Fabelhafte Bienen und ein souveräner Preisträger – Tim Klotzsche erhält Jugendpreis der Stadt Kronberg

Familie Klotzsche nach der Preisverleihung, Greta, Mutter Anita, Jugendpreisträger Tim, Vater Mirko und Ida Klotzsche v.l.n.r.

Fotos: Göllner

Kronberg (mg) – Tim Klotzsche steht an einem Donnerstag am Rednerpult im Kronberger Rathaus und bietet dem Publikum eine erfrischende und souveräne Rede zu einem seiner ganz persönlichen Themen: Bienen. Ein sehr detailreiches und bisweilen faszinierendes Thema, wenn man sich diesem nähert. Ungewöhnlich ist an dieser Stelle das Alter des Vortragenden. Tim ist gerade 17 Jahre alt geworden und hält an diesem späten Nachmittag den eindrücklichsten Wortbeitrag während der Verleihung des diesjährigen Kronberger Jugendpreises, und er hält diesen frei und mit überzeugender Natürlichkeit. „Wenn man über ein Thema spricht, das einen sehr interessiert und in dem man sich gut auskennt, dann fällt eine Rede einfach leichter“, formuliert es der kompetente Preisträger sympathisch unaufdringlich und erwähnt, dass er zwar ein paar Karteikarten vorbereitet hatte, diese jedoch nicht brauchte. Seine Konkurrenz in puncto Redebeiträge an diesem Tag ist sicherlich „nicht von schlechten Eltern“. Bürgermeister Christoph König, Stadtverordnetenvorsteher Andreas Knoche und Stadträtin Felicitas Hüsing ergriffen ihrerseits selbst das Mikrofon und sinnierten mit unterschiedlichen Schwerpunkten über den Kronberger Jugendpreis, soziale Beteiligung und das Thema Natur- und Umweltschutz. Knoche zeigte sich sichtlich erfreut darüber, dass Tim Klotzsche den Preis nun sein Eigen nennen darf und formulierte herzlich und überzeugt: „Wenn es von dir, Tim, „mehr“ gäbe, hätten wir deutlich weniger Probleme.“ Damit sprach der Erste Bürger der Stadt das vielfältige gesellschaftliche Engagement des Teenagers in seiner Freizeit an, das sich auch in einem seiner weiteren Hobbies widerspiegelt, dem Handball. Tim trainiert die Jugend der HSG (Handball-Spielgemeinschaft) Steinbach-Kronberg-Glashütten. Er spielt auch Saxophon, hat dafür aktuell jedoch weniger Zeit. Die Frankfurter Eintracht ist ebenso eines seiner Steckenpferde, sie besucht er auch vor Ort im Stadion. Man hat keinesfalls den Eindruck, dass Tim Klotzsche mit seinen zahlreichen Aktivitäten neben seinem Schülerdasein an der Altkönigschule in Kronberg überfordert wäre. Erstaunlich gelassen und ruhig beantwortet er jede Frage, nimmt sich Zeit für sein Gegenüber, kommt jedoch immer wieder auf den eigentlichen Punkt des Tages zurück und verliert diesen nicht aus dem Fokus: „seine“ Bienen. Das hilft ihm gewiss auch beim Umgang mit Schulklassen und Kindergartengruppen, denn vor diesem Publikum stand das jüngste Mitglied im Imkerverein „Am Altkönig“ schon einige Male, um allerhand Interessantes und Wissenswertes über den Bienenstaat zu erklären. Mit der Weitergabe seines Wissens und seiner Leidenschaft möchte er auch das Thema Natur- und Umweltschutz sowie das aktuelle Insekten- und Artensterben transportieren.

