„Liberté, Egalité, Königstein“ – 50 Jahre im Zeichen von Begegnung und Freundschaft

Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Fotos: Scholl

Königstein
(gs) – Das vergangene Wochenende stand ganz im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Königsteins mit Le Cannet-Rocheville.

Vor ziemlich genau 50 Jahren, am 23. September 1972, wurde mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde der Grundstein zu einer Städtepartnerschaft gelegt, die nun – ein halbes Jahrhundert später – mit den Feierlichkeiten am Wochenende ihren vorläufigen Höhepunkt fand.

Für Wolfgang Riedel, Vorsitzender des Förderkreises der Städtepartnerschaft e.V. Königstein, sowie seine Mitstreiter aus dem Vorstand und den Reihen der engagierten Mitglieder war es eine besondere Freude und auch Ehre, „ihre“ Freunde aus Le Cannet in Königstein willkommen zu heißen. Sie alle freuten sich auf ein Wiedersehen und ein ereignisreiches gemeinsames Wochenende.

Am Samstagabend fand zu Ehren des Jubiläums der große Festakt mit Galaabend im Haus der Begegnung (HdB) statt. Der offiziellen Feierlichkeit gingen zwei ereignisreiche Tage voraus.

Bereits am Freitag herrschte eine freudige und aufgeregte Erwartungshaltung im Haus der Begegnung, denn an diesem ebenfalls geschichtsträchtigen Ort wollten die Königsteiner Gastgeber ihre Gäste von der schönen Côte d`Azur willkommen heißen. Gegen 18 Uhr war es dann so weit: Die Gäste aus Frankreich „trudelten“ ein, und ein großes „Hallo“ und freudiges Wiedersehen erfüllte das Foyer. Ob mit dem Bus oder dem Flugzeug – alle Gäste fanden ihren Weg nach Königstein und waren sichtlich froh, ihre Gastgeberinnen und Gastgeber entweder wiederzusehen oder endlich kennenzulernen. Nach einem interessanten Städtetrip am Vormittag, stand am Freitagabend für die Cannetaner, die Vereinsmitglieder sowie geladene Gäste ein hessischer Abend auf Burg Königstein auf dem Programm. Gefeiert wurde zünftig im Stolbergkeller, der bis auf den allerletzten Platz besetzt war. „Tafeln wie in alten Zeiten“ war angesagt, wobei sich unter den Gästen auch viele befanden, die mit ihren Gardeuniformen der Feier einen Hauch von Nostalgie einhauchten. Zünftig hessisch war das Buffet, das nebenan im Kosakenkeller von der Party Company aufgebaut war – es wurde viel gelacht, gemütliche Gespräche wurden geführt und wer angesichts der quirligen Betriebsamkeit und der herzlichen Stimmung noch einen Zweifel an der oft beschworenen „deutsch-französischen Freundschaft“ hegte, wurde spätestens an diesem Abend eines Besseren belehrt.

Am Samstagmittag waren alle Bürgerinnen und Bürger auf den Rathausplatz zum offiziellen Empfang des Bürgermeisters eingeladen und konnten sich gemeinsam mit den Gästen bei einem Sekt am gebotenen musikalischen Unterhaltungsprogramm erfreuen. Die mitgereiste Jazzband aus Le Cannet und die provenzalische Tanzgruppe „Academie dou Miejour“ traten auf. Das Festwochenende fand im großen Festakt am Samstagabend seinen finalen Höhepunkt. Zahlreiche Festgäste fanden sich um 18 Uhr im Großen Saal des HdB ein, um den „offiziellen“ Feierlichkeiten anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Königstein - Le Cannet beizuwohnen. Im festlich gedeckten Saal zierten neben der europäischen auch die Landesflaggen der Partnerstädte den Raum und gaben dem Empfang damit jenen ehrwürdigen Rahmen, der ihm nach 50 Jahren Partnerschaft gebührte. Nicht weniger als acht offiziell geladene Gäste richteten das Wort an die Anwesenden und verliehen damit ihrer Anerkennung der Leistungen des Partnerschaftsvereins Ausdruck. Den Auftakt machte Wolfgang Riedel, der die Gäste in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Förderkreises der Städtepartnerschaft herzlich begrüßte. Mit einem weinenden Auge wies er darauf hin, dass der langjährige Vorsitzende des Cannetaner Komitees und Königsteiner Ehrenbürger Gaston Fischesser die Reise nach Königstein aus gesundheitlichen Gründen bedauerlicherweise nicht antreten konnte, so dass seine Frau Jaqueline die Genesungswünsche und Grüße entgegennahm.

