Kammermusik verbindet die Welt – Hinreißende Konzerte mit Musikern aus 17 Nationen

Kronberg (pf) – „Da geht einem das Herz auf! Besser kann diese Musik gar nicht gespielt werden.“ Diese Worte einer begeisterten Besucherin Donnerstagabend nach dem ersten Konzert in der Johanniskirche dürfte vielen Musikliebhabern in den vergangenen Tagen aus der Seele gesprochen sein. Was die Kronberg Academy mit den sieben Konzerten im Rahmen ihres einzigartigen Kammermusikprojekts „Chamber Music Connects the World“ bot, war einmal mehr Musik von ganz besonderer Ausstrahlung, Qualität und Intensität – und bei den renommierten „Seniors“ natürlich auf Weltklasseniveau.

Die beiden Geiger Gidon Kremer und Christian Tetzlaff, die Bratscherin Kim Kashkashian und der Cellist Steven Isserlis, alle weltberühmte Stars und Meister ihrer Instrumente, führten als „Seniors“ in den gemeinsamen Proben beim Einstudieren der ausgewählten Werke aus drei Jahrhunderten ihre Junior-Partner zu neuem Verständnis der Kompositionen, öffneten ihnen Augen und Ohren für individuelle einfühlsame Interpretationen und animierten sie zu Höchstleistungen.

Die 22 jungen Talente aus 17 Nationen hatten sich in einem anspruchsvollen Auswahlverfahren für die Teilnahme an dem Kammermusikworkshop qualifiziert. Dass sie virtuos musizieren können, hatten sie dabei bereits gezeigt. Jetzt konnten sie in den zehn Tagen in Kronberg im Zusammenspiel mit den Großen der Musikwelt ihr künstlerisches und persönliches Potential unter Beweis stellen und entfalten – ein Prozess, der die einzelnen Werke zu einer in dieser Form selten zu erlebenden Lebendigkeit und Aussagekraft führte.

„Die entscheidende Stärke, die wir bei den Juniors von „Chamber Music Connects the World“ fördern möchten, besteht darin, in verschiedenen Rollen Verantwortung übernehmen zu können: In der Rolle des Individuums für den eigenen, unverwechselbaren künstlerischen Ausdruck, in der Rolle des Interpreten für das Werk des Komponisten und in der Rolle des Kammermusikers für das Gelingen des Ganzen“, so formuliert es im Grußwort des Programmhefts Ulrike Crespo, die mit ihrer Crespo Foundation seit mittlerweile 14 Jahren das Kammermusikprojekt fördert und es damit überhaupt erst ermöglicht.

Raimund Trenkler, künstlerischer Leiter der Kronberg Academy, drückt es im Editorial so aus: „So gilt in der Musik wie im Leben: Das Miteinander ist und bleibt die größte Herausforderung für alle, die anhaltend etwas bewirken wollen. Und Kommunikation ist der einzige Weg zum gemeinsamen Ziel. Unsere Juniors und Seniors stellen sich genau dieser Herausforderung, durch die sie musikalisch und menschlich voneinander lernen und an der sie reifen werden. Ihr Mittel der Auseinandersetzung ist die Kammermusik, bei der jede einzelne Stimme zählt. Ihr Ziel ist es, den größtmöglichen gemeinsamen Nenner zu finden. Im Vordergrund aber wird auf jeden Fall die Lust am gemeinsamen Musizieren und einfach die Freude am inspirierenden Zusammensein stehen!“

Dass dies tatsächlich so war, konnten die Besucher in den öffentlichen Proben hautnah miterleben. Da wurde an einzelnen Passagen wieder und wieder gefeilt, wurden immer neue Ausdrucksweisen ausprobiert, war für jeden Zuhörer erlebbar und nachvollziehbar, wie das Werk im gemeinsamen Bemühen und Miteinander Leuchtkraft und Farbe entwickelte, bis es schließlich im Konzert zum mitreißenden und überzeugenden Ganzen erblühte. Die roten Rosen, die jeder Mitwirkende der Konzerte zum Schluss überreicht bekam, wie es seit Langem Tradition bei der Kronberg Academy ist, waren gleichsam Sinnbild dieses Schöpfungsprozesses.

„Chamber Music Connects the World – das ist der große Bogen, der sich über diese vielfältige Konzertreihe spannt. Die Innigkeit des Musizierens aber, die Wahrnehmung des Augenblicks, den Wettstreit der Energien und Gefühle erlebt man nur in den einzelnen Konzerten, wenn sich die Wechselwirkung der stummen Zwiegespräche zwischen den Musikern über Mimik, Körpersprache und atemberaubende Spannung ausdrückt und in unsere Herzen fließt“, schwärmt Dr. Rainer Stoll, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Kronberg Academy und spricht in diesem Zusammenhang von „Momenten, die süchtig machen“.