Motivation

Tim kam dieser Leidenschaft auf die Spur, als er an seiner alten Schule, der IGS Stierstadt, die Bienen AG ab der sechsten Klasse besuchte. Dort fand er einen Menschen, der ihm alles rund um das nützliche und fleißige Insekt nahebrachte: Winfried Kappatsch. Der ehemalige Lehrer war zu diesem Zeitpunkt bereits Pensionär und gestaltete als Bienensachverständiger die Bienen AG der Schule, grundsätzlich hatte er ein Faible für Jugendarbeit. Großzügig auch im Umgang mit notwendigen Materialien beispielsweise zum Bau von „Begattungskästen“ für Bienen weckte er mehr und mehr Interesse bei Tim. Seit diesem Zeitpunkt lassen die fliegenden Blütenbestäuber den Oberhöchstädter Jugendlichen nicht mehr los. Es war auch das Praktische an der AG wie das „Honigschleudern“ und natürlich das Verkosten, das Tim gefiel. Am Schluss eines Prozesses auch ein „Endprodukt“, den Honig, in den eigenen Händen zu halten, die zuvor allerlei zu leisten hatten, gab und gibt ihm ein gutes Gefühl. Gemeinsam mit seinem Vater Mirko, der seinen Sohn tatkräftig unterstützt und selbst Imker ist, betreut er auch fünf eigene Völker, die am Waldrand hinter ihrem Haus einen passenden Platz fanden. Kinder aus der Vorschulgruppe der Kita „Schöne Aussicht“ und Schüler der fünften und sechsten Klassen der Altkönigschule besuchten bereits die Bienen und ließen sich allerhand erklären. Im Sommer nimmt das „sich Kümmern“ schon gut und gerne einige Stunden pro Woche an Zeit ein, im Winter weniger.

Ein wenig innerdeutsche Städtepartnerschaft wurde beim Zustandekommen dieses „Imker-Standorts“ auch betrieben, denn das erste Bienenvolk, das die beiden männlichen Mitglieder der Familie Klotzsche betreuten, kam aus dem sächsischen Teil des Erzgebirges im Osten der Republik. Letztlich blieb es jedoch in der Familie, denn Tims Großonkel war der Spender. In diesem Zusammenhang bekam die Königin des ersten Volks der Klotzsches auch einen besonderen Namen: Marianne. Dieser war zugleich der Vorname der Großtante.

Der Bienenstaat, das Kollektiv

Seit der wissenschaftlichen Erforschung von Bienen faszinieren die Bestäuber schon sehr lange mit ihrer gesellschaftlichen Struktur und Effizienz. Ein Bienenstaat gehört zu den komplexesten Gemeinschaftssystemen im ganzen Tierreich, zumindest den bereits ansatzweise erforschten. Ein Volk besitzt eine einzige Königin. Sie ist die einzige geschlechtsreife Biene im Bienenstock und infolgedessen für den kompletten Nachwuchs zuständig. Am Tag produziert die „beflügelte Monarchin“ bis zu 2.000 Eier und hat die Aufgabe, das Volk durch ihre Eiablage zu erhalten. Eine Befruchtung wird zum Entstehen des Nachwuchses nicht benötigt. Aufgrund der Lochgröße der Waben innerhalb eines Bienenstocks, die die Arbeitsbienen bewusst unterschiedlich anlegen, registriert die Königin durch das Abtasten die Bedürfnisse ihres Volks beziehungsweise welche Sorte Nachwuchs sie in die Wege leiten soll, um das Volk in dessen vorgegebenem Sinne zu stärken. Die weibliche Biene ist die Arbeiterin, aus ihr besteht der größte Teil des Volks. Im Sommer können bis zu 70.000 Arbeiterinnen in einem Volk leben, im Winter sind es um die 15.000. Je nach Alter sind sie für das Reinigen und die Reparatur des Bienenstocks verantwortlich oder auch für das Versorgen der Brut mit ausreichend Nahrung und Wasser. Aber auch das Bewachen der Gemeinschaft liegt in ihrer Verantwortung. Der Drohn, fachsprachlich für die männliche Biene, hat lediglich eine Aufgabe: das Begatten einer Königin. Ein Bienenvolk von etwa 30.000 Bienen verfügt während des Sommers über 500 bis 1.000 Drohnen. Sind diese geschlechtsreif, fliegen sie aus und sammeln sich auf sogenannten Drohnensammelplätzen, die wiederum von jungen Königinnen verschiedener Völker aufgesucht werden. Dort findet dann die Begattung statt. Im Anschluss an ihren „geleisteten Dienst“ an der Königin haben Drohnen keinen Nutzen mehr für das Bienen-Kollektiv; sie werden von Bienen vertrieben und verhungern, da sie selbst nicht imstande sind, sich zu ernähren. Drohnen besitzen für die Nahrungsaufnahme in der Natur einen viel zu kurzen Rüssel und sind somit während ihrer Lebensdauer auf die weiblichen Bienen angewiesen, die sie versorgen. Einen Stachel besitzen sie übrigens auch nicht.

