Kronberg (mg) – Sie ist eine von den Frauen der Kronberger Stadtgesellschaft, den „Gott und die Welt“ kennt. Das liegt in erster Linie am Umstand, dass Helga Michaelis sich seit Jahrzehnten in vielen Bereichen – vor allem mit sozialer Ader und Überzeugung – engagiert und nicht daran, dass es ihr darauf ankäme, im kommunalen Scheinwerferlicht zu stehen. Ganz im Gegenteil. Es zählt für die Schönbergerin vielmehr das Prinzip „Tue Gutes und sprich nicht darüber“. Selbst diese Zeile wäre ihr womöglich schon „nicht unbedingt erwähnenswert“. Eigentlich wollte Michaelis das Interview mit dem Redakteur in der S-Bahn nach Frankfurt führen und ihm am „Tag der Stiftungen“ den Franziskus Treff in der Liebfrauenkirche in der Nähe der Frankfurter Hauptwache zeigen. Seit über 30 Jahren ist dieser Ort ein wichtiger Anlaufpunkt für obdachlose und arme Mitmenschen. Ein Frühstücksraum, kombiniert mit Sozialberatung. Das Hilfsangebot finanziert sich ausschließlich durch private und unternehmerische Spenden. Die Kronbergerin schätzt diese Einrichtung sehr, spendet selbst und ruft andere dazu auf. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Vorstandsmitglieder der Sozialdemokraten vor Ort im Taunus Helga Michaelis ihr „soziales Gewissen“ nennen.
Diese Beschreibung zieht sich wie ein roter Faden und mittlerweile mehr als 70 Jahre lang durch Leben und Lebenserfahrung der Schönbergerin. Michaelis wurde in Frankfurt-Bornheim geboren und wuchs zunächst im Stadtteil Eschersheim auf. Als sie vier Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit ihr ins – aus Kronberger Sicht – benachbarte Königstein. Dort verbrachte sie trotz des späteren Umzugs ihrer Eltern nach Schönberg ihre komplette Schulzeit, ging zu den „Urselinen“ auf die St. Angela-Schule und verdiente sich ab und an für den Stundenlohn von drei Deutschen Mark in einem Reformhaus noch etwas hinzu. Zu Beginn bestand das Kollegium der Lehrkräfte ausschließlich aus Nonnen an ihrer Königsteiner Schule, am Ende, zur Zeit ihres Abiturs, arbeiteten dort fast nur noch „weltliche Fräuleins“. Es gab gleichzeitig eine Frau Dr. Bauer, die Michaelis Lieblingsfach Sozialkunde unterrichtete und eines Tages prophezeite, dass „Helga“ einmal „in die Politik“ gehen würde. Sie sollte Recht behalten. Michaelis Mutter kam aus dem Münsterland und war eher konservativ veranlagt und so hieß es mütterlicherseits folgerichtig irgendwann: „Wir haben dich nicht zu den Urselinen geschickt, damit du anschließend in die SPD eintrittst“, schmunzelt die Sozialdemokratin zunächst in ihrem Wohnzimmer am Esstisch, blickt etwas gewitzt durch ihre blau umrahmte Brille und lacht dann herzlich.
Charakter
Wenn ihre Mutter ab und an im erzieherischen Moment formulierte: „Das macht man nicht“, fragte Tochter Helga: „Wer ist denn ,man‘?“ An dieser Stelle zeigte sich wohl bereits zum einen ihr „eigener Kopf“ und zum anderen die Qualität ihrer Persönlichkeit, Dinge grundsätzlich – auch im gesellschaftlichen Zusammenhang - zu hinterfragen. Gewiss eine Notwendigkeit, wenn man tatsächlich Politik im Sinne der Daseinsvorsorge für alle Bürgerinnen und Bürger betreiben möchte. Im Jahr 1987 trat sie in die SPD ein, seit dem Jahr 1989 ist sie für eben „diese“ SPD in Kronberg politisch aktiv. Genetisch scheint sie eher an der väterlichen Linie Orientierung gefunden zu haben. Ihr Vater war in der Postgewerkschaft, ihr Großvater – ein Werkzeugmacher aus Frankfurt-Rödelheim – über ein halbes Jahrhundert Sozialdemokrat mit Parteibuch.
Nach dem Abitur studierte Helga Michaelis Geologie, bekam dann gleichzeitig kurz vor dem Vordiplom die Nachricht, dass sie Mutter wird. Ihre Tochter Heike ersetzte dann die Diplomprüfung. Nach der ersten Geburt verging nicht viel Zeit und 22 Monate nach Heike stieß ihr Sohn Max zur nun vierköpfigen Familie. Danach baute das Ehepaar Michaelis, das sich auf einem Volkslauf in Luxemburg im Jahr 1971 kennenlernte und sieben Jahre später heiratete, das Haus in Schönberg, in das es mit „Kind und Kegel“ einzog und in dem es heute noch lebt. „Ich hatte dann an sich genug zu tun“, berichtet sie. Aus Max wurde im Laufe der Zeit ein Maschinenbauingenieur und aus Heike eine Anwältin für Strafrecht mit eigener Kanzlei.
