Im Wappensaal wurde schon vor über 100 Jahren „gefakt“

Kronberg (war) – Im Juni weihte der Burgverein den Wappensaal in der Mittelburg feierlich ein. Mittlerweile fanden in dem Raum, der zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 umfassend restauriert wurde, erste kulturelle Veranstaltungen und Feierlichkeiten erfolgreich statt. Die einmalige Atmosphäre des Saales lässt kaum einen Besucher unbeeindruckt. Der Akustiktest mit dem gerade gespendeten Konzertflügel fiel bei der ersten darin durchgeführten Musikdarbietung ebenfalls positiv aus. Welche (Kraft)-Anstrengungen und zahlreichen Arbeitsschritte vonnöten waren, um die „Gute Stube Kronbergs“ – wie Landrat Ulrich Krebs den Saal während seiner Rede im Rahmen der Einweihung treffend bezeichnete – in den jetzigen Ist-Zustand zu bringen, darüber berichtete kürzlich die Diplom-Restauratorin Franziska Müller im Rahmen der diesjährigen Vortragsreihe im Wappensaal. Müller unterhält zusammen mit zwei weiteren Restauratorinnen, Susanne Heym und Katrin Elsner, die Arbeitsgemeinschaft Denkmalteam fmk. Das Kürzel steht für Frankfurt/Mainz/Köln und umreißt das derzeitige Einsatzgebiet der drei Fachfrauen, die sich auf die Restaurierung und Konservierung von Wandmalereien und Objekten aus Stein spezialisiert haben. Müller oblag die Fachbauleitung während der aufwändigen Sanierung, welche maßgeblich durch pekuniäre Zuwendungen der Lieselott-und-Klaus-Rheinberger-Stiftung sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und vieler weiterer Mäzene finanziert wurde. Die Restaurierung selbst führten die Kölner Restauratorinnen Michaela Janke und Friederike Funke aus, die wiederum wegen des knappen Zeitplans je nach Bedarf auf weitere Fachkräfte zurückgriffen. So gelang es letztendlich dank hoher Disziplin von allen Seiten, den angesetzten engen Zeit- und Kostenrahmen vorbildlich einzuhalten. Einleitend führten die fmk-Expertinnen unter Absprache mit Frau Dr. Verena Jakobi vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen eine genaue Bestandsaufnahme des Saals durch. Insbesondere durch einen Wasserschaden im Jahr 1994 hatten die Wandmalereien des Raumes, die Ende des 19. des Jahrhunderts im Auftrag von Kaiserin Friedrich durch den Kunstmaler Julius Hembus und Kirchenmaler Karl Grätz angebracht waren, schweren Schaden genommen. Die aufgemalten Wappen, von denen der Saal seinen Namen ableitet, hatten sich teilweise bis zur fast völligen Unkenntlichkeit, vor allem durch so genannte Manganverbräunungen, verfärbt. Die wirksame Bekämpfung des Hausschwamms in den Deckenbalken hatte zudem im Deckenbereich das partielle Abschlagen größerer Flächen des historischen Putzes erfordert, um die befallenen Holzbalkenteile auswechseln zu können. „Eine echte Herausforderung stellte für uns die Sanierung der Putzfelder zwischen den Deckenbalken dar. Problematisch war hier, dass die Lehmplatten aus bauphysikalischen Gründen keine allzu feste Haftung mit dem darauf aufgesetzten Kalkputz eingehen können“, verriet die Referentin. Weiteres Sorgenkind war der Kapellenerker mit seinen großen Fensterflächen, da in diesem durch seine exponierte Lage ein extrem unstetes Raumklima mit starken Temperaturschwankungen herrscht. Das hatte den Putz mit den aufgebrachten Sakralmalereien extrem mürbe gemacht. Eine hochinteressante Erkenntnis war, dass Hembus und Grätz beim Anbringen ihrer ursprünglichen Malereien getrickst – oder neudeutsch ausgedrückt „gefakt“ – haben, indem sie ihre Malereien von Beginn an älter aussehen ließen als sie wirklich waren. Dazu unterzogen sie ihre Freskierungen teilweise einer Art Schmutzwasserbehandlung („acqua-sporca“), um auf diesen einen Grauschleier zu erzeugen, der dem Betrachter eine natürliche Alterung vortäuscht. Weitere Tricks waren das bewusste Anlegen von Stockflecken im Putz. Selbst vor dem Durchscheinen angeblich früherer Malereien und ursprünglicher Konstruktionszeichnungen scheuten die beiden Künstler nicht zurück. Zugute kam dem Restauratorinnenteam bei ihrer Arbeit, dass um 1990 die Malereien im Wappensaal noch einmal genau dokumentiert worden waren, bevor der Wasserschaden eingetreten war. Auch liegen von Hembus noch zwei gut erhaltene Entwurfspläne vor, die zeigen, wie er sich die Ausmalungen im künftigen Wappensaal vorstellte. Einer der Entwürfe wurde dann, sicherlich nach Genehmigung durch die Kaiserin, anschließend weitgehend realisiert.

Eine wichtige Empfehlung gab die Referentin dem Auditorium am Ende ihrer spannenden Ausführungen noch mit: Den vorsichtigen Umgang mit den frisch renovierten Malereien, denn diese sind mit Leimfarben an den Wänden aufgebracht und reiben bzw. pudern sich demzufolge im Gegensatz zu den heute üblichen Dispersionsfarben bei jeglicher Berührung sehr leicht und schnell ab. Daher ist ein Kontakt mit diesen durch Textilien und andere Gegenstände oder gar durch Anfassen mit den Händen möglichst zu vermeiden.



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