Jüngste Fleischermeisterin kommt aus Oberhöchstadts Hause Klein

Viktoria Klein im Kreis eines Großteils der Produktionsmannschaft. Foto: S. Puck

Oberhöchstadt (pu) – Kauffrau für Büromanagement, Einzel-, Groß- und Außenhandel, Industriekauffrau, medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte, Verkäuferin, Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk sowie Hotelfachfrau und Friseurin führen laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die Statistik der im letzten Jahr von weiblichen Auszubildenden meistenteils abgeschlossenen Ausbildungsverträge an. Von Metzgereimeisterin dagegen keine Spur auf den vorderen Rängen in der Beliebtheitsskala der von Frauen gewählten Ausbildungs- und Traumberufe.

Deutschlandweite Jüngste

Einen gänzlich anderen Stellenwert genießt dieser alte Handwerksberuf demgegenüber bei der Oberhöchstädterin Viktoria Klein. Die jüngste Tochter des zur Geschäftsleitung des seit 1926 existierenden Familienunternehmens zählenden Harald Klein und seiner Frau Katja schloss im Sommer 18-jährig ihre Prüfung zur Fleischer-Meisterin als Klassen-, Schul- und Innungsbeste ab und war zu diesem Zeitpunkt Deutschlands jüngste Fleischermeisterin. Die schlanke Rotblonde steht ihre Frau in einer als Männerdomäne geltenden Branche und entspricht nicht im Geringsten dem Erscheinungsbild, das üblicherweise mit diesem Berufsbild verbunden ist.

Metzger sein bedeutet freilich weitaus mehr als das Ausbeinen von Schweinen und Rindern durch muskelbepackte Männer. Das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Traditionsunternehmen Klein mit seinen drei Filialen (Stammhaus Oberhöchstadt, Oberursel und Main-Taunus-Zentrum) steht als „Produktionsbetrieb mit EU-Zulassung und Eigenkontrollsystem” für höchste Qualität und höchstmöglichen Hygienestandard. Entsprechend hoch sind auch die Anforderungen an das Personal. Über zehn der insgesamt um die 80 Mitarbeiter sind Meister. Die jüngste von ihnen, Viktoria Klein, zählt zum zwölfköpfigen Produktionsteam im Stammhaus und hat aktuell schwerpunktmäßig ihren Platz an der Wurst-Füllmaschine. Dort ist neben der fachlichen Kompetenz absolutes Feingefühl gefragt, schließlich gilt es vom sechs Kilo schweren Presskopf bis hin zu kleinen Cocktailwürstchen, Fleischsalate, Kochwurst und einiges mehr perfekt gewürzt zuzubereiten und abzufüllen. Von montags bis donnerstags werden täglich viele Sorten Wurst und natürlich die Fleischwurst erzeugt. Dazu kommen unter anderem noch Mettwürste, Fleischkäse und Frikadellen. Kein bei Klein-Kunden auf dem Grill landendes Rinder-Entrecôte erreicht die Ladentheke ohne Qualitätsfreigabe des Steaks durch die Fleischer-Meisterin. Damit die Kundschaft schon früh-morgens um 8 Uhr in allen drei Filialen aus dem Vollsortiment auswählen kann, beginnt die Produktionsmannschaft und demzufolge auch Viktoria Klein morgens um 5 Uhr mit der Arbeit. Für manchen wäre allein schon das frühe Aufstehen ein absolutes K.-O.-Kriterium.

Vielfalt

Nicht so für die 18-Jährige: „Ich mag die Vielfalt meines Berufs und die frühe Arbeitsanfangszeit birgt den Vorteil, noch einiges am freien Nachmittag unternehmen zu können.“ Kurioserweise war das Nachfolgen der jungen Frau in familiäre Fußstapfen, so naheliegend es für Außenstehende auf den ersten Blick auch erscheinen mag, kein Selbstläufer. Ungeachtet des im Elternhaus allgegenwärtigen Metzgereibetriebs, entschied sich die damals 14-Jährige vielmehr, ihr anstehendes Schulpraktikum in einer ganz anderen Branche – als Kauffrau für Büromanagement – abzuleisten.

