Woogtal-Weiher bekommt eine Luftkur

So gespalten, wie es hier den Anschein hat, ist die Königsteiner Bürgerschaft gar nicht, die Woogtal-Freunde verteilen sich nur in zwei Lager, um am rauschenden Bach besser hören zu können. Gerd Böhmig vom Fachbereich Planen, Umwelt, Bauen der Stadtverwaltung hatte sich – wie zuvor an anderen Stationen auch – auf dem „Gewässerteiler“ zentral postiert, um die Sanierungsmaßnahmen zu erläutern. Da er dabei vor gezückter Kamera doch nicht ins Wasser gefallen ist, löst der Fotograf hiermit seine Wettschuld ein und platziert ihn trocken auf dem Titel (oben). Sehr erfreulich: Den diversen Redner*innen ist es gelungen, bei dem ausgiebigen Ortstermin keine „heiße Luft“ zu verbreiten, der einzige, der beständig kühl vor sich hin blubberte, war der neue Sauerstoffschlauch (siehe die Blasenspur quer durch das untere Bild). Fotos: Friedel

Königstein
(hhf) – Woher die „PAK“ genau gekommen sind, weiß keiner, die einen vermuten einen Spätschaden nach einem LKW-Unfall oberhalb des Woogbaches vor etlichen Jahren, die anderen sehen (un-)natürliche Zersetzungsprozesse als Verursacher. Tatsache ist jedenfalls, dass der Schlamm, der sich reichlich in den Woogtalweihern angesammelt hat, „polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe“ im Übermaß enthält, weshalb er als Giftmüll entsorgt werden muss – wenn man ihn denn ausbaggert.

Da genau dieses Verfahren wegen seiner hohen Kosten die Sanierungsarbeiten erst einmal gestoppt hatte, als man im Sommer letzten Jahres wegen der Hitze nach Belüftungsversuchen der Feuerwehr durch Frischwasser aus dem Schlauch schließlich die letzten Fische einsammelte und das gammelige Wasser abließ, kam zwischenzeitlich eine andere Lösung zum Zuge.

Bewohner lieben das Woogtal

Die Mitglieder des „Woogtal Dialogs“ hatten herausgefunden, dass den Königsteiner*innen und ihren Gästen das Woogtal mit Weiher sehr ans Herz gewachsen ist, weshalb der verlandete See, auf dem allmählich Gras wuchs, möglichst bald wieder instand gesetzt werden sollte. Rolf Kerger, Magistratsmitglied der „Grünen“, hatte schließlich eine Idee, die breite Zustimmung fand: Belüftung des Weihers kann dazu führen, dass neues Laub und alter Schlamm auf natürlichem Wege abgebaut werden. Nicht einfach zu verstehen, aber praktikabel.

Zunächst als ein Versuch, vielleicht aber auch auf Dauer hängt der Patient nicht am Tropf, sondern wird künstlich beatmet. Ein Kompressor (jährliche Stromkosten zwischen 170 und 250 Euro) versorgt vom Freibad aus den Weiher mit Luft, die aus vier löchrigen Schläuchen ins Wasser perlt und dieses so mit Sauerstoff anreichert. Dadurch erhofft man sich – wie es andernorts schon gelungen ist – die Verdauung des Kranken zu verbessern, also die natürlichen Zersetzungsprozesse im allzu flachen Wasser zu unterstützen.

Der Weiher ist eutrophiert

Bärbel von Römer-Seel, Biologin, Stadtverordnete und Mitglied des Woogtal-Dialoges, erklärte die Biologie der Gewässer umfassend, kurz gesagt ist der Weiher, der inzwischen über eine „Umleitung“ für Lebewesen, die im fließenden Wasser bergauf wandern müssen verfügt, „umgekippt“ – der Patient hat zu viel gegessen. Zu viele Nährstoffe – im hiesigen Fall vor allem Laub und alles, was der Woogbach so anspült (vielleicht auch Berge von Futterbrot für Enten, sicher aber deren Kot), muss nämlich abgebaut werden, und dazu braucht man Sauerstoff im Wasser. Der bindet sich aber nicht gut an warmes Wasser, weshalb ein Weiher eine Mindesttiefe braucht, um auch im Sommer unten kühleres Wasser zu behalten.