Seinen Schwarm wieder einfangen

Bienenvölker vermehren sich auf natürliche Weise durch Schwärme. Ungefähr die Hälfte eines Volkes zieht bei diesem Prozess aus und verlässt das Volk. Das erleben Tim und Mirko Klotzsche auch ein bis zwei Mal im Jahr. Damit das Bienenvolk den Imkern nicht verloren geht, muss gehandelt werden, solange die Reisenden noch keinen neuen Unterschlupf gefunden haben und sich hoffentlich noch in der Nähe des Imkerstandorts aufhalten. Durch nachbarschaftliche Unterstützung in Form von Anrufen und durch persönliche Aufmerksamkeit im Hause Klotzsche gelingt es dann, die Bienen zurückzuholen. Allerdings war es durchaus schon kritisch und kompliziert, einen ausgebüxten Schwarm wieder einzufangen, berichtet Tim Klotzsche der Redaktion. Jenseits seines Stocks ist das Bienenvolk hilflos und versammelt sich traubenförmig um das Wertvollste, das es besitzt: die Königin. Nun ist es die Aufgabe des Imkers, die „Bienentraube“ wieder zurück zum Stock zu bringen. Das gelingt meist, indem die „Bienentraube“ außen mit Wasser besprüht wird. Nun braucht es ein Behältnis, in das der Imker die Traube „fallen lassen“ kann, um sie so wieder „nach Hause“ zu transportieren.

„The Fable oft the Bees“

Der niederländische Arzt und Sozialphilosoph Bernard Mandeville beschrieb bereits im Jahr 1714 in seinem Gedicht „Die Bienenfabel“ oder „Private Laster, öffentliche Vorteile”, dass „nicht unbedingt der tugendsam handelnde Mensch die Quelle des „Gemeinwohls“ ist; vielmehr würden persönlicher Egoismus und private Laster ausreichen, um den „öffentlichen Wohlstand zu begründen“. Eine heute noch mehr als „steile“ These bei kompromisslosen Wirtschaftsliberalen und Autokraten, die stets den sogenannten „freien Markt“ im Blick haben, der scheinbar alles regelt und oft genug nur wenige bereichert und viele andere im Stich lässt. Die klare und unromantische – an sich satirische – Beschreibung der Natur im Kontext eines Bienenstaats in Mandevilles Werk begründete an sich unfreiwillig den gnadenlosen Liberalismus, der auch Wirtschaftstheoretiker mit den die Arbeiterschaft einer Gesellschaft ausbeuterischen Ansätzen wie Adam Smith inspirierte, heute oft genug noch verklärt und idealisiert. Jenseits von Sozialsystemen wird an dieser Stelle deutlich, wie radikal effizient ein Bienenstaat funktioniert und dass Charles Darwin mit seinem Ausspruch und Essay „Die unbarmherzige Gleichgültigkeit der Natur“ richtig lag, in dessen Zusammenhang er das kompromisslose Verhalten von Schlupfwespen bei der Aufzucht ihrer Nachkommenschaft beschrieb. So romantisch das Summen von Bienen klingen und ihr Bestäubungsverhalten auf Blüten optisch wirken mag, so gnadenlos sind das Verhalten und das Schicksal des einzelnen Insekts dem Kollektiv untergeordnet. Kein adäquates Vorbild für den Ansatz einer sozialen Marktwirtschaft. Nun sind Primaten gleichzeitig auch keine Insekten, dennoch ist Überleben je nach Situation auch einem Sinneswandel und einem veränderten Handeln übergeordnet. Gerade beim Reagieren auf den bestehenden Klimawandel täte beispielsweise der menschlichen Gesellschaft grundsätzlich mehr einheitliches und produktives Kollektiv gut. Nur sind Veränderungen im Wohlstandskosmos nicht gerne gesehen und das Durchsetzen unliebsamer Maßnahmen möglicherweise demokratiegefährdend, da bei freien Wahlen der Mehrheitsentscheid ausschlaggebend ist. Politische Vertreter können gewählt werden, die andere Schwerpunkte setzen als den überlebensnotwendigen Erhalt der natürlichen Lebensumstände des Menschen und des Planeten, auf dem er existiert, inklusive der dazugehörigen Artenvielfalt und Biodiversität. Wie also umgehen mit diesem anscheinend existenten Dilemma, oder ist es doch nur ein scheinbares? Man sieht also, dass man, vom naturwissenschaftlichen Betrachten eines Bienenstaates abgesehen, sehr rasch beim Thema Bienen auch menschliche Sozialsysteme soziologisch und psychologisch analog anschauen und analysieren kann. Und dass dies bereits vor über 300 Jahren geschah. Nur mit welchem Resultat?