Erst nachdem sich dieses Vorhaben im letzten Moment zerschlug, kam die Metzgerei ins Spiel. Mit weitreichenden Folgen. „Das Praktikum in der Oberurseler Filiale machte mir so viel Spaß, dass ich im wahrsten Sinne ‚Blut geleckt‘ habe“, erinnert sich Viktoria Klein zurück. In der Folge half sie in jeder freien Minute im Stammhaus an der Kasse aus und begann nach ihrem Realschulabschluss im September 2014 eine verkürzte Ausbildung als Fleischerin, die sie zwei Jahre später als jahrgangsbeste Metzgergesellin abschloss. Für die ehrgeizige Frau lediglich eine Zwischenstation. Auf dem Weg zum Meisterbrief stemmte die Oberhöchstädterin neben ihrem üblichen Arbeitspensum Zusatzschichten, um das Ausbeinen von Schweinen und Rindern perfekt zu beherrschen oder paukte Lehrstoff. Eine immense Hilfe war ihr dabei ihr Lehrmeister Maximilian Blumenstein, der schon in der Grundschule seiner festen Überzeugung Ausdruck gab, er werde eines Tages Metzger werden.

Ab Januar nächsten Jahres will Viktoria Klein noch den Betriebswirt im Handwerk draufsetzen. Ihre komplette Familie zweifelt keine Sekunde daran, dass auch dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt sein wird. Nach den Worten ihres Onkels Richard und Vaters Harald mangelt es der jungen Meisterin nicht an nötigem Ehrgeiz, Konsequenz und Stehvermögen. „Für die Eltern war ihre Kindheit sehr anstrengend, weil sie schon damals ihren eigenen Kopf hatte, umso stolzer sind wir natürlich jetzt auf sie“, erzählt Vater Harald schmunzelnd.

Zukunftssicherung

Die vierte Generation seit Gründung des Familienbetriebs zählt ebenso zu den elementaren Puzzleteilen für dessen Fortbestand wie das anstehende Bauvorhaben (wir berichteten). Zum einen wird angesichts erreichter Kapazitätsgrenzen angestrebt, den Betrieb den steigenden Anforderungen an eine moderne Produktion Rechnung tragend zu erweitern, zum anderen ist die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit zirka 20 Wohnungen auf dem benachbarten, aktuell als Parkfläche genutzten Grundstücks zur Deckung des Bedarfs an Kleinwohnungen geplant. Die Bauherren haben mit diesem Vorhaben die Konsequenzen daraus gezogen, dass fehlender bezahlbarer Wohnraum die Mitarbeitersuche seit einiger Zeit sehr erschwert. Trotz der Baumaßnahme soll, so betonte Harald Klein, die bisherige Menge an Parkplätzen erhalten bleiben. Zur Unterbringung des ruhenden Verkehrs ist deshalb ein Garagengeschoss geplant, das in einem Teilbereich auch Kunden der Metzgerei zur Verfügung stehen soll. Dieses nachhaltige Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Kronberg im Taunus wird auch seitens der Stadt mit Freude zur Kenntnis genommen. Die Stadtverordnetenversammlung hat daher im Frühjahr die Änderung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren beschlossen mit dem Ziel, den Ortskern als zentralen Versorgungsbereich in seiner Funktion zu stärken. Mit dem Baubeginn ist voraussichtlich 2018 zu rechnen, wenn alle Genehmigungen vorliegen.

Gesetzte Akzente

Ihrem Naturell entsprechend begnügt sich Fleischer-Meisterin Viktoria Klein mitnichten damit, lediglich ihrer täglichen Arbeit nachzugehen. Sie hat bereits neue Ideen in die Produktionslinie eingebracht. Die Bratwurst mediterran mit Kräutern der Provence oder Feta gehen ebenso auf ihre Inspiration zurück wie der gefüllte Schweinebauch mit Brät, Tomaten und Gewürzen.

„In einem kleineren Betrieb kann man viel mehr bewegen als in einem Großbetrieb“, macht sie deutlich. Man merkt, obwohl noch jung an Jahren, ist sie schon mittendrin statt nur dabei und eine wichtige Säule der Kleins, die allein sieben der 80 Mitarbeiter stellen. Von der jungen Metzgereimeisterin wird man jedenfalls sicher nicht zum letzten Mal hören oder lesen.



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