Kronberg (mw) – Ein Kraftakt ist zu großen Teilen vollbracht: die Sanierung der Säle im „Großen Haus“ der Burg ist zwar noch nicht abgeschlossen, doch zu großen Teilen bewältigt und der erste Saal, der Terracottasaal, soweit fertig, dass er für Veranstaltungen frei gegeben werden konnte: Es war also Zeit, die Entwicklungsjahre der Burg Revue passieren zu lassen und diesen Moment in der Burggeschichte würdig zu feiern. Auch wenn die Fliesen, die dem Terracottasaal ihren Namen geben, an dem offiziellen Eröffnungsabend des Saales noch weitgehend abgedeckt blieben, weil sie noch einen Schutzanstrich erhalten sollen und aushärten müssen, stehen sie symbolisch für die Sanierung des großen Hauses mit seinen drei übereinander liegenden Sälen.
Gerungen und gestritten
An dessen Restaurierung haben Statiker, Architekten und Handwerker in enger Verzahnung mit dem Denkmalschutzamt in Wiesbaden und den ehrenamtlichen Baubeauftragen der Burg mit viel Herzblut mitgewirkt. In dem von 1318 bis 1320 vom Kronberger Ritter Hartmut erbauten Westflügel stammen verschiedene Bauteile, so auch einzelne Terracottafliesen, den Forschungsergebnissen zufolge aus dem Mittelalter, auch wenn die meisten „nur“ rund 100 Jahre alt sind und damit aus der Zeit stammen, als die damalige Burgherrin Kaiserin Friedrich die Burg restaurierte. Gerade die Bodenfliesen seien also ein Beispiel, wie um jedes Detail in der Burg „gerungen und gestritten“ wurde, erfuhren die geladenen Burggäste, die den Saal bis auf den letzten Platz füllten, von Dr. Verena Jakobi vom Denkmalschutzamt aus Wiesbaden. Hier galt es, wie an beinahe jeder anderen Stelle des mittelalterlichen Gemäuers auch, Lösungen zu finden, das Altehrwürdige möglichst unangetastet zu lassen und zu schützen, gleichzeitig aber die Burg nutzbar zu machen, um Einnahmen zu generieren und sie damit für zukünftige Generationen zu sichern.
10 Millionen Euro für die Burg
Von allen Rednern überzeugend, ja spannend, aufbereitet wurde dieser Prozess der großflächigen Sanierung, der mit dem Bau des Treppenturms 2009 seinen Anfang genommen hatte. „Für den Bau des Treppenturms haben wir 600.000 Euro als Stadt dazu gegeben“, blickte Bürgermeister Klaus Temmen in seinem Grußwort zurück. „Aber alles hätten wir nie allein stemmen können.“ Seit 1995 sind 10 Millionen Euro in die Burg geflossen. 5,16 Millionen Euro sind über die Jahre seitens der Stadt Kronberg, 4,1 Millionen Euro wurden über die Burgstiftung an Spenden akquiriert, (3 Millionen Euro davon stammen von der Liselott und Klaus Rheinberger Stiftung), 336.000 Euro durch den Burgverein sowie 100.000 Euro sind von Land und Bund geflossen, wie die Vorstandssprecherin der Stiftung Burg Kronberg, Martha Ried darlegte. Ganz zu schweigen von den vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden, die allein in ihrem Wert, würde man sie in Geld messsen, ebenfalls 1 Million Euro ausmachen würden, wie sie erwähnte.
Doch die ersten Jahre musste zunächst viel Geld allein in Sicherungsmaßnahmen investiert werden. Die Restaurierung und Sanierung des „Großen Hauses“ mit Bau des Treppenturms, Burgdurchbruch, Sanitäranlagen und Küche im Keller, mit der kompletten Technik und der Restaurierung der drei Säle werden bis zur letzten Aufarbeitung der Wappen an den Wänden im Wappensaal etwa 4,3 Millionen Euro verschlingen. 350.000 Euro fehlen noch, deshalb werden weitere Spenden, egal ob groß oder klein, gerne entgegen genommen, wie Ried betonte.
Ehrengast Rheinberger Stiftung
Wen wundert es da, dass an diesem Abend der Ehrengast der Hauptsponsor war: die Rheinberger Siftung. Martha Ried, Klaus Temmen als auch der Stiftungsratsvorsitzender der Rheinberger Stiftung, Hans Dieter Heeb, erinnern sich gerne an den besonderen Tag im Jahr 2010 zurück, an dem der inzwischen verstorbene Mäzen Klaus Rheinberger zunächst auf der Burg und später im Rathaus verkündete, er habe sich entschieden, für die Restaurierung des Haupthauses 2 Millionen Euro zu spenden. „Ich glaube, diesen Tag werde ich nie vergessen“, sagte Martha Ried, die damals genauso wie der Rathauschef einen Moment lang sprachlos waren. 1 weitere Million entschied sich später der Stiftungsratsvorsitzende Heeb selbst in die Burg zu stecken, frei nach der Devise seines verstorbenen Arbeitgebers: „Was wir angefangen haben, bringen wir auch zu Ende!“. „Umso mehr freue ich mich heute, dass der Saal fertig geworden ist“, verkündete Heeb zur Eröffnung, bei der der Cellist István Vardai von der Kronberg Academy zur Begrüßung und zum musikalischen Intermezzo Bach und Cassado spielte.