Neugier, Respekt und Toleranz

Diese drei Begriffe beschreiben die Werte, derer sich die Mitglieder der Partnerschaftsvereine – sowohl in Königstein, als auch in Le Cannet – verpflichtet fühlen, und diese Werte seien es auch, die man teile und pflege, so Riedel in seiner Ansprache – „so gesehen sind wir ein altes Ehepaar und feiern heute Goldene Hochzeit“, beschrieb er die Partnerschaft mit einem Lächeln. „Wie in jeder Partnerschaft haben wir viel voneinander gelernt und gerne die eine oder andere Gewohnheit übernommen“, führte er weiter aus und verwies auf den duftenden Lavendel in deutschen Gärten oder die Begeisterung für deutschen Riesling auf Seiten der französischen Freunde. Viele Traditionen haben sich in den vergangenen Jahren entwickelt – angeführt seien hier der Sprachaustausch unter Schülerinnen und Schülern sowie die deutsch-französische Wanderwoche. Letztere sei mit „Gipfelstürmern“ gestartet und habe nun viele „Genusswanderer“ in ihren Reihen. Wie in jeder guten Partnerschaft sei es gelungen, sich mit Respekt und Toleranz aufeinander einzulassen, Feindseligkeiten und Hass zu überwinden und von jahrhundertelangen Feinden zu guten Nachbarn und Freunden zu werden. „Dabei darf sich jeder seiner jeweiligen Identität sicher sein und kann den anderen gerade wegen seiner Andersartigkeit schätzen. Das ist die Basis für gegenseitiges Vertrauen“, so Wolfgang Riedel. Anders als mit diesen Worten hatte er das tiefe Wesen der Freundschaft und die Verbundenheit miteinander nicht ausdrücken können. Mit den Worten von Gaston Fischesser, die dessen ersten persönlichen Kontakt mit Königstein beschreiben, blickte auch Wolfgang Riedel sichtlich ergriffen auf 50 Jahre Städtepartnerschaft zurück – seine Rührung und der damit verbundene Stolz auf die zurückliegenden gemeinsamen Jahre wurden ihm von den Anwesenden ohne Zögern zugestanden, denn als ein Mitglied der ersten Stunde verließ er das Rednerpult an diesem Abend unter stehenden Ovationen „seiner“ Gäste.

Was ist Europa?

Dieser Frage widmete sich Bürgermeister Leonhard Helm in seiner Festrede. Europa, so Helm, werde oft als überdimensionierter, schwerer Koloss mit überbordender Bürokratie „wahrgenommen“. Manche Aspekte mögen da vielleicht nicht ganz abwegig sein, aber Europa sei sehr viel mehr als das. Es vereine eine große Vielfalt – an Menschen, Sprachen und Kultur. Europa habe, so Helm, seinen Einwohnern großen Wohlstand und eine vorher nie gekannte Freiheit gebracht, die es zu erkennen und zu erhalten gelte. Europa sei nicht perfekt, aber wo früher Krieg herrschte, da lebten heute Völker friedlich nebeneinander und miteinander und Grenzen seien zum großen Teil abgeschafft – diese Errungenschaften und den Traum eines freien Europa gelte es zu bewahren und zu verteidigen. Menschen, so führte der Bürgermeister an, seien die Bauherren Europas, weshalb großes Engagement von privaten und offiziellen Personen notwendig und wichtig sei. „Europa sind alle, die Europa tragen“ war seine Kernaussage, wobei der Beitrag, den die zahlreichen Städtepartnerschaften leisteten, nicht hoch genug zu bewerten sei.

