Hinter jeder jungen Rebellin steht ein Versprechen

Dirk Sackis mit Laurin Strößenreuther (links) und Bettina Weiguny (rechts) freut sich über eine gelungene erste Veranstaltung nach langem Lockdown. Foto: Weber

Kronberg (sw) – Um junge rebellische Frauen und alte weise Männer, die gemeinsam die Welt retten, sollte es in der ersten öffentlichen Veranstaltung der Kronberger Bücherstube seit März 2020 gehen. Über das an Präsenzveranstaltungen so arme vergangene Jahr sagte Inhaber Dirk Sackis: „Es war eine lange Zeit“, er lobte aber auch die „unfassbare Solidarität der Kronberger Bevölkerung“ mit dem traditionsreichen Buchgeschäft. Eingeladen hatte die Kronberger Bücherstube in ihren idyllischen Hinterhof anlässlich der Auszeichnung mit dem Deutschen Buchhandlungspreis in der Kategorie „Hervorragende Buchhandlungen“. Die bekannte Kolumnistin und Autorin Bettina Weiguny stellte bei herrlichem Sommerwetter ihr aktuelles Buch „Denn es ist unsere Zukunft – Junge Rebellinnen verändern die Welt“ im Gespräch mit der Kronberger Gründerin Laurin Strößenreuther vor.

Den Ansatz der Kronberger Bücherstube im Corona-Jahr, den Spirit von „da geht trotzdem etwas, wir lassen uns nicht unterkriegen“, den kann man auch bei den jungen Frauen finden, um die es an diesem Nachmittag gehen soll, die durch ihre Aktivitäten etwas bewegen und die weltweit von sich reden machen. Die Wirtschaftsjournalistin Bettina Weiguny war im Januar 2020 während des Weltwirtschaftsgipfels mit zahlreichen Jugendlichen ins Gespräch gekommen, die von Gastgeber Klaus Schwab nach Davos geladen worden waren, um mit den Mächtigen der Welt auf dem Podium zu diskutieren.

Weiguny war fasziniert, dass die Stimmen der Jungen gehört wurden und sie war erstaunt über den veränderten Blick auf die neue Generation: Dass in den gut vernetzten „digital natives“ ein Machtfaktor wächst, musste selbst Donald Trump anerkennen, als nicht er, sondern Greta Thunberg 2019 vom Time Magazine als „Person of the Year“ gewählt wurde. Die Mächtigen à la Trump oder Putin haben „meist keine Lust, sich mit diesen jungen Menschen auseinanderzusetzen“, aber sie wissen, sie kommen nicht mehr an ihnen vorbei. Weiguny beschreibt in ihrem Buch eindrucksvoll die immense Energie der jungen Generation, und es sind vor allem junge Frauen, die in den Vordergrund treten. Die Sorge um das Klima ist ein Fixpunkt, der die Jugendlichen weltweit vereint und dennoch stecken sie ihre Kraft in ganz unterschiedliche Projekte, vom Thema Müllvermeidung über Diskriminierung, Diversität und Bildung bis hin zur Menstruationsarmut, die selbst in Industrieländern vorkommt.

Als „pragmatisch, idealistisch und zupackend“ werden die Frauen in Weigunys Buch beschrieben. Sie legen den Finger in Wunden, möchten nicht wie andere wegschauen und lassen sich nicht damit abspeisen, dass man eh nichts tun könne – rebellisch eben. Eindrucksvoll beweisen die jungen Mädchen, die zum Teil erst zehn oder elf Jahre alt sind, in ihren Heimatländern, wie man etwas anstoßen und bewirken kann. Längst sind die Proteste junger Frauen keine Ausnahme mehr, doch während sie vorher häufig im lokalen Kontext blieben und wenig zur Kenntnis genommen wurden, hat sich das durch die Digitalisierung verändert.

Gut vernetzt muss so eine Rebellin sein – und so hat Weiguny die Protagonistinnen ihres Buches in Davos auch erlebt. Die Tagesabläufe der jungen Aktivistinnen waren extrem durchgetaktet, obwohl viele erst 14 bis 15 Jahre alt sind. Bettina Weiguny beschreibt im Gespräch mit Laurin Strößenreuther, dass die rebellischen Frauen von ihrem eigenen Erfolg oft regelrecht überrollt werden. Daueraktivität in den sozialen Netzwerken ist die Grundvoraussetzung, um etwas anzustoßen, das Posten immer neuer Bilder und Nachrichten, um die Follower zufriedenzustellen, wird zur Pflicht.

Laurin Strößenreuther und Bettina Weiguny gingen in ihrem Gespräch daher auch der Frage nach, ob die bekannten Aktivistinnen das denn wirklich alles aus eigener Motivation täten oder ob diese jungen Mädchen instrumentalisiert würden, um Aufmerksamkeit in den Medien zu bekommen. Bettina Weiguny schildert, sie habe einige Gespräche mit den Müttern der jungen Frauen geführt und diese hätten nahezu übereinstimmend gesagt, die Rebellinnen ließen sich nicht stoppen, die würden „aus sich selbst heraus brennen“.

Weltweit ist da eine junge Frauengeneration herangewachsen, die nicht mit dem Finger zeigt und meint, es sollten doch erst einmal die anderen beginnen, sondern die wissen, dass sie nur global vernetzt etwas verändern können und mit immensem Selbstbewusstsein ihre Anliegen zu Gehör bringen.

Nachdenklich klangen die Schlussakkorde in der Frage an, ob die jungen Frauen ihren Idealen treu bleiben oder irgendwann an der Realität scheitern würden.

Der Zuruf, der bereits zu Beginn der Veranstaltung aus dem Publikum gekommen war, was denn mit den weisen alten Frauen sei, wurde schließlich noch einmal aufgenommen: Laurin Strößenreuther beschrieb die Rolle der älteren Generationen als Unterstützende. Sie rief die Mütter und Großmütter dazu auf, die jungen Mädchen immer wieder zu ermutigen, das eigene Schicksal und das der Welt in ihre Hand zu nehmen.

Bettina Weiguny schloss mit einem Statement der Schwestern Melati und Isabel, an deren Bewegung „byebyeplasticbags“ auch die Einnahmen des Abends gingen. „Es ist niemand zu jung oder unbedeutend, um die Welt zu verändern – aber auch niemand zu alt.“ Das im Durchschnitt eher ältere Publikum nickte begeistert.



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