Für die Freunde und Förderer und die neuen Mitglieder des über tausend Musikfreunde zählenden Vereins gab es am Samstagmittag in der Johanniskirche ein eigenes Konzert, das mit dem Werk „Last round“ des 1960 geborenen Argentiniers Osvaldo Golijov und Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquintett Nr.1 A-Dur zwei ganz unterschiedliche Werke präsentierte. Die zeitgenössische Komposition, inspiriert von jüdischer liturgischer Musik, Klezmer und den Tangos von Astor Piazzolla, entstand 1996 als Hommage an den 1992 verstorbenen berühmten argentinischen Tangomeister und wurde von Gidon Kremer zusammen mit drei weiteren Geigern, zwei Bratschern, zwei Cellisten und einem Kontrabassisten aufgeführt. Das Streichquintett, bei dem sich Christian Tetzlaff mit der südkoreanischen, in Australien aufgewachsenen Geigerin Suyeon Kang auf dem Platz der ersten Geige abwechselte, bestach durch seine in manchen Passagen wie hingehauchten, hingetupften Interpretation.

Auch im sechsten Konzert Sonntagabend in der Stadthalle wechselte sich Christian Tetzlaff in Joseph Haydns Streichquartett g-Moll op. 20 Nr.3, dem sogenannten „Sonnenquartett“, nach dem zweiten Satz wieder mit seiner Geigenpartnerin Alena Baeva auf dem Platz des Primarius ab und überließ ihr in den beiden folgenden Sätzen die Führungsrolle. Zu welchen immer neuen reizvollen Klangbildern das simple Geburtstagsständchen „Happy Birthday“ Alfred Schnittke inspirierten, demonstrierten danach Kim Kashkashian, Viola, und die beiden Juniors, der tschechische Geiger Josef Špacek und der österreichische Cellist Kian Soltani im Streichtrio, das der Komponist 1985 zum 100. Geburtstag von Alban Berg schrieb und in das er auch Zitate aus Bergs letztem Werk „dem Andenken eines Engels“ gewidmet, einfließen ließ. Bei der abschließenden Kammersinfonie Nr.2 op. 147 von Mieczyslaw Weinberg musizierten gleich 20 Juniors gemeinsam mit Gidon Kremer und bildeten ein Kammerorchester, das für seine sensible und dynamische Interpretation ebenso wie die Ensembles zuvor vom Publikum mit Bravorufen und lang anhaltendem Applaus belohnt wurden.

Das Abschlusskonzert am Montagabend wurde, wie alle Abschlusskonzerte bei den Veranstaltungen der Kronberg Academy, wieder zu einem besonderen Erlebnis. György Kurtágs sprödes und für Musiker wie Zuhörer alles andere als einfache Streichquartett Officium Breve in memoriam Andrae Szervanszky op. 28 mit Kim Kashkashian als Senior war für die Juniors eine besondere Herausforderung. Edward Elgars Klavierquintett a-Moll op. 84 mit Steven Isserlis ließ gleichsam Geister durch die Stadthalle wehen und mit Johannes Brahms facettenreichem, gefühlvollem, im Scherzo folkloristisch-ungarisch gefärbten Streichsextett Nr.2 G-Dur op. 36, bei dem Christian Tetzlaff wiederum nach zwei Sätzen mit seinem Violin-Juniorpartner, dem US-Amerikaner Alexi Kenney, die Plätze tauschte, gingen die elf intensiven Kammermusiktage endgültig zu Ende.

„In diesem Jahr hat sich das Motto Chamber Music Connects the World so sehr bewahrheitet wie selten“, meinte Raimund Trenkler in seinen Abschiedsworten nach der Pause. „Jeder Junior hat in vier, manche sogar in fünf Ensembles mitgewirkt und es war selten, dass einmal zwei Musiker derselben Nation zusammen spielten.“ Dieses sich mehrmals täglich in immer wieder neue Ensembles einfügen, sich mit immer neuen Komponisten und Kompositionen auseinander setzen, mit immer neuen Seniors und Juniors ein harmonisches Ganzes bilden, das stellte für alle Musiker elf Tage lang eine immer neue Herausforderung dar, war ein Stück harter Arbeit. Aber es war auch – und das war in Proben wie Konzerten für das Publikum immer wieder spür- und erlebbar – ein bereicherndes Erlebnis, dem sich alle mit Hingabe und Leidenschaft für die Musik und das Musizieren stellten.

Ein Kammerorchester aus 20 Juniors, von Gidon Kremer souverän geleitet, glänzte mit Mieczyslaw Weinbergs Kammersinfonie Nr.2 Sonntagabend in der Stadthalle.

Fotos: Lutz Sternstein

Wenting Kang und Alexi Kenney nehmen aufmerksam auf, was Christian Tetzlaff ihnen zu sagen hat.

Bei aller Arbeit kommt der Spaß bei den Proben nicht zu kurz, wie Steven Isserlis und Niklas Liepe zeigen.

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