Entscheidungsfindung zum Verkauf dreier städtischer Grundstücke

Die Kläranlage „Im Tries“ Foto: Puck

Kronberg (pu) – Nach einer Empfehlung des Magistrats der Stadt Kronberg im Taunus hat eine zwanzigstimmige Parlamentsmehrheit bei zehn christdemokratischen Enthaltungen per Beschluss den Verkauf der städtischen Grundstücke Gemarkung Kronberg Flur 14 Nr. 1/18 (6.382 Quadratmeter), 1/19 (4.686 Quadratmeter) und 1/20 (2.911 Quadratmeter) per Beschluss an den Abwasserverband Kronberg genehmigt.

Der Gesamtkaufpreis beträgt bei 15 Euro pro Quadratmeter insgesamt 209.685 Euro. Dieser Quadratmeterpreis entspricht nach Angaben des Ersten Stadtrats Heiko Wolf (parteilos) dem, den die Stadt für die Ausgleichsflächen im Bereich Bendersee gezahlt hat. Er liegt über dem Bodenrichtwertfür landwirtschaftlich genutzte Flächen von 7 Euro pro Quadratmeter.

Das vorliegende Kaufpreisangebot des Abwasserverbands Kronberg wurde daher vom Magistrat als angemessen betrachtet. Sämtliche Kosten des Vertrages und seiner Durchführung trägt der Käufer. Die drei städtischen Flurstücke waren bisher als Ausgleichsfläche an den Abwasserverband und großteils zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet. Sie liegen direkt angrenzend an die Kläranlage „Im Tries“.

Kläranlagenoptimierung

Als Grund für den gewünschten Kauf nannte Géraud Walther, Geschäftsführer des Abwasserverbands Kronberg, in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) die anstehende Sanierung und Optimierung der Kläranlage Kronberg. Ein Bauvorhaben, das infolge des Alters der baulichen, maschinen- und elektrotechnischen Anlagen sowie den zukünftigen gesetzlichen Anforderungen an die Abwasserbehandlung unausweichlich sei. Die letzte Modernisierung für eine weitergehende Abwasserbehandlung zur Stickstoff- und Phosphorelimination datiere aus den 1990er Jahren.

Vorgesehen sind demnach sowohl Umbau und Sanierung der vorhandenen alten Anlagenteile auf den neuesten Stand der Technik als auch die zukunftsweisende Integrierung weitergehender Verfahrenstechniken, so zum Beispiel das Thema Energieautarkie.

Gemäß der aktuellen Vorgaben müsse die Anlage bis 2045 100 Prozent ihres Energieverbrauchs selbst erzeugen. „Dies ist nur mit einer Kombination aus einem Faulturm und einer Photovoltaikanlage (PV) möglich“, erläuterte Walther, der gleichzeitig Projektleiter ist. Außerdem würden auch zwei neue Vorklärbecken benötigt. Des Weiteren stünden die Themen Entfernung von Mikroplastik sowie ein Konzept zur weitergehenden Schlammbehandlung (Stichwort: Phosphorrückgewinnung) ganz oben auf der Agenda. Die Kapazität der aktuellen Kläranlage (25.700 EW) ist nach Aussage von Erstem Stadtrat Wolf den Einwohnerprognosen der Mitgliedsstädte Kronberg und Königstein zufolge noch für die nächsten 20 Jahre ausreichend.

Grundstücksflächenverwendung

Der Ankauf der drei städtischen Grundstücke sei deshalb erforderlich, weil zum einen auf der Fläche während der Sanierungsphase die Baustelleneinrichtung, Lagerhaltung und Ähnliches angedacht ist. Zum anderen sei anschließend die Nutzung der Fläche zur Energieversorgung der Kläranlage, zum Beispiel durch den Bau einer Photovoltaikanlage, denkbar. „Vor allem für die letztgenannte Nutzung ist es unabdingbar, dass die Flächen im Eigentum des Abwasserverbandes stehen statt in Erbpacht“, unterstrich Géraud Walther. Erbpachtzins hätte jährlich entrichtet und als Aufwand auf die Gebührenzahler umgelegt werden müssen. Grundstückskäufe ohne Kreditaufnahme (wie vorgesehen) erzeugten dagegen keine umlagepflichtigen und damit Gebühren auslösenden Sachverhalte, da Grundstücksbesitz nicht abzuschreiben ist.

Darüber hinaus ist, so Walther weiter, „eine Durchleitung von Energie durch nicht im Besitz befindlichen Grund nach Energiewirtschafts für eine Kommune nicht zulässig!“ Dies könnten ausschließlich Energienetzbetreiber.

Die Kläranlage Kronberg verbraucht laut ihrem Geschäftsführer zwischen 600- und 800.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr (2023 circa 650MWh), mit weiteren Verfahrensschritten (nach dem Umbau) weiter steigend. „Diese Menge an Strom ist nur unter der zusätzlichen Errichtung einer Photovoltaikanlage einer großen Dimensionen möglich“, erklärte Walther. Selbstredend habe man die Verwendung möglicher Dachflächen auf dem derzeitigen Gelände hinreichend geprüft. Diese gäben jedoch „eine solche Kapazität in keinster Weise her“. Daher sei es unumgänglich, weitere Grundstücke für die autarke Stromversorgung zu erwerben.

Die Kläranlage Kronberg ist umgeben von einer FFH Schutzfläche im Süden (Richtung Schwalbach) und landwirtschaftlichen Flächen, die der Kirche gehören. Die nunmehr bei der Stadt Kronberg angefragten Flächen sind, so Wolf und Walther, die einzigen möglichen Flächen, die noch käuflich erworben werden konnten und die unmittelbar an das Gelände der jetzigen Anlage grenzen.

