Kronberg (pu) – „80 bis 90 Prozent der Bevölkerung ist Vitamin D-mangelversorgt!“ Mit dieser provokant klingenden Kernaussage eröffnete Referent Prof. Dr. med. Jörg Spitz den sogenannten „Dinner & Experts“-Abend der kombinierten Bildungs- und Genuss-Initiative „Kronberg Fit – Brainfood … mit Köpfchen essen“.
Mal abgesehen davon, dass die wenigsten ad hoc den regelrechten Spiegel des Sonnenhormons Vitamin D (mehr als 30 Nanogramm pro Milliliter) präsent haben dürften, löste der begleitende Hinweis, selbst in Sommermonaten seien viele Menschen damit unterversorgt, doch teilweise Überraschung im Pubilium des Vortragsabends in der Zehntscheune aus.
Nach den Worten des Facharztes für Nuklear-, Ernährungs- und Präventionsmedizin leben wir in einer Welt, „die für uns Menschen letztlich nicht gesund ist“. Trotz gängiger Praxis in Deutschland, im Zuge der Rachitisprophylaxe, praktisch allen Kleinkinder im ersten Lebensjahr künstlich hergestelltes Vitamin D zu geben und der nachgewiesen positiven Auswirkungen der Sonneneinstrahlung auf den menschlichen Organismus, seien dem Großteil der Bevölkerung weder Wichtigkeit der Substanz noch für die Gesundheit relevante Zusammenhänge bekannt. „Vitamin D senkt unter anderem das Krebsrisiko, verhindert Bluthochdruck, schützt vor Diabetes und stärkt das Immunsystem“, brachte es der Experte auf den Punkt.
Einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge stieg die durchschnittliche Lebenserwartung im Zeitraum zwischen 1990 bis 2013 zwar von 65 auf 71 Jahre, allerdings hatten demnach lediglich 40 Prozent der Bevölkerung keine gesundheitlichen Probleme, ein Drittel dagegen mehr als fünf. Unter anderem falle, so der Professor, besonders ein Anstieg der Diabetes-Erkrankungen um 43 Prozent ins Auge. Vom Robert-Koch-Institut läge eine weitere Studie mit gleichem Fazit vor.
Lebensstil einer der Faktoren
Im Zuge nachfolgender Ursachenforschung und dem damit verbundenen prüfenden Blick auf den Lebenstil, sei man der ganzen Sache einen Schritt näher gekommen, denn neben dem Faktor, dass heutzutage üblicherweise sowohl von Kindern als auch Erwachsenen viel Zeit in Gebäuden oder Fahrzeugen verbracht wird, wirke sich zusätzlich die von Ärzten vertretene Meinung, zwecks Vermeidung von Sonnenbrand oder Hautkrebs nie ohne Sonnenschutz aus dem Haus zu gehen, wegen der blockenden Wirkung der Sonnenschutzmittel wiederum nachteilig auf die Versorgung mit dem Sonnenhormon aus. In diesem Zusammenhang rückte der Mediziner eine mit 30.000 schwedischen Frauen über einen Zeitraum von 20 Jahren jeweils in den Sommermonaten durchgeführte Studie des Karolinska-Instituts in den Fokus, wonach das Sterblichkeitsrisiko der Frauen, die Sommersonne mieden, doppelt so hoch gewesen sei wie das der Frauen, die täglich ein Sonnenbad nahmen. „Fazit: Wenn du unterbelichtet bist, musst du früher sterben“, sparte Prof. Dr. med. Spitz bewusst nicht an deutlichen Worten.
Ergo, vor dem Hintergrund der lebensnotwendigen Verfügbarkeit von Vitamin D für die Regulation zahlreicher Prozesse in vielen Körperzellen sei ein natürliches und gesundheitsbewusstes Verhältnis zum Sonnenlicht zwingend erforderlich, damit der Körper seiner natürlichen Aufgabe, über das Organ Haut selbst Vitamin D selbst herzustellen, nachkommen kann.
Zur Unterstützung dieses Prozesses empfiehlt sich, laut Spitz, in den Sommermonaten der Aufenthalt im Freien während der Mittagszeit, da dann die notwendige UV-Strahlung am wenigsten von der Atmosphäre absorbiert werde. „Allen, die davor wegen der allseits angemahnten Risiken zurückschrecken, kann ich versichern, es reichen im Hochsommer fünf bis zehn Minuten mit unbedeckten Armen und Beinen bereits aus, um eine ordentliche Portion Vitamin D zu bilden“, informierte der Präventionsmediziner, „das Gesicht sollte dabei allerdings mit Hut oder Kappe geschützt werden, da die Haut dort in der Regel eher zu viel als zu wenig Strahlung abkriegt und der Sitz von 70 Prozent aller weißen Hautkrebse ist.“
Vitamin D über Lebensmittel funktioniert nicht
Im weiteren Verlauf des Vortrags räumte das Vorstandsmitglied des „Europäischen Gesundheitsnetzwerks“ anhand anschaulicher Beispiele mit der häufig zu hörenden Auffassung, Vitamin D könne ausreichend auch über Lebensmittel aufgenommen werden, auf: „Wenn man in Wintermonaten von einem täglichen Bedarf von 4.000 IU (IU = Internationale Einheiten) für einen 70 Kilogramm schweren Erwachsenen ausgeht, müssten zwecks optimaler Versorgung 400 Gramm Wildlachs oder 2,5 Kilogramm Schweizer Käse verzehrt werden – Vitamin D zu essen, funktioniert also nicht!“
Da der Mensch das Sonnenhormon „in jedem Stadium unseres Lebens“ benötige, rate er dazu, den Vitamin D-Spiegel im Blut bestimmen lassen, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob er unter Umständen Maßnahmen zur Behebung einer Mangelsituation ergreifen sollte. Vitamin D zum Einnehmen gäbe es beispielsweise in Tablettenform oder als Tropfen, eine Jahresdosis koste durchschnittlich 30 bis 40 Euro. „Das sollte uns unsere Gesundheit wert sein!“ Im Winter empfehle sich eine Einnahme allemal, denn „unser Immunsystem ist dann nicht durch die Kälte, sondern den Vitamin D-Mangel geschwächt und daher grippale Infekte quasi vorprogrammiert.“ Als weitere Tipps gab der Mediziner dem Publikum vor dem anschließenden gemeinsamen Brainfood-Menü mit auf den Weg, natürliche Ernährung, optimale Versorgung des Wasserhaushalts, regelmäßige körperliche Aktivität und Sonne, periodisches Fasten, musizieren und singen, die Pflege sozialer Kontakte, Spiritualität und ausreichend Schlaf seien weitere und vor allem wichtige Beiträge, die man persönlich leisten könne, für ein gesundes Leben.
Anschließend standen neben Prof. Dr. med. Spitz mit dem Betriebsratsvorsitzenden bei der Accenture Service GmbH, Andreas Rauth, und dem Diplom-Biologen und Gesundheitsökonom Dr. Dieter Möller zwei „Kronberg-Fit“-Mitorganisatoren für weitere Fragen rund um die zweite Runde von „Dinner & Experts“ zur Verfügung, während die Küche der Zehntscheune die Gäste mit einem dreigängigem Brainfood-Menü verwöhnte.