Fichtegickelshausen (pu) – Der fünften Jahreszeit entsprechend ist die Burgstadt in diesen Tagen fest in Narrenhand. Demgemäß wurden Narren und Narrhalesen in der buntfröhlichen Narhalla im Haus Altkönig beim auf ein 115-jähriges Bestehen zurückblickenden Karnevalverein 1902 Oberhöchstadt (KV 02) Zeuge, wie am letzten Wochenende Sitzungspräsident Orlando Kieser Bürgermeister Klaus Temmen zur Übergabe der Rathausschlüssel aufforderte. Bevor jener sich endgültig in sein Schicksal ergab, lenkte er den Blick auf seiner Meinung nach Erwähnenswertes. „Im Ort gibt‘s einen neuen Schatz, den Porto-Recanati-Platz!“ Ein Kleinod sei er dank eines Paradebeispiels für Bürgerengagement geworden, nachdem auf Initiative der beiden Vereine Heckstadt Freunde Oberhöchstadts und Partnerschaftsverein Kronberg-Porto Recanati viele an einem Strang gezogen hatten, um dieses mit viel Herzblut realisierte Projekt zu stemmen. Neben dem großen Feuerwehrjubiläum und dem zweimaligen Klau des Kerbe-Schorschs kam die Veränderung im Dalles-Haus zur Sprache. „Im Dalles-Haus ist ein neuer Gastronom, da kannste indisch essen gehn. Doch wenn‘s dich mal quält und auch mal drückt, dafür hat die Familie Hardip/Dhadwall die Nette, das System der „Netten Toilette“.
„Lieber Gott beschütz uns alle“
Sobald der mit rotem Bleistift bewaffnete Protokoller Hans-Georg Kaufmann in die Bütt marschiert, weiß die Lokalpolitik, was die Stunde geschlagen hat. „Lasst mich mal ganz deutlich sprechen, Kronberg braucht Gewerbeflächen. Denn ohne die, da gehn oh Graus, in Kronberg bald die Lichter aus!“ Den Narrenspiegel vorhalten lassen mussten sich gleichfalls Eltern von Grundschülern. „Von allen Seiten kamen sie, mit ihren Pick Ups und den SUV, um genau vor der Schultür, ich will nicht hetzen, ihre Kinder abzusetzen. So kam es dort vor bisweilen, dass sich die Autos so verkeilen, dass ein Vorwärtskommen ganz und gar, so gut wie nicht mehr möglich war“, skizzierte der Karnevalist bildhaft das übliche morgendliche Verkehrschaos. Ob das von der Stadt für drei Monate zur Probe verhängte Parkverbot allerdings der Weisheit letzter Schluss sei, müsse sich noch erweisen.
Neben dem geklauten Kerbe-Schorsch die „größt‘ Blamage im letzten Jahr, das Derby gegen Kronberg war“. Nach den acht im Tor der SG Oberhöchstadt eingeschlagenen Kronberger Treffern „konnt man sich ja, in Kronberg kaum mehr sehe lasse“. Die Zornesröte trieben ihm sowohl die Zunahme der rechten Kräfte, die Folgen der Trump-Wahl „lieber Gott beschütz uns alle“, „gewaltbereite Chaoten, die im Fußball nichts verlorn ham“ sowie die durch den Fall des Berliner Attentäters ans Licht gekommenen Unzulänglichkeiten der Sicherheitsbehörden ins Gesicht. „Im ganzen Land, war er doch als Gefährder bekannt. Der Staat hätte es verhindern können, die Frage stellt sich indes, wollte er es? Der Anschlag ist doch im Grund genommen, genau zu einer Zeit gekommen, wo man, ohne das Gesicht zu verlieren, konnt seine Asylpolitik neu justieren!“ Ein Vergnügen dagegen die Spontanaktion einiger Wackerer um Holli Pritzer und CGK nach dem wegen schlechten Wetters ausgefallenen letztjährigen Oberhöchstädter Fastnachtsumzug. „So feierte ein kleiner Kreis, zum Lied ‚I‘m singing in the rain‘ rund um den Dallesbrunnen, wie ich weiß“.
Nachwuchsstars
Ausrufezeichen setzten in einer äußerst unterhaltsamen und kurzweiligen weil auch gestrafften Sitzung zwei Nachwuchsstars. Zum einen das einer Vollblut-Fastnachterfamilie entstammende „Puber-Tier“ namens Nicolas „Nikki“ Reinhardt mit seinem geschliffenen Vortrag.
