ihnen und ihrer Kultur rüberzubringen!“

Ein Leben vor und mit Kriegsbeginn

Im direkten Gespräch mit drei Ukrainerinnen, Ljuba Kirsanova aus Kyiv, Alesya Hladka aus Mariupol und Valeria Olinska aus Polissia Shytomyr, wurde es gegen Ende des Nachmittags sehr emotional und es zeigte sich anhand der erfahrenen Schicksale, dass sich ihrer aller Leben aufteilt – in ein Leben vor und nach dem 24. Februar dieses Jahres. Sie alle hätten ein Dach über dem Kopf, ein Auto, einen Job gehabt und sich dank der Hilfe nun neu orientiert und integriert. Die 16-jährige Valeria Olinska konnte sogar jetzt ihren Traum verwirklichen und spielt nun im Frauenfußball bei der Sportschule der Eintracht Frankfurt. Der anwesende Direktor für die internationale Beziehungen der Eintracht, Samy Hamama, zeigte sich ebenfalls sehr beeindruckt und überreichte beiden Ministerinnen und dem Bürgermeister jeweils ein Trikot mit den Unterschriften der Spieler.

Botschaft angekommen

Bettina Stark-Watzinger und Lucia Puttrich bedankten sich zusammenfassend für das Engagement und die geteilten Schicksalserfahrungen und bekräftigten abermals die langfristige Unterstützung, den Austausch und die Fördermöglichkeiten ihrerseits. Es müsse konkrete Ansprechpartner und klare Anlaufstellen geben, so Stark-Watzinger, so stehe auch die Webseite „Germany4Ukraine“ als eine Anlaufstelle zur Verfügung. Die Aufgaben seien nun „klar definiert“ und nach der Sommerpause stünde die schnellere Jobvermittlung; die schnellere Integration der Kinder im Vordergrund mit der Perspektive, schneller wieder „nachhause“ zu kommen. Puttrich: „Die Botschaft wurde verstanden, dass die Ukraine weiterlebt und kultiviert wird, dass ein Volk; eine Kultur bestehen bleibt. Es wird direkte Kontaktpersonen aus der Staatskanzlei geben, damit gewährleistet wird, dass die Hilfe direkt ankommt. Es wird auch im Nachgang Unterstützung geben.“ Sie wünsche den Betroffenen viel Stärke, viel Kraft und eine gute Zukunft.

Christian Schönwiesner durfte im Namen der Ukrainehilfe eine erste „Mutmach“-Spende der Ministerinnen in Höhe von 1.000 Euro entgegennehmen, die länger als geplant zu diesem wichtigen Termin in Königstein erschienen waren. Auch die Kunstlehrerinnen Juliana Mikhaelian und Olena Wlasyuk überreichten gemeinsam mit den kleinen und großen Künstlern jeweils zwei selbst gemalte Bilder an die Ministerinnen und den Bürgermeister. Ein Bild, das ein Mädchen ausgesucht hatte, dürfte wohl auch mittlerweile bei unserem Bundeskanzler angekommen sein – mitsamt der vielen besonderen Einrücke aus Königstein.

Gemeinsam für eine erfolgreiche berufliche Integration der geflüchteten Frauen: Lucia Puttrich informierte sich über die Förderungsinitiative des vereins „Social Business Women e.V.“.
Foto: Kuschel

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