Wunderschöner Umzug versöhnt Königsteiner mit einem Burgfest mit Licht und Schatten

Sie sind das Sinnbild der großen, ja lebenslangen Verbundenheit der Königsteiner mit ihrem Fest. Die Hohen Burgfrauen unterstützen den Burgverein an allen Ecken und Enden und sind beim Festzug echte Stimmungskanonen. Fotos: Schramm

Königstein (as) – Das 72. Burgfest Königstein ist ein gelungenes und sehr schönes gewesen – wenn man sich auf die offiziellen Programmpunkte auf Burg, Stadt und Tal beschränkt. Es hätte sich wahrscheinlich sogar das Attribut „großartig“ verdient, hätte es am Freitagabend nach dem Gottesdienst in St. Marien und Eröffnung des Festes durch Burgfräulein Málva I. nicht die Ereignisse vor dem Burgtor mit bedrohlichem Gedränge am heftig stockenden Einlass, frustrierten Partygängern und letztlich einer sinnlosen Vermüllung der Stadt gegeben (s. Seite 8).

Die erste Nacht hallte jedenfalls bei einigen noch deutlich spürbar nach, als sich am Samstagnachmittag eine große Festgesellschaft mit vielen Gewandeten bei bestem Wetter vor dem Rathaus einfand, um das Burgfest so zu feiern, wie es in Königstein zum guten Teil der Tradition gehört: mit dem Empfang der Bürgermeisterin für das Burgfräulein und dessen Gefolge, zu dem auch die Hohen Burgfrauen gehören. Die aktuelle Hohheit und ihre Vorgängerinnen hatten gerade im St. Josef Krankenhaus Station gemacht und den Patienten und Mitarbeitern dort mit Kuchen und guten Wünschen eine schöne, ebenfalls traditionsreiche Überraschung bereitet. Begrüßt wurden sie dann auf dem Rathausvorplatz durch den obligatorischen Auftritt der weiter gewachsenen MuShoBa und unter anderem deren und aller Lieblingslied „Ballistic Brass“ und von einer mittlerweile zehn Tänzerinnen starken Gruppe von Charisma und Young Charisma. Und das Wachstum ist noch nicht zu Ende: Fanfarencorps-Chef Dieter Giese präsentierte die ersten vier jungen Mitglieder und damit die Wiedergeburt des Schülerzugs, der bereits im nächsten Jahr „spielfähig“ sein soll.

Aber zurück zum Burgfest-Empfang, zu dem die frisch mit dem im Vorjahr zugesagten, blauen Samtkleid aus dem Atelier des Burgvereins eingekleidete Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko („ich trage das wunderbare Kleid mit Stolz“) alle Gäste begrüßte – namentlich Schirmherrn Alexander Fürst zu Stolberg-Roßla, die Präsidentin des Burgvereins Birgit Becker, Stadtverordnetenvorsteher Michael Hesse, Kreistagsvorsitzenden Renzo Sechi, die Bundestagsabgeordneten Norbert Altenkamp und Sebastian Sommer, ihren Amtsvorgänger Leonhard Helm und als weitere Hohheit Ela, die frisch gewählte „Weiße Dame“ aus Königsteins Partnerstadt Kórnik. Und sie lobte Feuerwehr, DRK, Polizei und den städtischen Betriebshof für den gemeinsamen Einsatz, last not least den Burgverein und dessen Atelier für ihre „Leidenschaft“. „Es ist wunderbar, dass sich so viele Menschen einbringen – das Burgfest ist eine Lebenseinstellung, ein gemeinsames Aufrechterhalten von Tradition und Gemeinschaft“, rief die Rat­haus­chefin den Freunden des Burgfestes zu. Birgit Becker würdigte in ihrer Ansprache ebenfalls die Arbeit der Frauen im Atelier, „ohne deren unermüdliches Arbeiten wir nicht dieses schöne Bild abgeben würden“.Und Alexander Fürst zu Stolberg-Roßla verglich Königstein mit einer „Familie“ – für ihn, dessen Ahnen die Tradition der Herrschenden auf der Burg mitgeprägt haben, fühle sich das Burgfest „wie ein Familienfest“ an.