Wenn man so möchte, erkennt man die ambitionierte Bildungspolitik der SPD in den 1970er Jahren. Zeiten, in denen Deutschland durch eine Ausweitung an umfassender Bildung für „jede und jeden“ ein produktiver und sozialer Staat wurde.
Zumindest wurden die Chancen für Menschen jedweder Herkunft durch ein erweitertes Bildungsangebot größer. Nun sind Michaelis Kinder mittlerweile selbst Elternteile und Helga ist Großmutter, vielmehr Oma. Und ihre Ehemann Frank, der als Betriebswirt tätig war und sich auch jahrelang sehr in der Rumänienhilfe engagierte, Opa. Drei Enkelinnen – Karla, Johanna und Frieda – ergänzen nun den Familienstammbaum.
Handball und Politisches
Mit 15 Jahren begann Helga Michaelis, Handball beim MTV Kronberg zu spielen. Und zwar recht erfolgreich. Ihr Team stieg von der C-Klasse in kurzer Zeit bis zur Kreisklasse auf, doch dann verlor sich die Mannschaft, da sich die Lebensumstände der meisten Spielerinnen änderten. Neben dem Ballsport betrieb sie auch Leichtathletik. Aus diesen sportlichen Zusammenhängen kennt sie auch Wolfgang Haas, heute noch Fraktionsvorsitzender der SPD-Kronberg. Michaelis erzählt von Zeiten, als Wilhelm Kreß SPD-Bürgermeister von Kronberg wurde und den konservativen Rudolf Möller ablöste. Sie beschreibt, wie sie gemeinsam mit dem erst kürzlich verstorbenen Peter Stuckenschmidt Wahlwerbezettel in Oberhöchstadt verteilte. Das liegt mehr als 30 Jahre zurück. Sie spricht vom Phänomen, dass es in Folge häufig eine konservative Mehrheit im Stadtparlament, gleichwohl immer einen SPD-Bürgermeister in der Burgstadt gab. Kreß war im Jahr 1990 mit 19 zu 18 Stimmen zum Bürgermeister gewählt worden. Ein Jahr nach dem Beginn des kommunalpolitischen Engagements von Helga Michaelis. Politisches jedweder Art umrahmt ihre Gedanken – wozu auch immer – konsequent. Es ging sozusagen „in Fleisch und Blut“ über. So verbringt sie auch tagsüber viel Zeit mit politischen Nachrichten, die sie via Computer-Tablet, Zeitung und TV-Gerät konsumiert. Nach wie vor möchte Michaelis stets über die politische Weltlage informiert sein. Sie möchte und kann nicht ohne und anders.
Vielfältiges soziales Engagement
„Ich stehe auf dem Standpunkt: Mir geht es gut. Und ich möchte, dass es anderen auch gut geht, denen es nicht so gut geht. Dass es diesen Menschen besser geht“, berichtet Michaelis und erzählt ein Erlebnis, dass noch nicht allzu lange zurück liegt. Wenn sie beim Gang durch Kronbergs Straßen und Gassen sozialer Ungerechtigkeit in welcher Form auch immer begegnet, löst sich ein Reflex. Sie sei vor ein paar Jahren mit dem öffentlichen Bus auf dem Weg nach Königstein gewesen, zu Zeiten, als das Casalsforum gebaut wurde.
