B-Plan Bleich-/Bahnhofstraße: Kompromiss ermöglicht 19:12-Mehrheit für Offenlage

Seit Monaten war das Geschehen in der Burgstadt von Covid-19-Pandemie, Wahlkämpfen und hitzigen Diskussion um den Bebauungsplan Bleich-/Bahnhofstraße geprägt. Vor der Neuformierung der künftigen Gremien haben sich Lokalpolitik und Bevölkerung ein wenig österliche Entspannungszeit verdient. Die Mitglieder des Aktionskreises Lebenswerte Altstadt haben die Innenstadt mit Hasen und von den Kitas kreierten Ostereiern geschmückt. Eine mehr als willkommene Abwechslung im deutlich spürbaren Pandemie-Blues! Das Foto zeigt den Hasen-Aufstell-Trupp um den Vereinsvorsitzenden Thorsten Buss (ganz rechts).

Foto: Altstadtkreis

Kronberg (pu) – Ein Mix aus Kompromiss verknüpft mit aus den Reihen der Fraktionen auf den Tisch gelegten Änderungsvorgaben war letztendlich der nach zähem Ringen gefundene Lösungsweg zur mehrheitlich getragenen Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung zur Offenlage des heiß diskutierten Entwurfs des Bebauungsplanes Nr. 155 „Bleichstraße-Bahnhofstraße“ zur Beteiligung der Öffentlichkeit, Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange. Für die auf diese Weise geänderte Magistratsvorlage gaben 19 Abgeordnete von CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und Unabhängiger Bürgergemeinschaft (UBG) grünes Licht, während vor allem die FDP und die Parlamentarier der Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ (KfB) mit „Nein“ (in der Summe 12) stimmten. Beim gewählten Ausweg aus einer verzwickten Lage folgte die Parlamentsmehrheit im Endeffekt mit Abstrichen teils der Magistratsempfehlung und teils dem Stadtplanungsamt mit Erstem Stadtrat Robert Siedler (parteilos) an der Spitze. Wie bereits mehrfach berichtet wichen die Meinungen des Magistrats, der verantwortlich für die Stadtverordnetenvorlage zeichnete, in Bezug auf die Folgen möglicher Festsetzungen für eine künftige Bebauung von der Siedlers und des Stadtplanungsamts ab. Hauptsächlicher Streitpunkt waren die Höhen der künftigen Gebäude.

Einzelheiten des Kompromisses

Auf den Punkt gebracht überwog letztendlich einerseits das Grundstück des ehemaligen Kronberger Hofs betreffend die vom Magistrat vertretene Auffassung, beim vordersten der insgesamt drei geplanten Gebäude zwecks homogenerer Einfügung in das umliegende Gebiet ein Stockwerk weniger zulassen zu wollen. Andererseits setzten sich für den Bereich der Bahnhofstraße gegenüber dem Hotel die Fürsprecher für die Errichtung eines möglichen zusätzlichen Geschosses durch.

Zweifelsfrei eine schwere Geburt! Nicht nur, weil es nach abermals eineinhalbstündiger emotional geführter Diskussion einer von der FDP beantragten Sitzungsunterbrechung zur Beratung in den Fraktionen bedurfte. Sondern weil schon zuvor trotz zeitnah stattgefundener Sondersitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) samt Ortsbegehung, Veranschaulichung des Sachverhalts über Zeichnungen sowie durch jeweils in das bestehende Modell des Bahnhofsquartiers eingesetzten zwei Varianten kleiner Bauklötzchen mit den jeweiligen Gebäudehöhen die Entscheidung von Februar in den März vertagt wurde (wir berichteten).Daraus resultierend mussten die Mandatsträger eine Woche vor Ablauf der Wahlzeit am gestrigen 31. März in die Verlängerung gehen.

Schwieriger Fall

Wie Baudezernent Siedler zum Einstieg in den Tagesordnungspunkt unterstrich, ist die Beurteilung über diese Angelegenheit deshalb so schwierig, weil über eine „bestehende Destinationsfläche ein Bebauungsplan gezogen werden muss“. Darüber hinaus schickte er sieben Punkte voraus, die im Vorfeld der jüngsten Stadtverordnetenversammlung von Seiten des Stadtplanungsamts noch korrigiert oder angeglichen worden waren, wie tiefer gesetzte Bezugspunkte um 50 bis 80 Zentimeter, wodurch die künftigen Gebäude „nicht mehr so hoch herauskommen“, Wand- und Firsthöhen, Berücksichtigung von Leitungsrechten oder textliche Veränderungen.

