Unterschiedliche Positionen zur Bewerbung für Landesgartenschau

Nach Überzeugung der Befürworter muss man sich bei der heutigen Gestaltung von Grünanlagen als Erholungsräumen auch ihrer Bedeutung als Biotop gefährdeter Tier- und Pflanzenarten in einer klimatisch sich verändernden Umwelt bewusst sein. In diesem Punkt sei noch Luft nach oben, die Landesgartenschau eine Chance, nachhaltig zu agieren.
Foto: Riedel

Königstein (pu) – „Um den Gemeinsinn zu stärken, zugleich aber auch das Profil unserer Stadt zu schärfen und ihre ungeheuren Stärken noch besser herauszuarbeiten und sichtbar zu machen, will ich gemeinsam mit Ihnen, unseren Bürgern, eine große Herausforderung annehmen: Ich möchte, dass sich unsere Stadt um die Landesgartenschau 2027 bewirbt und einen entsprechenden Antrag in die städtischen Gremien einbringen.“ Mit diesem in seiner Weihnachtsbotschaft gesetzten Ausrufzeichen, sorgte Bürgermeister Leonhard Helm (CDU) zum Jahreswechsel zweifellos für eine Menge Gesprächsstoff.

Direkt nach den Weihnachtsfeiertagen meldete sich zuerst die Aktionsgemeinschaft lebenswertes Königstein (ALK) zu Wort und sprach unverblümt von einer „Träumerei des Bürgermeisters“. Etwas mehr Reaktionszeit benötigten die anderen Fraktionen für erste Stellungnahmen. Die Rede war unter anderem von Überraschung, Schreck, Testballon, kostenträchtigem Projekt bis zur einmaligen Chance. Kurzum: Einmal mehr ein polarisierendes Thema, das die Lokalpolitik in zwei Lager spaltet.

Vor diesem Hintergrund und angesichts eines ganzen Fragenkatalogs, den allen voran die ALK in den Ausschusssitzungen für die Stadtverwaltung geschnürt hatte, war der Magistrat zum Entschluss gekommen, die Vorlage zurückzustellen, in der jüngsten Parlamentssitzung ausschließlich darüber diskutieren zu lassen und die Abstimmung auf die nächste Sitzungsrunde, in deren Verlauf nochmals beraten werden kann, zu vertagen. Die gewonnene Zeit soll dazu verwendet werden, mehr Transparenz und Klarheit zu den Rahmenbedingungen in die Angelegenheit zu bringen.

Konkreter Nutzen

Dies vor Augen schickte der Bürgermeister vor dem Einstieg in die Diskussion ergänzende Informationen voraus. So lenkte er den Blick auf den aus seiner Sicht „konkreten Nutzen für die Stadt“ wie verbesserte Förderkulisse beispielsweise für Kurbad oder Burg, die Chance, Grünanlagen nachhaltiger zu gestalten oder insgesamt unter Umständen mehr finanziellen Spielraum für den Ausbau der Infrastruktur durch Fördermaßnahmen zu haben. Eines der nach Meinung der Projektgegner gewichtigsten Argumente, am Ende der Landesgartenschau stünde die Kommune mit einem Schuldenberg da, wollte er so nicht stehen lassen. „Ein Teil der Investitionen wird vom Land bezuschusst“, gab er ebenso zu bedenken wie den Werbefaktor für die Stadt bei geschätzten 350.000 bis 400.000 Besuchern. Hinsichtlich personellen Mehraufwands für die Verwaltung sah er das Ganze ebenfalls relativ entspannt: „Mit der aktuellen personellen Besetzung werden wir das logischerweise nicht von Anfang bis Ende stemmen können; nichtsdestotrotz habe ich den Eindruck, unsere Mitarbeiter sehen das Potenzial einer Bewerbung und wären für die ersten notwendigen Schritte bereit, sich ein Bein mehr auszureißen!“

Eher für 2031

Nachdem es bereits zum aktuellen Zeitpunkt zu ersten Verzögerungen kommt – eine erste Absichtserklärung hätte laut Vorlage umgehend erstellt und auf der Basis des Magistratsbeschlusses bis zum 31. Januar fristgerecht abgegeben werden müssen sowie die Stadtverordnetenversammlung dieser Erklärung zustimmen sollen; daraus resultierend die Zeit für die Bewerbung für 2027 zu knapp werden könnte, soll nunmehr nach Vorschlag des Bau- und Umweltausschusses alternativ 2031 mit in Betracht gezogen werden.