„Die Kirche verkauft keine Grundstücke, sondern bietet nur eine Erbbaupacht an, dies ‚verbietet‘ sich aber aus Vernunftsgründen“, erläutert der Erste Stadtrat. Zudem müsse das Grundstück, auf dem man eine PV-Anlage baue, auch dem Eigentümer gehören, der später den Strom verbraucht. „Ist dies nicht derselbe Eigentümer, ist eine Stromerzeugung vom Gesetzgeber unterbunden, da dies nur den Elektrizitätswerken erlaubt ist“, verdeutlichte Wolf nochmals die komplexe Sachlage.

Eine Aufgabe des Abwasserverbands

Der Abwasserverband Kronberg kommt so mit seiner satzungsgemäßen (§3) „Aufgabe, das Abwasser der Mitgliedsgemeinden aus dem Verbandsgebiet ... zu behandeln“ und „zu diesem Zweck ...die Verbandsanlagen (... Kläranlagen) zu planen, herzustellen, zu betreiben und zu unterhalten“ nach.

Das Gesamtkostenvolumen des Projekts beträgt nach den Worten Walthers 30 Millionen Euro brutto inklusive Planungskosten. Die momentan laufende Grundlagenermittlung sowie die Vorplanung münde in die Ende 2025 abzuschließende Entwurfsplanung. Die nächsten Schritte seien die Genehmigungsplanung, Rücksprache mit den Aufsichts- und Genehmigungsbehörden und nach dem Genehmigungsbescheid die Ausführungsplanung.

Langwieriger und schwieriger

Weil der Umbau (unter Einhaltung aller Grenzwerte) im laufenden Betrieb stattfinden soll, ist diese Maßnahme nach den Worten Walthers „langwieriger und wesentlich schwieriger als ein Bau auf der grünen Wiese“. Es müssten zunächst Provisorien gebaut werden, bevor etwas abgerissen und neu gebaut werden könne. Unter diesen Umständen rechnet der Projektleiter mit einer Umbauzeit bis circa 2032.

Abwasserverband Kronberg

Der 1965 gegründete Abwasserverband Kronberg ist als ein Wasser- und Bodenverband im Sinne des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mitglieder des Verbandes sind die Städte Kronberg und Königstein im Taunus. Der Beitragsschlüssel für Investitionen der Städte Kronberg / Königstein im Taunus beträgt aktuell circa 76/24 Prozent, die Betriebskostenumlage circa 74/26 Prozent.

Organe des Verbandes sind die Verbandsversammlung (je drei Vertreter jedes Verbandsmitgliedes) und der Vorstand (Verbandsvorsteher, gestellt von der Stadt Kronberg, aktuell Erster Stadtrat Heiko Wolf; erster Stellvertreter, gestellt von der Stadt Königstein, aktuell Erster Stadtrat Jörg Pöschl) und zwei weitere Stellvertreter, aktuell Kronbergs Bürgermeister Christoph König und Stadtrat Oliver Schneider).

Der Abwasserverband hat einen Geschäftsführer und technischen Betriebsleiter. Momentan werden beide Positionen gleichzeitig von Géraud Walther ausgefüllt. Der Verbandsvorsteher vertritt den Vorstand, der Geschäftsführer vertritt den Verbandsvorsteher in allen Geschäften der laufenden Verwaltung und bei Gefahr im Verzuge.

Über die Ausführung des Entwurfsplans sowie seine wesentlichen Änderungen und Ergänzungen beschließt die Verbandsversammlung. Beschlüsse dieser Art bedürfen der Zweidrittelmehrheit der in der Verbandsversammlung vertretenen Stimmen.

Der Verband darf den Entwurf und die ergänzenden Pläne nicht ohne Zustimmung der oberen Aufsichtsbehörde (das Regierungspräsidium Darmstadt) ausführen. Der Verband steht unter der Aufsicht des Kreisausschusses des Hochtaunuskreises in Bad Homburg.

Reaktionen aus dem ASU

Allem voran die Fraktion der Christdemokraten favorisierte in ihrer ersten Reaktion auf den Antrag eine Erbpacht und wollte insgesamt das Thema nochmals in den eigenen Reihen abschließend beraten. Aus diesem Grund lehnte sie auch sowohl eine Abstimmung über eine Empfehlung als auch das Abfragen eines Stimmungsbilds ab. Rückenstärkung erhielt die CDU durch die Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ (KfB). Vor diesem Hintergrund blieb es bis zuletzt spannend, wie am Parlamentsabend die Entscheidung ausfallen würde.

Mangels Alternative und nachdem die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen an die Kollegen anderer Couleur appellierte, für einen Beschluss zu stimmen, wurde mehrheitlich das grüne Kärtchen für „Ja“ gezückt.

Eine Ablehnung des Kaufantrages und damit ein „nicht zur Verfügung stellen“ der Fläche hätte nach den Aussagen von Erstem Stadtrat Heiko Wolf und Kläranlagen-Geschäftsführer Géraud Walther „weitreichende negative Folgen für den Abwasserverband Kronberg“ gehabt.

Zum einen sei das aktuell vorgegebene Ziel der Energieautarkie bis 2035 in Höhe von 40 Prozent und bis 2045 von 100 Prozent nur mit der geplanten PV-Anlage machbar.

Zum anderen wäre mit einem Parlaments-„Nein“ die Forderung aus dem Klimaschutzkonzept der Stadt Kronberg konterkariert worden, denn dort ist die Forderung nach einer Verringerung der CO2-Emissionen durch den hohen Stromverbrauch der Kläranlage dokumentiert. Das ist nur durch eine Eigenerzeugung von regenerativem Strom möglich.

Dies wäre durch eine Ablehnung des Verkaufs verhindert worden und der Strom hätte weiter am Markt eingekauft werden müssen.



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