Raubtierkapitalismus gegen nachhaltiges Handeln: Max W. Römer zu Gast im Königsteiner Salon

Childaid Network-Gründer Dr. Martin Kasper (links) begrüßte Max W. Römer zum Vortrag im Haus der Begegnung. Foto: Henkel

Königstein (kw) – „Die soziale Verantwortung des Unternehmers – Profitmaximierung oder Gemeinwohlmehrung? Interne und externe Motive des Umdenkens.“ Mit diesem Titel hatte Max W. Römer seinen Vortrag überschrieben, den er Donnerstagabend im Rahmen des 29. „Königsteiner Salons“ – der Veranstaltungsreihe der Stiftung Childaid Network – im Haus der Begegnung hielt.

Max W. Römer ist Gründungspartner und Chairman der in Frankfurt ansässigen Eigenkapitalberatungs-GmbH „Quadriga Capital“. Sie hilft mittelständischen Wachstumsunternehmen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und angrenzenden Ländern beim Auf- und Ausbau einer herausragenden Marktposition, immer mit dem Anspruch, die „höchsten Standards des Miteinander“ zu erfüllen. Denn „die Anerkennung eines verbindlichen Wertesystems, eine sorgfältige Vorbereitung der Zusammenarbeit sowie hohes berufliches und persönliches Engagement eines jeden einzelnen Teammitglieds sind die Säulen des gemeinsamen Erfolgs,“ so die Unternehmensphilosophie.

Die Welt ist rot

Basierend auf den Forschungen und Analysen des britischen Ökonomen Angus Maddison gab Römer zunächst einen kurzen Abriss der„ökonomischen Vermessung der Welt“, wie er es nannte. Danach waren bis 1870 Indien und China die größten Volkswirtschaften, erst seit 1900 überflügelt von den USA. Er endete im Jahr 2019, in dem mehr als die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsproduktes von Familienunternehmen in den USA, Kanada, Mexiko und Europa erwirtschaftet wurde. Allein 214 der insgesamt 500 Top-Familienunternehmen sind in Europa beheimatet. Der Referent warf einen Blick auf den Korruptionsindex, bevor er den Transparency International für 2018 berechnete und in einer Weltkarte mit einer Farbskala von hellgelb bis dunkelrot einzeichnete. „Die Welt ist rot“, stellte Römer fest. Interessant auch seine Grafik zu den weiblichen Führungskräften weltweit: Danach hat sich zwar die Zahl der weiblichen Parlamentsmitglieder von 12 Prozent im Jahr 1997 auf 24 Prozent im Jahr 2018 verdoppelt. Aber in den knapp 4.000 Ministerien der Welt gibt es nur 20 Prozent Ministerinnen. Und von den 193 Regierungschefs weltweit lag die Frauenquote Anfang des Jahres bei nur 5 Prozent, die mittlerweile abgelöste britische Premierministerin Theresa May noch mitgerechnet.

Familienunternehmen

Wachstumsmotoren der Wirtschaft weltweit aber, so kam Römer auf den Ausgangsaspekt seines Referats zurück, sind Familienunternehmen. Deren weltweit ältesten 100, die 235 Jahre und älter sind, hätten alle Krisen gemeistert: Regierungskrisen ebenso wie Kriege, Naturkatastrophen und korrupte Geschäftspartner. 72 dieser weltweit 100 ältesten Familienunternehmen befinden sich in Europa, 14 alleine in Deutschland, 16 in den USA und neun in Japan. Als Wettbewerbsvorteile von Unternehmen bezeichnete Römer Ressourcen, zu denen er Technologie, Organisation und Mitarbeiter zählt, und Nachhaltigkeit, ein Wort, das seit dem ersten Erdgipfel der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro zum gemeinsamen Begriff wurde. Sein Unternehmen Quadriga Capital war unter Berücksichtigung der Environment Social Governance (ESG)-Standards, also unter Beachtung von ökologischen und sozialen Aspekten sowie der Unternehmensführung, im Jahr 2018 verantwortlich für die erfolgreiche, transparente und nachhaltige Entwicklung von bis zu zwölf Unternehmen mit mehr als 17.400 Angestellten in 17 Ländern auf fünf Kontinenten mit Umsätzen von mehr als zwei Milliarden Euro.

Börsencrashs und Finanzkrise

ESG-Standards, betonte der Referent, seien unerlässlich, denn sie schützen Unternehmen, Management und Belegschaft, schaffen Transparenz und Vertrauen. Welche Schadenspotenziale es dagegen gibt,wenn Unternehmen nur auf Gewinnmaximierung setzen, machte er an fünf Beispielen deutlich: Börsencrashs und der Finanzkrise 2008, als einem weltweiten Bruttoinlandsprodukt von 54,312 Milliarden Dollar Spekulationsderivate von 596.000 Milliarden Dollar gegenüber standen; der 1984 durch Sicherheitsmängel ausgelösten Chemiekatastrophe von Bhopal, an deren Folgen tausende von Menschen starben; dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013 mit über tausend toten Textilarbeitern; dem VW-Abgasskandal, der durch Hybris Milliardenschäden verursachte; und schließlich der Unternehmensstrategie der Deutschen Bank, die rund 17 Milliarden Euro an Strafgeldern, Kompensationen und Schadenersatz kostete und zu drastischen Kurseinbrüchen führte. Nach welchen ethischen Grundsätzen Menschen in einem Staat zum Wohlergehen und Glück aller zusammenleben sollten, mit diesem Thema beschäftigten sich schon Platon und Aristoteles im fünften und vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und etwa zeitgleich Konfuzius in China. Sie kamen, so Römer, zu denselben Erkenntnissen, wobei Konfuzius den Kardinaltugenden noch hinzufügte, dass sich drei Dinge auf Dauer nicht verbergen lassen: Sonne, Mond und die Wahrheit. Was die Aufdeckung des massiven Betrugs beim Abgasskandal bewies. Dem nur auf eigenen Vorteil bedachten „Raubtierkapitalismus“ stellte der Referent die Tugenden gegenüber, die er unter dem Begriff „Good corporate citizen“ auflistete. Auf der einen Seite Egoismus, Ausbeutung, Steuerflucht, Profit für Wenige, soziales Ungleichgewicht, Gesundheitsgefährdung, Überschätzung, Überheblichkeit und Rücksichtslosigkeit, auf der anderen Seite Altruismus, soziale Marktwirtschaft, Steuerehrlichkeit, Mitarbeiterpartizipation, soziale Verantwortung, Unfall- und Gesundheitsvorsorge, Demut, Respekt, Ausgewogenheit, Mäßigung und Nächstenliebe.

UNPRI

Grundsätzen ethischen Handelns, berichtete Römer, haben sich seit 2006 auch Investoren weltweit verschrieben. Ihr Netzwerk wird von den Vereinten Nationen unterstützt. Die UN Principles for Responsible Investment (UNPRI), zu denen sich weltweit schon weit über 1.200 Investoren aus allen Kontinenten durch ihre Unterschrift verpflichtet haben, wollen ein nachhaltigeres globales Finanzsystem erreichen. Römer ist überzeugt, dass bei der Bewertung von Unternehmen diese Kriterien in Zukunft regelmäßig mit überprüft und in die Beurteilung mit einbezogen werden. „Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit und Werteorientierung zählen“, so der Referent.„Menschlichkeit, Wahrheit und Wahrhaftigkeit müssen in Unternehmen verankert und gelebt werden.“



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