Im oberen, warmen Teil wachsen dagegen vor allem Algen sehr schnell (Nährstoffe sind ja genügend vorhanden), nehmen damit aber auch Sauerstoff weg und verdunkeln tiefere Ebenen, wo andere Pflanzen nun auch mangels Sonnenlicht absterben und zu noch mehr Schlamm werden – eine Todesspirale mit klarem Ende.

Neuanfang oder Verlandung

Es bleibt also nichts anderes übrig, als einen solchen Teich verlanden zu lassen (so entstehen Moore) oder ihm mit menschlicher Hilfe einen Neustart zu ermöglichen. Aus der Sicht der Natur gehört in einen Bach-Oberlauf kein Weiher, eben weil er schnell verlandet, wenn aber der Mensch es so will, muss er der Natur eben unter die Arme greifen. Manfred Colloseus, Stadtverordneter und Mitglied des Woogtal-Dialogs, warb um Verständnis, dass die Königsteiner hier diesen Eingriff in die Natur haben wollten und auch anwesende Fachwissenschaftler im Publikum billigten ihm und seinen Mitbürgern zu, dies mit nur wenig Schaden für die Umwelt realisieren zu können. Biologie-Professor Markus Pfenniger kann sich sogar vorstellen, dass mehr Wasserflächen künftig dem Klima gut tun.

Behutsam und naturnah

Was Gerd Böhmig, zuständig für die Bauarbeiten der Stadtverwaltung dann an Maßnahmen präsentieren konnte, war schon eindrucksvoll. Zunächst hat man im Bereich des oberen, völlig verlandeten Weihers ein Loch ausgehoben, das als „Geschiebefang“ dient. Deutlich naturnäher als vergleichbare Einrichtungen aus Beton erfüllt es den Zweck, vom Bach mitgeschwemmtes Material hier absinken zu lassen, bevor es in den Weiher gelangt. Dank einer verdichteten Erdschicht am Rand kann das Loch nun mindestens einmal im Jahr leicht ausgebaggert – also geleert – werden.

Eine „Gewässerteilung“ sorgt dafür, dass für wandernde Organismen der Bachlauf durchgehend erhalten bleibt, während die andere Hälfte dem See Frischwasser zuführt –hier kann man aber auch das Wasser „abdrehen“, wenn man ihm mal wieder auf den Grund gehen muss. Und das ist schon fest geplant.

Natur braucht Zeit

Durch eine Erhöhung des Stauwehrs um 15 Zentimeter mit Holzbalken steigt nun der Wasserspiegel – der Weiher wird tiefer, aber das reicht noch nicht. In Abstimmung mit den Naturschutzbehörden wurden viele der umstehenden Bäume („rund um das Woogtal ist noch genug Wald“) abgesägt, nun kommt mehr Sonnenlicht ins Wasser und weniger Laub. Mit Hilfe der Sauerstoffzufuhr sollte der Weiher es nun mindestens bewältigen, das jährlich anfallende Laub und vielleicht Grasschnitt selbst abzubauen, die Hoffnung besteht aber auch, dass der faulige Schlamm nach und nach weiter zersetzt wird. Dann entstünde ein biologisch unbedenkliches Gemisch, das man ausbaggern und auf Felder verteilen kann. Ganz sicher ist das nicht zu versprechen, sicher wird es aber einige Jahre dauern, diesen naturnahen Weg zu gehen. Die Zeichen stehen aber gut und alle Beteiligten sind sich einig, dass neben dem Beobachten auch weitere Arbeiten im Woogtal ausgeführt werden müssen, teils zur Verschönerung, teils zur Erhaltung.

Wasserrad und Bänke

Vor allem muss der Bypass für die Bachwanderer noch einmal überarbeitet werden, unterhalb des Weihers verläuft er ungünstig zum Hang, daher versickert zu viel Wasser und tritt am Hang als unerwünschte Nässe wieder aus.

Das daneben gelegene Wasserrad, soll hingegen schlicht der Schönheit wegen erhalten bleiben, vielleicht wird man es aber „unterschlägig“, also mit Wasserkraft im unteren Teil des Rades bewegen müssen. Eine weitere, bereits begonnene Aufgabe ist es, Sitzecken mit Natursteineinfriedung, randalesicheren Bänken und genügend Mülleimern einzurichten. Es gibt also noch viel zu tun – und jeder kann dabei sein. Am einfachsten geht das über die Website des „Woogtal Dialogs: https://woogtaldialog.wordpress.com/, schöner ist es aber vor Ort bei einem Gang durch das Woogtal.

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