Jugendpreis

Der Jugendpreis der Stadt Kronberg wird seit dem Jahr 2009 theoretisch alle zwei Jahre an junge Menschen zwischen 11 und 23 Jahren vergeben. Allerdings gab es in den 15 Jahren bislang nur drei Preisvergaben bei sieben möglichen. Die angehenden Preisträgerinnen und Preisträger müssen hierfür „ein besonderes soziales, kulturelles, ökologisches oder gesellschaftliches Engagement an den Tag gelegt und mit ihrem Beitrag den Erhalt und die Entwicklung Kronbergs als lebenswerte Stadt gefördert haben“. Preiswürdig sind anstehende Projekte, aber auch solche, die bereits abgeschlossen, gleichzeitig aber noch nicht gefördert wurden. Die zur Prämierung eingereichten Projekte können unter anderem aus den folgenden Bereichen kommen: Soziales, Interkulturelles, Stadtentwicklung oder Umweltschutz. Der Preis wird an Einzelne oder Gruppen mit Wohnsitz in Kronberg vergeben. Eine sehr abstrakte und bisweilen auch etwas „nüchterne“ Beschreibung für eine an sich sehr schätzenswerte Einrichtung, die womöglich medial mehr in den Vordergrund und somit in den Wahrnehmungsradius der Kronberger Bevölkerung gerückt werden könnte und sollte, denn ohne Zweifel ist aus der Natur der Sache heraus die Jugend die Zukunft. Es wäre doch begrüßenswert, im Jahr 2026 wieder Preisträger ehren zu können, ganz im Sinne des gesellschaftlichen Engagements.

Kronberger Imkerverein

Der Imkerverein „Am Altkönig“, bei dem auch Tim Klotzsche Mitglied ist, kann online unter der E-Mail-Adresse info[at]imkervereinamaltkoenig[dot]de und telefonisch unter 0175 8948072 und 06174 5211 erreicht werden. Die Imkerinnen und Imker liefern auch im „Notfall“ Unterstützung. Hat ein Bienenschwarm sein Zuhause verlassen, ist er häufig genug hilflos und hat kaum Überlebenschancen. Entdeckt man einen solchen Bienenschwarm in der Natur, findet man bei der Imkerschaft in der Nähe professionelle Hilfe, die sie dann „vor Ort“ leistet. Das „Schwarmtelefon“ für diese Notfälle hat die Nummer 0175 8948072 und ist von April bis Mitte September vormittags bis Sonnenuntergang erreichbar. Viele weitere Informationen hierzu, zu zahlreichen anderen Themen und den Veranstaltungen und Aktivitäten und Angeboten des Imkervereins findet man auf dessen Internetpräsenz: www.imkervereinamaltkoenig.de. Als nächstes steht der öffentliche Informationsabend „Einstieg in die Imkerei“ am 4. April auf dem Programm des Vereins, zu dem jede und jeder Interessierte eingeladen ist. Generell findet ein monatlicher Stammtisch zwecks Informationsaustausch im Schützenhof in Kronberg in der Friedrich-Ebert-Straße 1 statt, der von Angelika und Oliver Friedrich organisiert wird.

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