Michael Quast machte Restart zum kurzweiligen Erlebnis

Ein Meister seines Fachs Foto: Puck

Königstein (pu) – „Herzlich willkommen, wie schön, dass Sie der Einladung gefolgt sind“, begrüßte der Vorsitzende des Fördervereins Haus der Begegnung, Manfred Colloseus, die unter Corona-Auflagen maximal erlaubten Gäste des Kleinkunstabends im Großen Saal. „Ausverkauftes Haus“ – darauf hatten die Veranstalter gehofft, wohlwissend um die große Sehnsucht der Königsteiner*innen nach Kultur. Nichtsdestoweniger mischte sich im Vorfeld die Sorge in die Vorfreude, ob dem Ruf tatsächlich Folge geleistet wird.

Sichtlich erleichtert warf Colloseus zunächst Schlaglichter auf Auftaktveranstaltungen zu Jahresbeginn an gleicher Stelle und brachte ins Gedächtnis, am Ende des Konzertabends mit dem Bad Homburger Kammerorchester am 26. Januar habe noch keiner ahnen können, dass anschließend für Monate „die Lichter hier im Haus für größere Veranstaltungen ausgingen.“

Umso dankbarer zeigte er sich von dem Neustart in „zugegeben gewöhnungsbedürftiger Atmosphäre“ mit strikter Einhaltung der Abstandsregeln und ohne Pause. Sein herzlicher Dank galt neben dem Team um den Geschäftsführer der HdB-Betriebsgesellschaft, Roman Kerber, der Kur- und Stadtinformation und dem Künstler des Abends, Michael Quast. Der schaffte es im Handumdrehen, den Funken zum Publikum überspringen zu lassen, nachdem er launig vor Augen rückte: „Sie sind Versuchskaninchen in diesem Experiment, um 18.30 Uhr haben wir es hinter uns!“

Mitgebracht hatte er sein aktuelles Programm, Gedichte und Geschichten des Frankfurter Mundartdichters und Satirikers Friedrich Stoltze (1816 bis 1891), der zu seiner Zeit Texte schrieb, deren Botschaft momentan wieder hochaktuell sind, seien es die Schlagworte Gerechtigkeit, politische Mitbestimmung oder Pressefreiheit.

Gott segne deine Bäder

Quast, deutscher Schauspieler, Regisseur, Conférencier und Theaterleiter, startete mit Stoltzes Liebeserklärung an Königstein, „des Taunus schönste Blume“, wo er zur Kur bei Medizinalrat Dr. Georg Pingler (auch bekannt als „Wasserdoktor“) weilte. „Gott segne deine Bäder, mein Leid ist weggespült, jetzt lasst uns recht lustig sein, trinkt gehörig Ebbelwoi!“

Als begnadeter Poet beherrschte der echte Frankfurter Bub den feinen Humor ebenso wie die derbe Pointe und schrieb übrigens gut die Hälfte seiner Texte auf Hochdeutsch. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Herausgeber und Hauptautor der satirischen Wochenzeitung „Frankfurter Latern“, die wegen ihres Witzes und ihrer antipreußischen Haltung weit über Frankfurt hinaus bekannt war.

Michael Quast wiederum spannte geschickt den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart, erläuterte Begriffe wie Farrnschwanz (getrockneter Ochsenziemer, eine bei Lehrern beliebte Schlagwaffe zur Züchtigung ihrer Schüler), damit all jene im Publikum, denen Geflogenheiten und Ausdrücke der damaligen Zeit nicht geläufig waren, den hintergründigen Witz des Gedichts „Die Blutblas“ in Gänze verstanden.

Dabei spielte „ So e Schüler schlimmster Rass‘ach, Namens Mohr, e Mexterschsoh“ seinem Lehrer Diehl einen Streich, als er, versteckt unter seiner Hose, eine mit Blut gefüllte Schweineblase versteckte, die platzte, als der Pädagoge ihn verdrosch und dem einen gehörigen Schrecken einjagte in der Sorge, der Gezüchtigte verblute.

Prophezeiungen

Nicht minder amüsant „Die Geschichte der 30 Gulden“ oder eine humorvoll verpackte Erzählung, die die Weltuntergangsstimmung in den 1870er Jahren anlässlich der 1. Weltwirtschaftskrise anschaulich vor Augen rückte. Die große Frage war dabei, naht das Ende nach dem prophezeiten Einschlag eines Kometen durch Feuer oder Wasser? Wie man heute weiß, traf diese Vorhersage ebenso wenig ein wie viele nachfolgende. Mit Schmunzeln und Applaus quittierten die Kleinkunstfreunde die Schilderung der Vorbereitungen der ersten Ausgabe der 1860 gegründeten Wochenzeitung „Frankfurter Latern“, als die Frankfurter als vermutliche spätere Leserschaft mittels Probeexemplar davon in Kenntnis gesetzt wurden, das Blatt erscheine erst dann, wenn vorab genügend Abonnements verkauft sind.

Einige Monate sollten bis zum Erscheinungsdatum ins Land gehen, bereits 1862 geriet die Wochenzeitung wegen ihrer kritischen Haltung zur preußischen Politik ins Visier der preußischen Justiz. Dies griff die dramatische Novelle „Die Flucht von Königstein“ auf, derzufolge Stoltze als aufrechter Frankfurter Demokrat wegen „Pressevergehens“ von nassauischen Beamten in Königstein verhaftet und ausgeliefert werden sollte. Michael Quast verstand es in perfekter Manier, Historisches unterhaltsam und kurzweilig zu präsentieren. Zum Abschied gab er als Zugabe noch zum Besten „Gebt frei, das Tanzen, Saufen, sonst tobt das Volk!“

Mit diesem zweifellos gelungenen „Experiment“ darf der Förderverein des Haus der Begegnung darauf hoffen, dass auch die kommenden Veranstaltungen stattfinden.

Als nächstes wird am Freitag, 28. August um 19.30 Uhr das Sinfonieorchester Rhein-Main zu einem Kammerkonzert erwartet. Der Kartenvorverkauf beginnt in den kommenden Tagen.



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