Nach den schönen Worten ging es an die Tat, die Übergabe des Stadtschlüssels an Malvá van der Heijden, die als Burgfräulein Málva I. damit für zwei Tage die Regentschaft über Burg, Stadt und Tal – wie dieser Dreiklang der Verbundenheit in Königstein so schön ausgedrückt wird – übernehmen durfte. „Der Schlüssel ist schwer im Metall, aber leicht im Herzen“, gab die Bürgermeisterin dem 21-jährigen Burgfräulein mit auf den verantwortungsvollen Weg. „Der Schlüssel ist ein Versprechen, die Freude über das Burgfest in alle Winkel der Stadt zu tragen. Die Burg ist unsere Wurzel und unsere Verbindung“, so Málva I. feierlich, deren Ansprache von ihrer Hofdame Alessia Bibus in Gebärdensprache übersetzt wurde. Es folgte ihr Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Königstein auf einer wunderbar illustrierten Seite. Damit ist das aktuelle Burgfräulein für immer ein Teil der Geschichte Königsteins.

Ein Teil der Geschichte sind auch die Hohen Burgfrauen. Jedes Jahr werden die Jubilarinnen speziell für ihre Verbundenheit gewürdigt. Anwesend waren diesmal Ulrike Pfaff (Burgfräulein 1985), Claudia Bommersheim (1995) und Isabelle Hunkel (2015). Und da die Hohen Burgfrauen für dieses Jahr mit neuen Schärpen ausgestattet worden waren, ließ sie es sich nicht nehmen, ihre gute Seele Christa Burkhardt, die als Ehrenburgfrau bekannt ist, zu sich nach vorne zu holen und mit einer Schärpe „Ehrenburgfräulein“ zu würdigen.

Stimmungsvolle Burg

Nach all den schönen Momenten und einem schmissigen Finale mit einem weiteren Auftritt der MuShoBa war für alle der richtige Zeitpunkt, den Weg nach oben zur Burg einzuschlagen. Der zweite Abend, sonniger als der erste, nach Sonnenuntergang aber empfindlich kühl, sollte friedlicher über dem Burgfest heraufziehen als der erste.

Richtig gut war die Stimmung auf der Festwiese mit den Verpflegungsständen und der Liveband CherryBomb oben in den Kellern, in denen man sich zu späterer Stunde schön aufwärmen konnte. So auch im Weinkeller der Minnesänger, die neben der Schlossküche mit der Burgfestkönigin-Lounge noch einen zweiten Keller im Museum übernahmen. „Wir sind seit 72 Jahren beim Burgfest dabei“, erzählte der Vorsitzende der Chorgemeinschaft Stefan Seidel. Man kehre im Museum zurück zu den eigenen Wurzeln, in den 1960er Jahren habe sich hier die Sektbar der Sänger befunden. Das breite Weinangebot und die ruhigere Atmosphäre fanden jedenfalls sehr guten Anklang. Die drei Damen an der Theke, Veronika Loch, Pia Seidel-Zoller und Nana Dietz-Frech, hatten bei ihrem Dauerdienst am Samstag von 17.30 bis 3 Uhr gut zu tun – und am Sonntagnachmittag ging es für das Trio mit Kuchen und Muffins gleich weiter am Verkaufstresen.

Nebenan wummerten die Bässe aus dem Stolbergkeller und dem Kosakenkeller. In diesem legte ein Freundeskreis Musik auf, der unter dem Namen „Connect“ häufiger Veranstaltungen macht. An beiden Abenden waren zusammen sieben DJs im Keller im Einsatz – unentgeltlich. „Das sind alles Bekannte, sonst hätten wird das nicht machen können“, so der Macher Jonathan Häckel. Die Techno- und Techno-House-Musik kam beim jungen Publikum jedenfalls bestens an. Vielleicht wird es im nächsten Jahr – wenn es das Studium zulässt – ein Wiedersehen mit den Jungs um Jonathan Häckel geben. Dem Burgfräulein gefiel derweil ein anderer Keller am Besten. Bei der Verkündung des „Kellers des Jahres“ am Sonntag fiel ihre Wahl auf das „Uptown“ im Grünen Keller, den Nachfolger des legendären Downtown. „Die Musik und die Stimmung dort haben uns am besten gefallen.“