Die unaussprechliche Stadt

Mit einer erfrischenden Anekdote eröffnete Francois Aigrot, Vorsitzender des Partnerschaftskomitees Le Cannet seine Ansprache. Rückblickend auf seine erste „Begegnung“ mit dem Gedanken der Partnerschaft erzählte er von der Tatsache, dass der Name Königstein „für Franzosen und noch mehr für Südländer unaussprechlich sei“ und dass seine Mutter die Verantwortung dafür trage, dass er an der angestrebten Partnerschaft „unbedingt teilnehmen müsse!“. Anlässlich des Jubiläums blickte er schmunzeln auf diese kleine Begebenheit zurück und bestätigte, dass das Abenteuer Städtepartnerschaft ihn und seine Mitstreiter geprägt habe. „Unsere Unterschiede entfernen uns nicht, denn wir sind Freunde“ war ein Satz, der seine Auffassung von einer langjährigen Partnerschaft sehr gut beschrieb. Er erinnerte außerdem daran, dass es die Städte gewesen seien, die die Partnerschaft eingingen und fest an deren Fortbestand glaubten. Der Elysée-vertrag sei die Basis der deutsch-französischen Freundschaft - ein neues Europa sei damals im Entstehen gewesen. Vieles habe sich in de zurückliegenden Jahren verändert. Die berliner Mauer ist gefallen, der Euro wurde eingeführt und mit dem Brexit hat ein Gründungsmitglied die EU wieder verlassen. Der geist der Städtepartnerschaften sei es, so Francois Aigrot, Verbindungen und Freundschaften zu knüpfen – was auch geschehen sei.

Dynamische Partnerschaft

Yves Pigrenet, Bürgermeister der Partnerstadt le Cannet verwies in seiner kurzen Ansprache auf nunmehr 2.200 Partnerschaften zwischen französischen und deutschen Städten. Mit Sicherheit könne er sagen, so Pigrenet, dass nur wenige von ihnen die Dynamik aufweisen würden, die Königstein und Le Cannet seit Jahrzehnten gemeinsam aufgebaut haben. Der Austausch sei zahlreich und vielfältig. „Wir freuen uns immer sehr, uns zu treffen, sei es hier in Königstein, einer Stadt voller Geschichte und Tradition, oder in Le Cannet, dessen Charme alle kennen“, so der französische Bürgermeister. Auch den kürzlich erfolgten Jugendaustausch hätten die jungen Leute sehr genossen. Es erfülle ihn mit Stolz, so Pigrenet, diese besonderen Momente mit den Königsteinern teilen zu können.

Wunderbare Erinnerungen

Schöne Worte der Erinnerung fand Michèle Tabarot, Abgeordnete des Départements Alpes-Maritimes in ihrer Ansprache. Die wahre Bedeutung der Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und Frankreich sei die Förderung des Austausches, des gegenseitigen Verständnisses und vor allem des Friedens und der Stabilität, die das Herzstück des europäischen Projekts bildeten. Sie erinnerte an den feierlichen Moment im Mai 2006, als die Königsteiner gemeinsam mit den Cannetanern und deren amerikanischen Vertretern aus der Partnerstadt Lafayette in den USA den sechzigsten Jahrestag des Waffenstillstandes des 2. Weltkriegs gedachten. Dies sei ein wunderbares Symbol der Freundschaft gewesen, auf dem eine solide und dauerhafte Beziehung aufbaue. Für Europa lohne es sich zu kämpfen und gemeinsam zeige man Solidarität mit dem ukrainischen Volk angesichts der Aggression, die von den russischen Machthabern beschlossen worden sei. In schwierigen zeiten, so Tabarot, sei die Freundschaft von Frankreich und Deutschland nie ins Wanken geraten – und im Herz dieser deutsch-französischen Freundschaft finde die Städtepartnerschaft ihren Platz.