Zurückgewiesene Kritik

Des Weiteren widersprach er scharf der harschen Kritik der FDP-Fraktion, die bemängelt hatte, in der am 18. März vom Magistrat veranstalteten digitalen Sondersitzung sei die Visualisierung der zu erwartenden Bebauung zu wenig aussagekräftig gewesen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Walther Kiep hatte von einem ernüchternden Ergebnis – zweidimensionale Zeichnungen aus lediglich zwei Blickrichtungen – gesprochen (wir berichteten). „Die Zentralperspektive war durchaus dreidimensional“, widersprach Siedler gegenteiligen Behauptungen.

Aus dem Hut gezaubert

Sowohl diese Aussagen als auch die Nachjustierungen sorgten wiederum bei den Kritikern der möglichen Bauvorhaben für Unverständnis. Noch einen drauf in Sachen Stimmungsanheizer setzte dann der ASU-Vorsitzende Max-Werner Kahl (CDU), der offenkundig für FDP und KfB überraschend einen Änderungsantrag aus dem Hut zauberte.

Im Fokus dabei der Bereich der Bahnhofstraße gegenüber dem ehemaligen „Vienna-House“-Hotel. Kahl warb für die Ermöglichung der Errichtung eines zusätzlichen Geschosses unter der Beachtung, dass die Firsthöhen nicht höher als die tatsächliche Höhe des gegenüberliegenden Hotels festgesetzt werden. Ein Teil der obersten Geschossflächen soll straßenseitig frei bleiben, sodass nur circa 75 Prozent des letzten Geschosses bebaut werden können mit dem Planungsziel, die neuen Baukörper harmonisch abgetreppt der gewachsenen Hangtopographie anzupassen. Um das Ganze besser zu veranschaulichen, verteilte der Architekt Skizzen des Vorschlags an die Abgeordneten. Des Weiteren unterstrich er die Wichtigkeit der Beachtung der Zisternensatzung im Plangebiet des Bebauungsplanes und eine wünschenswerte Verwendung von ökologischen Baumaterialien. Kahl begründete seinen Vorstoß damit, an dieser Stelle solle der städtebaulich begründeten Expertenmeinung gefolgt werden und mit dem Antrag Schaden abgewendet werden, da nicht auszuschließende Abwägungsfehler zu Entschädigungsansprüchen gegenüber der Stadt führen könnten. Aus diesem ursprünglichen Änderungsantrag der Christdemokraten wurde im Übrigen final ein von CDU, SPD und UBG getragener interfraktioneller.

Bürgerbauchgefühl

Max-Werner Kahls Forderung, der Expertenmeinung zu folgen, setzte der KfB-Stadtverordnete Rainer Schmidt das „Bürgerbauchgefühl“ entgegen. Und dieses sei erheblich belastet, weil es offenbar „immer noch nicht möglich ist, aus den Gelände- und Plandaten ‚im Handumdrehen‘ ‚einfach so‘ eine digitale Kamerafahrt rund um das Gelände und hindurch zu generieren, obwohl die deutsche Industrie führend in Sachen Computeranimation und Gamedesign ist“. Provokant stellte er die Frage in den Raum, warum sich „die Verantwortlichen nicht endlich einmal Entwicklungs- und Projektpartner suchen, für die solche Visualisierungen wie selbstverständlich zum Paket gehören?“ Dazu ein Dezernent, der – statt den Entwurf seines Entscheidungsgremiums, des Magistrats, zu verteidigen – , „nicht müde wird, das Damokles-Schwert einer Entschädigungsforderung zu schwingen und zu erklären, das eigentlich einzige Instrument der demokratischen Bauleitplanung, das Errichten von Bebauungsplänen, sei nicht nur stumpf, sondern müsse sich daher eher am Maximum des nach §34 Erreichbaren orientieren.“ Um eben jenem entgegenzuwirken, sei die zweimalige Veränderungssperre beschlossen worden und werde ein B-Plan aufgestellt, „weil wir ein Gebiet maßvoll entwickeln und an die Umgebung anpassen wollen … und das gegebenenfalls schonender und zurückhaltender, als es ein Eigentümer zur Maximierung seiner Investition tun würde.“