Begeisternder Umzug

Ja, „gefallen“ hat der Sonntag wohl allen, die in der Stadt und auf der Burg dabei waren. Der Burgfestumzug wurde zum absoluten Höhepunkt des Festwochenendes. Bei bestem Wetter mit Sonnenschein und knapp über 20 Grad fühlten sich alle wohl – die vielen Gewandeten in ihren schweren Kleidern, die Fußgruppen und nicht zuletzt die Pferde vor den Gespannen, die anders als bei der Gewitterlage vor einem Jahr wieder die prunkvollen Kutschen, besetzt mit den wichtigsten Persönlichkeiten, vom Tal in die Stadt zogen. Eine Stadt, die insbesondere auf der Hauptstraße, wo Rainer Kowald den Umzug kommentierte, und in der Fußgängerzone mit schön dekorierten Häusern sehr gut besucht war. Klatschen, Jubel, fliegende Kamellen und ganz viel für das Auge bot dieser Umzug. 35 Gruppen oder Kutschen – angeführt vom Spielmannszug der Mainzer Ritter-Gilde und traditionell abgeschlossen und gekrönt vom Wagen des Burgfräuleins – hatten sich vom neuen Aufstellungsort in der oberen Wiesbadener Straße, Ecke Seilerbahnweg, um 13.30 Uhr auf die etwas verkürzte Zugstrecke gemacht.

Zunächst ging es bergab, dann aber gleich wieder die Stresemannstraße hinauf in Richtung Innenstadt, durch das enge Spalier der Hauptstraße, am Amtsgericht vorbei und durch die Herzog-Adolph-Straße, Theresenstraße mit der Verpflegungsstelle der Königsteiner Woche, Limburger Straße bis zur Zugauflösung. Die neue Strecke ohne Nutzung der Siedlung sorgte auch dafür, dass keine Bundesstraße gesperrt werden musste. Und durch die Kompaktheit fielen auch die Standpausen nicht so sehr ins Gewicht, wenn die MuShoBa mal wieder auf- und abmarschierte statt geradeaus oder die Kutsche des Burgfräuleins für Fotos und Glückwünsche doch immer mal wieder stoppen musste und dadurch den Anschluss verlor. Martin Orlopp, der Hofmarschall des Burgvereins, hatte alles im Griff, Zwischenfälle gab es keine. „Seit Jahren war das wieder ein großartiger Umzug, auf jeden Fall der beste seit Corona“, jubelten Pamela Grosmann und Anja Lingner aus dem Kreis der Hohen Burgfrauen. Die waren auf ihrem Wagen und als sich anschließende Fußgruppe (und teilweise auch schon begleitet von den eigenen Töchtern, die sicher auch alle mal Burgfräulein werden wollen) die perfekten Stimmungsmacher. „Beim Umzug sieht man, dass der Zusammenhalt da ist“, freute sich Lingner. Nach dem schönen Erlebnis klang das Burgfest mit dem Familiennachmittag und Kinderprogramm und später dem traditionell gemütlichsten Abend auf der Burg stimmungsvoll aus – bei dem die Einheimischen zumeist unter sich sind.

„Die Stimmung auf der Burg war super, auf den Sonntag habe ich nur positive Resonanz bekommen, die Leute waren begeistert“, konnte Burgfest-Präsidentin Birgit Becker – hörbar versöhnt nach den Ereignissen am Freitag – ein insgesamt positives Fazit des 72. Burgfestes ziehen. In der deutlichen Hoffnung, dass es auch ein 73. im bekannten Format geben wird – für die Stadt, den Zusammenhalt und die Bewahrung der Tradition.

 

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