FDP

Das wäre zumindest eher im Sinne des FDP Ortsverbands, der nach den Worten von Fraktionschef Michael-Klaus Otto „grundsätzlich bereit wäre, einer Bewerbung für die Landesgartenschau 2031 zuzustimmen.“ 2027 käme dagegen zu früh, beispielsweise wegen des fehlenden nachvollziehbaren Nachweises ausreichender Verkehrs- und Parkflächen oder der hinsichtlich der finanziellen Verantwortung abschließend zu klärenden Frage, als Teilausgleich notwendiger Ausgaben in jedem Fall Eintrittsgelder zu erheben. In Bezug auf die im Rahmen der Bewerbung erforderliche Machbarkeitsstudie, die mit anfallenden Kosten von 50.000 Euro im Raum steht, für die eine außerplanmäßige Ausgabe aus dem Haushalt 2020 zur Verfügung gestellt werden müsste, „sollten die Vorarbeiten (Input) aus Spargründen von der Stadtverwaltung geleistet werden.“ Im Prinzip könne man es allerdings drehen und wenden wie man wolle, nüchtern betrachtet „glaube ich nicht, dass wir noch eine echte Chance für 2027 haben, weil wir in Konkurrenz stünden zu Städten, die sich jahrelang vorbereitet haben“, gab Otto zu bedenken. Das wirke sich auch nachteilig auf die Werbung und die Fristen aus.

Vorrang für Projekte in der Pipeline

Ganz zu schweigen von all den Projekten, die „wir seit Jahren vor uns herschieben“ wie das Kurbad oder nach langer Zeit angeschobene wie die Bebauung „Hardtberg“, Schneidhainer Feuerwehrgerätehaus oder Innenstadtgestaltung, um nur einige zu nennen. „Aus diesem Grund brauchen wir zum aktuellen Zeitpunkt kein zusätzliches Projekt in Millionenhöhe, wir machen vielmehr unsere Zustimmung für eine Bewerbung 2031 davon abhängig, dass länger liegengebliebene Vorhaben erst einmal soweit vorangetrieben werden, dass ein neues vertretbar ist statt alles stehen und liegen zu lassen!“

SPD

SPD-Ortsvereins-Chefin Dr. Ilja-Kristin Seewald gab ihrem Bedauern Ausdruck über die Form, „wie das Projekt Landesgartenschau eingebracht wurde. Ich hoffe, es ist dennoch noch nicht in den Brunnen gefallen.“ Damit spielte sie auf das Vorpreschen des Bürgermeisters an. Nichtsdestotrotz wollen die Sozialdemokraten an den Plänen festhalten. Nach ihrer Auffassung müssten die Stadtteile ebenfalls eingebunden werden. „Auch dort leben Menschen, die sich einbringen wollen!“

In diesem Zusammenhang lenkte sie den Blick auf den Aspekt, dass sich die Landesgartenschau mit ihren Fördermöglichkeiten sogar günstig auf die Realisierung der übrigen anstehenden Projekte auswirken könnte. „Vielleicht diskutieren wir dann nicht mehr „klein/klein“, sondern im Gesamtzusammenhang, wie Königstein in zehn bis zwölf Jahren aussehen könnte.“

Es ist eine Chance für Königstein, die Projekte, die laufen, in einem Guss abzuarbeiten; Fördermittel, Know-how und Sponsoren zu bekommen, die wir sonst nicht erhalten würden, und deshalb ist es wichtig, die Machbarkeitsstudie auf den Weg zu bringen!“ Für 2027 wäre das „von Bauchschmerzen“ begleitet, für 2031 mit besseren Aussichten. „Wir würden etwas für unsere Stadt und für die nächsten Generationen leisten!“

Bündnis90/Die Grünen

In die gleiche Kerbe schlug Bündnis90/Die Grünen-Vorsitzende Dr. Bärbel von Römer-Seel, die voranstellte, sie sei während der Vorbereitung und Durchführung der Asien Spiele in Doha Katar, ein Event olympischer Größe, die verantwortliche Programmmanagerin für das Umweltprogramm gewesen, das vielerlei Events umfasste. „Ich spreche deshalb auch aus eigener Erfahrung.“

Wichtige Keimzelle

In der Beantwortung der von ihr selbst in den Raum geworfenen provokanten Frage, wo Königstein heute steht, nahm sie kein Blatt vor den Mund. „Wir verstehen uns als Kurstadt, ohne eine wirklich ansprechende Infrastruktur für unsere Kurgäste vorzuhalten, sie ist etwas in die Jahre gekommen.“ Zweifellos gäbe es in den Parks, Bachtälern, der historischen Altstadt und den Burgbergen ein durchaus großes Potenzial, das zum einen wieder gehoben, zum anderen heutigen Erfordernissen an eine Kurstadt, aber auch an die erwünschten Lebensbedingungen in unserer Heimatstadt zukunftsfähig angepasst werden könne. „So kann die Landesgartenschau als wichtige Keimzelle der ökologischen und nachhaltigen Entwicklung sekundärer Landschaftsformen im siedlungsnahen oder bewohnten Bereich wirken. Doch muss man sich bei der heutigen Gestaltung von Grünanlagen als Erholungsräumen auch ihrer Bedeutung als Biotop gefährdeter Tier- und Pflanzenarten in einer klimatisch sich verändernden Umwelt bewusst sein.“