Notlage/Faust in der Tasche

Weil die Veränderungssperre am 25. Juni ausläuft und ohne Bebauungsplan-Satzung weiterhin Paragraf 34 des Baugesetzbuchs (Bau GB) gilt, sprach Bündnis90/ Die Grünen-Vorstand Udo Keil von einer Notlage für das 2,8 Hektar umfassende Gebiet an zentraler Stelle in der Burgstadt. Weil seiner Fraktion vor allem die im ursprünglichen Magistratsentwurf enthaltene machbare Überschreitung der Grundflächenzahl (GRZ) durch Tiefgaragen, Zufahrten, Wege und Stellplätze, wodurch die Versiegelung Keils Berechnung nach auf 69 Prozent oder 19.561 Quadratmeter angestiegen wäre, ein Dorn im Auge war, brachten die Grünen mit allem Nachdruck die Reduzierung des Stellplatzangebots auf einen Platz pro Wohneinheit ins Spiel. Diese Änderung wurde final mit 15 Ja-Stimmen bei zehn Gegenstimmen und sechs Enthaltungen mehrheitlich angenommen; für die Forderung, dass pro Wohneinheit zwei Fahrradabstellplätze vorzusehen und mindestens 75 Prozent der Fahrradabstellplätze in abschließbaren Garagen unterzubringen sind, votierten 14 Abgeordnete bei fünf Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen. Nicht durchsetzen konnten sich Bündnis90/Die Grünen dagegen mit dem Wunsch, 50 Prozent der Stellplätze mit einer Stromzuleitung für Ladesäulen für Elektroautos zu versorgen.

Die in seiner Partei herrschende Gefühlslage umschrieb Keil mit den Worten: „Wir sind gezwungen, dieser Vorlage und den gestellten Änderungsanträgen, mit der Faust in der Tasche, zuzustimmen. In Zeiten der Klimakrise sollten solche Beschlüsse, in Zukunft, aber dringend auf ihre Auswirkungen auf Klima, Wasserhaushalt und Biodiversität stärker hinterfragt werden.“

Rückendeckung beim Ziel, der übermäßigen Versiegelung des Bodens durch die geplanten Baumaßnahmen Einhalt zu gebieten, erhielt die Klima-Partei durch die Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“, die jedoch mit ihrem eigenen Antrag, den der Stadtverordnete Dr. Jochen Eichhorn erörterte, scheiterte.

Kiep moniert CDU Verhalten

In Anknüpfung an die im Vorfeld der Stadtverordnetenversammlung auch im Kronberger Boten zu lesenden Pressemitteilungen untermauerte der Fraktionsvorsitzende des FDP-Ortsverbands, Walther Kiep, nochmalig die Position seiner Partei, die für den ursprünglichen Magistrats-Entwurf plädierte. Im Nachgang bemerkte Kiep spitz: „Mit der Zustimmung von SPD und UBG zu dem Änderungsantrag der CDU haben alle drei Parteien ohne Not der Aufstockung der Gebäude zugestimmt, was das Bild des Bahnhof Quartiers negativ beeinflussen wird. Gerade die CDU hat im Wahlkampf noch ganz andere Grundsätze vertreten.“

Wohnraum Vorzug geben

Von der seiner Auffassung nach unsäglichen vorschnellen Einsortierung in eine Schublade, entweder in die der „Verhinderer“ oder in die der „Investorenfreundlichen“, sprach der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas. Dabei ginge es im vorliegenden Fall und mit Blick auf dringend zu schaffenden Wohnraum doch vielmehr darum, „den Spagat zwischen dem rechtlich Machbaren und dem städtebaulich Wünschenswerten hinzubekommen“. Diesen Ball griff der UBG-Fraktionsvorsitzende Erich Geisel auf, der betonte: „Wir sollten dem Wohnraum den Vorzug geben!“



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