Deutsch-französische Freundschaft

Auch Thomas Buffin, stellvertretender französischer Generalkonsul in Frankfurt bezog sich in seinen Worten auf den hohen Stellenwert der deutsch-französischen Freundschaft im Angesicht des Krieges in der Ukraine. Das Verhältnis der beiden Staaten könne als Modell für Frieden und gelebte Freundschaft dienen. Freundschaft sei keine Selbstverständlichkeit und auch kein Selbstzweck, sondern eine ständige Herausforderung, der man sich stellen müsse. Dr. Frank Ausbüttel, Kreisbeigeordneter im Hochtaunuskreis gab zu bedenken, dass alles Wesentliche im Leben Begegnung sei. Auch wenn Lebensweisen und Alltag differierten, finden sich in einer Städtepartnerschaft auch viele Gemeinsamkeiten, die es zu pflegen gelte. Es sei der Begeisterung der Menschen geschuldet, dass Städtepartnerschaften mit leben erfüllt und damit „am leben „erhalten werden. Uwe Becker, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten in Hessen, wies darauf hin, dass die Mitglieder der Städtepartnerschaftsvereine den europäischen Gedanken lebten. Der Austausch zu Musik, Kultur und Kunst führe zu vielfachen Begegnungen und Europa könne nur bestehen, wenn alle dafür einstehen, so Becker. Der Geist Europas werde heute oft als selbstverständlich erachtet, was er aber nicht sei. Vielmehr müsse täglich dafür „gekämpft“ und daran gearbeitet werden, um die Werte und den Geist Europas mit Leben zu füllen.

Eintrag in das goldene Buch der Stadt und Ehrungen

Im Anschluss trugen sich die offiziellen Vertreter der beiden Partnerschaftsvereine, sowie die Gastredner in das goldene Buch der Stadt Königstein ein. Ein erhabener Moment, der die Freundschaft und die Städtepartnerschaft erneut besiegelte und auf weitere, gemeinsame deutsch-französische Begegnungen hoffen lässt.

Für Wolfgang Riedel hatten seine Vorstandskollegen noch eine ganz besondere Ehrung vorbereitet. Norbert Hees, stellvertretender Vorsitzender des Förderkreises der Städtepartnerschaft würdigte Wolfgang Riedel als einen ganz besonderen Menschen, der sich in seinem Engagement ganz besondere Verdienste um die Pflege der Partnerschaft erworben habe und überreichte ihm die Deutsch-Französische Freundschaftsmedaille für 50Jahre aktive Mitgliedschaft im Förderverein. Bereits bei der Gründung im Jahr 1972 habe seine Mutter den „Backfisch“ zum Austausch nach Le Cannet geschickt. Diese Reise sei der Grundstein für seine bis heute andauernde Verbundenheit mit Le Cannet gewesen. Wolfgang Riedel habe viele Freundschaften geschlossen und kenne sich – wie kein anderer – in der Partnerstadt aus, was ihm den scherzhaften Titel „Auge des Förderkreises“ eingebracht habe. Derlei gebe es noch einige Anekdoten, so Hees, die man aber an dieser Stelle leider nicht alle erzählen könne. Auch Jaqueline Fischesser erhielt eine Ehrung für 50 Jahre aktive Mitgliedschaft und Heinz Alter wurde für sein Engagement im Wanderclub ebenfalls geehrt.

Begleitet wurde der offizielle Teil des Abends von der Singgemeinschaft Königstein 1860, bevor das große Galadiner und im Anschluss der Tanzabend eingeläutet wurden. Mit einer Kranzniederlegung am Ehrenmal in der Hubert-Fassbender-Anlage und einem anschließenden Gottesdient nahm ein ereignisreiches Wochenende am Sonntag seinen Ausklang. Ein ganz besonderes Bonbon hatte die Stadt zu diesem Anlass noch „im Gepäck“. Im Rahmen der Feierlichkeiten bekam der kleine Platz, auf dem der Lavendel-Brunnen vor vielen Jahren bereits seine Heimat gefunden hatte, endlich einen Namen. Mit der Einweihung des Le-Cannet-Platzes fand ein ein festliches Wochenende im Zeichen der Völkerverständigung und der Freundschaft einen würdigen Abschluss.

Bürgermeister von Le Cannet, Yves Pigrenet, mit Michèle Tabarot und Bürgermeister Helm.
Foto: Stadt Königstein

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