„Jetzt nutze ich die Narrenfreiheit von früh bis spät, mit der Ausrede, ich bin halt in der Pubertät“, gab er zum Besten. Die Vorzüge der „Vollpension all inklusive im Hotel Mama“ genießend, praktiziert er die als neueste exotische Sportart bekannte asiatische Kampfkunst „Schla-Fen“, fordert vom Rest der Familie zum Betreten seines unordentlichen Zimmers eine Einreisegenehmigung. Seine Oma hat es dagegen faustdick hinter den Ohren, fällt der Seniorin doch bei der Frage des Enkels, was er denn unter einem Liebhaber zu verstehen habe, siedendheiß ein: „Ei Bub, jetzt, wo du es sächst, der Schorli steht ja noch im Kleiderschrank!“ Das Schäferstündchen scheint allerdings ein Weilchen her zu sein – Schorli grüßt nur noch als Skelett. Urkomisch Steffen Reiters auf die Spitze getriebene Beschreibung einer ob Vaters Midlife-Krise genervten Familie. Im Rausch der Gefühle und völliger Selbstüberschätzung heimlich von zwei Zwanzigjährigen träumend, obwohl er nach Meinung seines Sohnes „genau genommen, schon mit einer überfordert wäre“, sieht die nüchterne Wahrheit völlig anders aus: „Statt love and peace, heißt es nur noch, Frau, wann bringst du mir, die Fernbedienung und mein Bier!“ Nicht nur beim Mann-zu-Mann-Aufklärungsgespräch versagt Papa mehr als kläglich, in seiner Vergesslichkeit wähnt er sein Auto in der Stadt parkend und findet es nach stundenlanger Suche – dahaam in der Garage. Geschüttelt von einem ganzen Blumenstrauß eingebildeter Wehwehchen beschäftigt er als Stammgast Arzt und Apotheker, vermutet sich alsbald im Himmel, weshalb er voller Begeisterung jede sich bietende Beerdigung besucht, um für die Planung des eigenen Begräbnisses gewappnet zu sein. „Uns würde nicht wundern, wenn er sich einbildet, seine eigene Grabrede halten zu können!“
Problemzonen
Den Problemzönchen des zunehmenden Alters rückten Hedwig und Hannelore (Ina Stincombe und Gabi Luxem) im Wellness-Center mit überschaubarem Erfolg, dafür die Zwerchfellmuskeln strapazierenden Erkenntnissen zu Leibe. „Sämtliche Körperteile sind net mehr da, wo sie waren und ganz ehrlich, vermutlich finden sie den Weg auch nicht mehr zurück“, erkannten sie scharfsinnig
„Ihr seid alle gleich, wie Fallobst weich und Eure Unnerhos könnt man Rüsselsheim nennen“, warf Leoparden-Lilly Anneliese Hecking ihrem männlichen, in blauer Schlabber-Jogginghose und feingeripptem Unterhemd daherkommenden männlichen Gegenpart Ulrich Heinecke an den Kopf, dessen Konter auf dem Fuß folgt: „Warum gibt es auf der Welt mehr Frauen als Männer? Ganz klar, es gibt halt mehr zu putze als zu denke!“ Göttlich „Anner und Ulrichs“ sämtliche Klischees bedienender Geschlechtervergleich mit Autos. Demnach entwickeln sich weibliche Wesen im Laufe der Jahre vom rassigen Porsche zum Omnibus während die Herren der Schöpfung schließlich wegen Fehlzündungen im Auspuffrohr und verrosteter Einspritzdüse das Mindesthaltbarkeitsdatum überschreiten. In perfekter Manier präsentierten die Kronberger Scherzbuben (Michael Arndt und Hans-Georg Kaufmann) erst in Noten verfasste Kronberger Ereignisse und leiteten über zum Oberhöchstadt Lied „weil Frohsinn uns zusammenhält“. Den Vogel der zweiten Hälfte schoss allerdings Zoolooge Orlando Kieser ab mit seinem Versuch, ein Exemplar der vom Aussterben bedrohten Oberhöchstädter in freier Wildbahn zu fangen. „Wie Sie sehen, sehen sie nix“, hob er achselzuckend die leeren Hände. Verwunderlich sei das keineswegs, denn im Gegensatz zum forschen, wenn nicht vorlauten Kronberger sei der Oberhöchstädter von Haus aus sehr scheu und zurückhaltend. Deutliche Abweichungen auch in Sachen Ernährung: „Während der Kronberger in fremden Gärten nach Regenwürmern und Engerlingen zur Deckung seines Eiweißbedarfs sucht sowie zu 90 Prozent von Fisch wie Lachsschnittchen und Kavier lebt, ernährt sich der zu den Fleischfressern zählende Oberhöchstädter von kiloweise Rinds- und Bratwürstchen und macht auch vor Schweinemett nicht halt!“
Salz in der Suppe
Kaum zu glauben aber wahr, die „Dalles Dreamboys“ gibt es schon seit 35 Jahr. Damit wäre der Bogen zum „Salz in der Suppe“ – den tänzerischen Darbietungen geschlagen, die sämtlich eine Augenweide waren. Das Männerballett brillierte mit seiner Version von Mary Poppins, die kleine Garde mit „Let‘s dance“, die mittlere Garde mit bunter „Beach-Party“ bei der final die Wasserbälle ins Publikum flogen und die Große Garde brachte die Halle unter dem Titel „Kamadoate“ mit Trommeln, tollen Kostümen und perfekter Performance zum Toben, sodass die „Frankfurt Breaker“ nahtlos mit ihren schmissigen Klängen anknüpfen konnten.
Das bunte Programm wurde abgerundet durch Stimmungssängerin Chris Malu und eine Kostümprämierung. Die Jakob-Sisters, zwei Zahn-Feen, eine Meerjungfrau, eine Hexe und ein bunt gekleidetes Ehepaar hatten mit ihrer kreativen Wahl aus der Masse herausgestochen.
Unsäglich dagegen eine Handvoll von Gästen, die permanent durch laut geführte Gespräche und Nörgeleien auffielen, wodurch sich Vortragende schließlich sogar dazu genötigt sahen, um mehr Ruhe bei den Vorträgen zu bitten. Diese Randnotiz kann allerdings den positiven Gesamteindruck in keiner Weise schmälern – ein dreifach donnerndes „Oberhöchstadt und KV 02 – Helau“!