Während der Bus die entstehende Kronberg Academy passierte, bemerkte eine junge Mitfahrerin gegenüber ihrer Freundin, dass das Gebäude ja toll aussehe, das hier gebaut würde. Ihre Freundin antwortete, dass hier „eine Musikhalle“ entstehe. Das sei ja toll, entgegnete ihr Gegenüber, woraufhin der Satz fiel: „Nein, das ist nur etwas für die Reichen, denn in der Stadt wird nur etwas für die Reichen gemacht“. Solche Bemerkungen – auch wenn sie gleichzeitig gewiss nicht der Realität entsprechen und undifferenziert dargestellt werden – versetzen Michaelis eigenen Angaben zufolge jedes Mal „einen richtigen Stich“. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Sozialdemokratin in zahlreichen Vereinen und Organisationen aktiv war und ist. Ein kaum mehr überschaubarer Einsatz seit Dekaden. Wenn man dann noch einmal an den Anfang der politischen Karriere von Helga Michaelis zurückkehrt, bemerkt man, dass Politik nicht immer mit Parteipolitik gleichzusetzen ist. Es beginnt alles im Spielkreis für behinderte und nichtbehinderte Kinder. Diesen hatte die sozialdemokratische Stadträtin Christa Jaenich – in den 1980er Jahren eine treibende Kraft im sozialen Bereich – ins Leben gerufen. Inklusion wurde in einer Zeit gestaltet, als Inklusion an sich noch kein Thema war. Zugleich war es der Startpunkt für das große soziale Engagement von „Frau Michaelis“. Ausschuss- und Kommissionsmitglied, Behindertenfahrten-Organisatorin, Rumänien-Helferin, Schöffin am Landgericht Frankfurt am Main, Stadträtin – und vieles mehr steht auf der Liste ihrer Tätigkeiten. 15 Jahre lang organisierte und betreute sie die Senioren- und Behindertenfahrten nach Le Lavandou. In die Stadtverordnetenversammlung zog Michaelis erstmals im Jahr 1989 ein. Über die Legislaturperioden gehörte sie den früheren Ausschüssen Denkmalausschuss und Ausschuss für Jugend, Kultur, Sport und Soziales sowie dem Haupt- und Finanzausschuss an, außerdem der damals noch bestehenden Sozialkommission.
Gewiss ein Umstand, der dazu führte, dass Helga Michaelis vermutlich eine Person in einem überschaubaren Kreis ist, die es sehr schätzt, in „Haushaltsbüchern“ zu blättern, zu stöbern und im politischen Prozess dann auch nachzuhaken, was die Ein- und Ausgaben der Stadt Kronberg betrifft. Zehn Jahre lang vertrat sie die SPD im Magistrat, ehe sie nach einer fünfjährigen Auszeit seit dem Jahr 2016 als Stadtverordnete wieder ins kommunale Parlament einzog. Ende der 1980er Jahre war sie zudem noch Elternbeiratsvorsitzende der Viktoria-Schule und kämpfte gemeinsam mit vielen Eltern für deren Neubau. Und setzte sich gemeinsam mit anderen durch. Michaelis war Schöffenrichterin am Landgericht Frankfurt, packte jahrzehntelang bei der Rumänienhilfe an, war als Vorstandsmitglied beim Partnerschaftsverein Ballenstedt aktiv und vermittelte Familien in würdige Wohnverhältnisse in den von der damaligen städtischen Wohnbau GmbH errichteten Wohnungen. Zudem vertritt sie darüber hinaus die SPD in der Arbeitsgemeinschaft der Kronberger Frauenverbände. „Alles, was ich gemacht habe und mache, macht mir auch sehr viel Spaß. Was mir stinkt, sind die ewigen Nörgeleien an der meiner Ansicht nach guten Arbeit der Stadtverwaltung“, beendet Helga Michaelis souverän und zugewandt das Gespräch an diesem Tag.
Jägerin und Fachrichterin
Nicht unerwähnt bleiben soll eine weitere Facette der Persönlichkeit von Helga Michaelis. Sie ist neben ihrem sozialdemokratischen Engagement auch „Jagdgenossin“. Gemeinsam mit ihrem Ehemann geht sie seit langer Zeit auf die Jagd, nicht gerade üblich für eine SPD-Frau, wie sie selbst erzählt. Über einen früheren Klassenkameraden aus Königstein fand Michaelis den Zugang. „Während der ersten Stunden der Ausbildung zur Jägerin zitterten mir zwar beim Kontakt mit der Waffe ein bisschen die Knie, aber grundsätzlich fiel es mir nicht schwer“, beschreibt sie den Anfang. Zum Jägerdasein gehört gleichzeitig weitaus mehr, als den Abzug einer Waffe zu drücken. Das weiß Michaelis unumwunden, denn sie ist mittlerweile selbst Fachrichterin im Jagdrecht, überprüft seit zehn Jahren das Jagdrecht und sitzt als einzige Frau im Prüfungsauschuss des „Jagdvereins Hubertus Bad Homburg“.
„Jagdgenossen“ leisten viel für den Lebensraum von Wildtieren und die Kulturlandschaft. Sie regeln den Wildbestand nach dem Prinzip der artenreichen Nachhaltigkeit. Es wird nicht lediglich das Wild bejagt, sondern ein Beitrag für die gesamte Tier- und Pflanzenwelt übernommen. „Populationsgrößen“ werden reguliert, Aufklärung wird betrieben, Maßnahmen zur Verhinderung von Wildunfällen werden betrieben, Natur- und Lebensräume werden erhalten und es findet seitens der Jägerschaft eine artgerechte Fütterung statt. Folglich übernimmt Michaelis auch in dieser Funktion eine gesellschaftliche Aufgabe.