Die Ausrichtung der Landesgartenschau an „den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, wie sie auch für Hessen bereits in Teilen konkretisiert worden sind, wäre beispielhaft. Die Gestaltung der Innenstadt, das Verkehrskonzept mit Stärkung des ÖPNV und Fahrradverkehrs sowie für Fußgänger, die Bebauung des Wiesengrundes und die Sanierung des Kurbads als Beispiel nachhaltigen Städtebaus, die energetische Gestaltung der Grundschule und des Kindergartens, die Renaturierung unserer Fließgewässer, die Sanierung und barrierefreie Gestaltung unserer Wege, die Förderung der Artenvielfalt, diese Projekte und viele mehr könnten bereits heute so geplant werden, dass sie den städtebaulichen Anforderungen von morgen genügen.“ Eine Verschiebung der Bewerbung auf 2031 wäre dagegen kontraproduktiv.

Mit Blick auf die Verwaltung, die nicht darauf vorbereitet und ausgerichtet sein könne, einen solchen integrierten Ansatz der nachhaltigen Stadtentwicklung und des Events zu managen, sagte sie: „Deshalb und auch aus steuerlichen Gründen wird zur Durchführung der Landesgartenschau immer eine eigene Betriebs-GmbH der Gartenschau gegründet, die die Planung und Durchführung des Events mit eigenem Personal ausführt und in enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung agiert.“ Es sei erforderlich, sich auch kreativ und konstruktiv mit den eigenen Zielen der Stadtentwicklung auseinanderzusetzen.

Mut zu gestalten

Der Aktionsgemeinschaft lebenswertes Königstein (ALK) wünschte von Römer-Seel „den Mut zu gestalten und nicht jegliche Veränderung im Keim zu ersticken.“ Daran anknüpfend richtete sie an alle Fraktionen den flammenden Appell, zumindest prüfen zu lassen, ob die Landesgartenschau im Rahmen der kommunalen Möglichkeiten organisatorisch und finanziell machbar und sinnvoll ist und als mögliche Chance für Königstein sich zukunftsgerecht als Kurort und „als unsere Heimatstadt in eine Richtung zu entwickeln, die sie uns und unseren Gästen noch lebens- und liebenswerter machen kann.“ Nach ihrer Auffassung braucht es für diese valide Entscheidungsgrundlage keine Viertel-Millionen Euro. Die Landesgartenschau in Königstein unterliege dem Ziel, die Infrastruktur ökologisch nachhaltig zu entwickeln und die rein eventbezogenen Durchführungskosten zu minimieren. „Nachhaltigkeit steht hier in ihrer ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimension und über den kurzfristigen Erlebniswert hinaus – obwohl auch der nicht zu unterschätzen ist – zählt das, was bleibt. Daran werde sich die Machbarkeit messen lassen müssen. „Dringend notwendige Investitionen, die wir ohnehin vorgenommen hätten, sind dabei nicht als unmittelbare Kosten des Events einzurechnen.“

CDU

Ebenfalls für die Machbarkeitsstudie plädierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Hees, um nicht Gefahr zu laufen, sehenden Auges in ein unkalkulierbares Risiko zu laufen. Auch seiner Fraktion würden berechtigte Fragen unter den Nägeln brennen, sie wollte mitnichten die Brechstange herausholen, um Unmögliches möglich zu machen. Nichtsdestotrotz gelte es eventuelle Synergieeffekte und die Kosten auszuloten. Denkverbote seien alles andere als zielführend, vielmehr „gemeinsam ins gleiche Horn zu blasen.“ Nach Überzeugung der CDU braucht es dazu allerdings „den Blick von außen“, um dann Pro und Contra abwägen zu können. „Es wäre schade, wenn wir hinterher feststellen würden, eine Chance vertan zu haben!“

ALK

Zwar glücklich, ausnahmsweise einmal mit der FDP einer Meinung zu sein, erneuerte die ALK-Co-Fraktionsvorsitzende Runa Hammerschmitt ihre Kritikpunkte. „Die Landesgartenschau ist kein Allheilmittel! Dieses Geld müssen wir nicht ausgeben, ein lebenswertes Königstein sieht für uns anders aus“, brachte sie es auf den Punkt. Das Projekt sei zu teuer, zudem sehe die Wählergemeinschaft Problembereiche bei den potenziellen Parkanlagen und der Bewältigung des Verkehrs.



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