Historisches Ambiente erhalten
Interessante Einblicke in die Bauarbeiten gaben der Kunsthistoriker Dr. Gerd Strickhausen, der die Burg seit zwölf Jahren erforscht und auch Dr. Verena Jacobi. „Der Raum hat seine Patina und seine historische Atmosphäre erhalten“, erklärte sie. Genau das sei auch beabsichtigt worden. Entfernt wurde in dem Saal nur der Schmutz, die Decke verstärkt, statisch jedoch nicht sichtbar, weil sie durch in den Balken versteckte Stahlschwerter ertüchtigt wurde, der Hausschwamm durch Austausch der betroffenen Hölzer und den Einbau einer Fußbodenheizung „hoffentlich verbannt“. Die Terracottafliesen wurden schließlich nach langem Diskussionprozess und mehrerer verworfener Ideen nicht mit einer Schutzschicht bedeckt, aber auch nicht neu verlegt, sondern es wurden als Kompromiss Risse, Ausbrüche und Fehlstellen ersetzt. Bei ganzen Fliesen, die ausgetauscht werden mussten, wurde das florale Muster der Kacheln nur angedeutet, sodass die Besucher an jeder Stelle neu von alt unterscheiden können, wie Jacobi erläuterte.
Geniale Lösung
„Eine wirklich geniale Lösung“ sei dem Arbeitsgruppenteam bei der Heizung gelungen, die nun bei Veranstaltungen für wohltemperierte Räume sorgt und dafür, dass der Hausschwamm nicht zurückkommt: Die Gäste konnten sich im Keller von der einfallsreichen Fußbodenheizung, die dort in der preußischen Kappendecke montiert wurde und durch das dicke Backsteingewölbe und die Terracottafliesen den Saal beheizt, überzeugen. Aber auch von den dezent angebrachten Beleuchtungskörpern und der Schienenaufhängung für Ausstellungen und den aufgearbeiteten und geölten Fenstern.
Hanauer Künstlergruppe zu Gast
Zur Einweihung des Saals zeigt die Hanauer Künstlergruppe „Art 13 – Werkstatt für Kunst“ „eine abwechslungsreiche Schau, Malerei, Fotografie und Zeichnung mit Burgmotiven. Sogar die Mitstreiter in der Burgarbeitsgruppe sind alle porträtiert worden und zwar von der Architektin des Bauteams, Brigitte Zippert. Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Mai zu den Burgöffnungszeiten im Saal zu sehen.
Gelungene Zusammenarbeit
Wie auch ihre Vorredner aus dem Bauteam machte Zippert, als Letzte im Bunde der Redner, amüsant verpackt klar, dass hier drei Jahre „professionell, respektvoll und kollegial“ miteinander gearbeitet wurde. „Eine einmalige Sache, wie ich sie zuvor noch nicht erlebt habe“, betonte die Architektin. Wie die Ritter der Tafelrunde gemeinsam an den Hochzeitsvorbereitungen gearbeitet hätten, bei denen es galt, eine alte Braut (die Burg) mit einem jungen Bräutigam (Nutzbarmachung der Räume) zu vermählen, hätten alle Beteiligten den „Ehevertrag“ ausgearbeitet, „ein planerischer Klimmzug“. Denn zu jeder Zeit war klar, die Veränderungen sollten sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen, möglichst gar nicht auffallen, aber trotzdem für die gewünschte Funktionalität sorgen. „Zu jedem Zeitpunkt war klar, bei einer Trennung von Braut und Bräutigam darf zwar Letzterer weitgehend unbrauchbar werden, die Braut aber muss unversehrt bleiben!“ Das Verständnis für die Geschichte der Burg sei jedoch sofort da gewesen, auch bei den Handwerkern, und so habe man oftmals wie auf dem Basar um jedes zu bohrende Loch verhandelt.
„Der Erwerb der Burg war damals aus einer Initiative der Bürgerschaft goldrichtig, ja zwingend notwendig“, erinnerte Temmen an den Burgerwerb 1992. Nun aber sei ein weiterer Meilenstein in der Burggeschichte gelungen und „wenn ich sehe, wie viel Arbeit das ist, weiß ich gar nicht, wie Sie das hier alles stemmen“, richtete er seinen „speziellen Dank“ an alle Burgaktiven. „Heute können wir zurückblicken auf das, was geleistet wurde durch das ehrenamtliche Engagement aller Menschen“, die hier, ob im Stiftungsrat, im Burgverein oder im Bauarbeitskreis , auf „sehr vernünftige Weise“ die Burgerhaltung vorangetrieben hätten, so formulierte Stiftungsratsvorsitzender der Burg, Gerold Dieke. „Heute können wir stolz sein, auf den Sprung in der Geschichte der Burg. Was hier in 20 Jahren passiert ist, mache auch die Zukunft der Burg ein Stück sicherer. Grund genug, um nach den Reden und einem abschließenden fröhlichen Klavierduett von Irina Bykova und Sergej Korolev die Austellung, vor allem aber den restaurierten Terracottasaal gebührend in Augenschein zu nehmen, um sich anschließend mit exquisiten Speisen am Buffet im Burghof bei anregenden Gesprächen gut zu unterhalten.