Kronberg (sura) – Den amerikanischen „Ambassador of song“, Thomas Hampson, live in einer, selbstverständlich bi-lingualen, „Masterclass“ mit internationalen Künstlern zu erleben, beflügelte die Zuschauer, die am Sonntagmorgen freudig in den Carl-Bechstein-Saal strömten, um dem Super-Bariton ganz nah zu sein. Seine Stipendiaten der Liedakademie des Heidelberger Frühlings, dessen künstlerischer Leiter Thomas Hampson ist, die Sopranistin Theresa Pilsl und Bariton Jeeyoung Lim sowie die jungen Pianisten der Kronberg Academy, Martina Consonni und Jérémie Moreau, klangen schon beim ersten Vorsingen ihrer jeweils drei Lieder von Schubert, Schumann, Brahms und Wagner perfekt und erfreuten die Zuhörer mit ihren jungen und kraftvollen Stimmen. Der auch physisch große Sänger und „Meistersänger“ Hampson amüsierte in seiner Lehrstunde Zuschauer und Sänger mit Wortwitz, Charme und seiner überbordenden Freude am Gesang: „Ich bin ein Sänger“, keine Frage! Seine wohlklingende Stimme, seine lebhaften Gesten und seine klaren und freundschaftlichen „Ansagen“, machten diesen Vormittag zu einer vergnüglichen Lehrstunde in Sachen Gesang.
Die Solisten
Die 32-jährige Theresa Pilsl, die parallel zum Gesang Medizin studierte und approbierte Ärztin ist, entzückte mit ihrem strahlend hellen Sopran mit den Liedern von Brahms, Schumann und Schubert. Jérémie Moreau fand am Klavier die nötige Leichtigkeit. Der koreanische Bariton Jeeyoung Lim, begleitet von Martina Consonni, die nur wenige Korrekturen brauchte, um die virtuosen Kompositionen von Brahms und Wagner am Klavier wiederzugeben, sang voller Kraft mit seiner „beautiful baritone voice“, wie ihn Hampson ehrlich lobte. Die jungen Solisten entpuppten sich als wunderbare Sänger, die bereits auftreten und von denen man auch in Zukunft hören wird.
Ohne Pathos und mit Genuss
Auf Deutsch, Englisch und manchmal Denglisch forderte er seine Schüler zu mehr Genuss beim Singen auf, „Enjoy it – don’t hustle your audience“. Er empfahl den jungen Sängern, einen natürlichen Fluss zu finden, mit dem Fokus auf der Botschaft, unbedingt ohne Pathos und ohne Sentimentalität: „Don’t get sad – this is not your story“. „Gesang klingelt und vibriert“ und sei „immer eine Weltreise“, nur so werde man als Sänger immer besser. Die beiden Schüler an diesem Sonntagvormittag, die über Hampsons Kommentare herzlich lachten, verbessern sich kontinuierlich, und immer wieder von Neuem singen sie die einstudierten Lieder – unermüdlich, ohne jemals ihre Konzentration und Ausstrahlung zu verlieren.
Sänger seien Athleten, erklärt der amerikanische Bariton den Zuschauern, die nicht nur ihr Stimmtalent mit auf die Bühne bringen, sondern auch die Beherrschung des Körpers, vor allem der Atemmuskulatur. Das sei ein hoher Anspruch: „Herz und Hirn engagieren“, so nennt er das Zusammenspiel, um das Publikum zu erreichen. Worte bräuchten keine Musik und Musik keine Worte: „A poem becomes music“. „Menschliche Gedanken in Musik miterleben“, das sei Gesang. Die Trennung von Oper und Lied halte er dabei nicht für zielführend.
Lied-Begleiter
Den jungen Pianisten, die als Lied-Begleiter oft unterschätzt würden, gilt die besondere Aufmerksamkeit des Sängers. Nicht von oben herab mit den Schultern spielen, sondern leicht hineinfließen mit dem Körper und den Händen in die Melodie, so lautet sein Rat, und er entschuldigt sich schmunzelnd bei Jérémie Moreau, dem er öfter an die Arme und die Schulter greift: „Sorry for touching you“.
Endlich Gesang im Casals Forum
Auch wenn die Kronberg Academy „instrumental geschädigt sei“, lobt er doch Raimund Trenklers (Kronberg Academy) Entscheidung, den Gesang mit ins Programm zu nehmen und schickt noch ein Stoßgebet hinterher: „Gott heilige dieses Projekt in Kronberg – für immer!“
Hampson, der sich als Dozent für junge Talente einsetzt, warnt: Es mangele nicht an Nachwuchskünstlern, sondern an Nachwuchspublikum und ganz besonders an Aufführungsorten, wo sich junge Künstler mit Orchester präsentieren könnten. Dann gerät er ins Schwärmen: „You (Ihr Deutschen!) have such a fantastic language – die Sprache ist so bildhaft und der Klang ist so schön“. Seine Mahnung am Schluss geht alle an: „Die digitale Revolution ist beeindruckend, aber der Mensch braucht Poesie. Wir brauchen die Ruhe in uns, um zu überleben, zu denken, zu werden. Das nennt man Bildung – und das ist EURE Tradition. Bitte passt auf!“