Wenn Kinder anders sind und Hilfe brauchen –Den „Förderverein Kinderneurologie“ gibt es seit 30 Jahren

Kronberg/Königstein (hmz) – Der Start mit einem Kind, das körperlich oder geistig eingeschränkt ist, ist für viele Familien eine große Herausforderung. Die Gründehierfür sind neben dem sehr persönlichen, emotionalen und praktischen Zurechtfinden in der neuen Lebenssituation die nach wie vor existierenden Hindernisse und Vorurteile in der Gesellschaft. Mit der Zeit durchlaufen die meisten Familien jedoch einen Prozess, der sie schrittweise zur Bewältigung der neuen Aufgaben führt. Auf dem Weg dahin hilft es ihnen, wenn sie ihre rechtlichen und finanziellen Ansprüche kennen und einfordern. Ebenso die diversen weiteren Unterstützungsangebote in entsprechenden Einrichtungen. Eine sehr erfolgreiche in dieser Kette ist der „Förderverein Kinderneurologie Königstein“. Seit dreißig Jahren wird in eigens dafür ausgestatteten Therapieräumen die vom ungarischen Arzt Dr. András Petö entwickelte konduktive Förderung angeboten. Dabei handelt es sich um ein sehr komplexes Fördersystem, das bei Kindern und Jugendlichen mit cerebralen Bewegungsstörungen angewandt wird. Die Ursache liegt in einer frühkindlichen Hirnschädigung. Längst wird diese Methode auch Erwachsenen mit Parkinson-Syndrom oder nach einem Schlaganfall angeboten. „Unser Ziel ist es, dass die Betroffenen mit so wenigen Hilfsmitteln wie möglich ihren Alltag bewältigen können und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten an Selbstständigkeit dazugewinnen“, so Doreen Eichhorn, die ihren Sohn hier in den besten Händen weiß. Die Förderung nach Petö heißt, dass neben der Physio- und Ergotherapie auch die Logopädie und pädagogische Ansätze zur ganzheitlichen und komplexen Behandlung gehören. „Das individuelle Potenzial der Kinder und jungen Erwachsenen wird zusätzlich auch außerhalb unserer Einrichtung gefördert“, so Eichhorn. „Es geht um die persönliche Autonomie und die kleinen Schritte auf dem Weg dorthin.“ Auf den großen Schritten hin zur anerkannten und vielfach nachgefragten Institution wird sie von den Vorstandsmitgliedern Monika Grott, Doris Schneider-Konopatzki, Sabrina Lampe und Stephan Rüegg aus Kronberg unterstützt. Er verwaltet die Finanzen des Vereins, „der in einem erheblichen Umfang auf Spendengelder angewiesen ist. Alle Anwendungen können nicht über die Krankenkassen abgerechnet werden. Eine Kostenübernahme durch das Sozialamt ist nur möglich, wenn ein entsprechender Bescheid vorliegt. Die Grundlage für die jeweilige Ermessensentscheidungen der Kreisbehörde sind Urteile des Sozialgerichts“, so Rüegg. Das bedeutet, „dass es keine Garantien für die Kostenübernahme gibt und das Geld für die Therapie alleine von den betroffenen Familien aufgebracht werden muss.“

In ihren gemeinsamen Anstrengungen bemühen sich Eltern, Vorstand, Förderverein und schließlich auch die Therapeutin Enikö Toth, um eine frühestmögliche Integration von Kindern und jungen Erwachsenen in die Gesellschaft zu erreichen. Insgesamt 40 Teilnehmende werden in der Königsteiner Einrichtung betreut, täglich bis zu vier Stunden lang. Enikö Todt steht eine Co-Therapeutin zur Seite, jede von ihnen wurde im Petö-Institut in Ungarn ausgebildet. Diese Methode findet aufgrund ihrer Erfolgsgeschichte immer mehr Nachahmer weltweit. In Königstein laufen die Nachfragen weit über die Region hinaus auf, „aber die derzeitigen Kapazitäten sind erschöpft“, Doreen Eichhorn. Diese spezielle Förderung erfordert eine ebensolche Ausbildung und „diese Spezialisten sind rar“. Die konduktive Förderung verbindet Sprache, Bewegung und Rhythmus, sodass Kinder und junge Erwachsene mit unterschiedlichen Einschränkungen in ihrer motorischen, sprachlichen, geistigen und sozialen Entwicklung gefördert werden. Wichtige Hilfsmittel sind dabei das entsprechende Mobiliar und Spielzeug. Dies auch im Hinblick auf die Inklusion, die Kindern Möglichkeiten für eine Teilhabe am unterstützten Unterricht an Schulen ebnen soll. Die Spendenaufrufe bleiben nicht ganz ungehört, „wobei die Spenden immer auch projekt- oder sachbezogen sein müssen“, erläutert Rüegg. Der Verein „Mein Lichtblick“ hat ganz aktuell Therapiegeräte wie eine Balancewippe und einen Barfußpfad gestiftet. Unterstützung kommt jährlich mit einem großzügigen Betrag aus der Rheinberger Stiftung (Kronberg). Eine RMV-Aktion erbrachte 1.000 Euro. Im Rahmen einer Kampagne wurde für jede verkaufte Fahrkarte ein Punkt gezählt. Zuletzt waren es 1.000 Punkte, die am Ende dieses Ergebnis brachten. Vom „Rotary-Club“ kam eine Einzelspende in Höhe von 3.000 Euro, es kommen immer wieder private Spendengelder nach Festen oder besonderen Anlässen oder wie von „Mainova“, die für ein wesentliches Bewegungsgerät 5.000 Euro gespendet hat.„Wir haben immer einen großen Bedarf, weil über die Jahre immer wieder etwas anfällt, eine Reparatur oder eine Neuanschaffung“, so Rüegg weiter. Die vermehrten Hygiene-Vorschriften und deren Umsetzung hätten die Vereinskasse sehr strapaziert.

Viele Eltern gehen im Gedanken an die Zukunft ihrer Kinder bereits einen Schritt weiter. In Frankfurt hat sich mit der Initiative „Freunde für’s Leben“ ein Verein gegründet, der ein Wohnquartier plant, das auch für den Königsteiner Verein interessant sein könnte, zumal der Mietvertrag für die derzeitigen Räume im Jahr 2025 ausläuft. „Wir haben unser Interesse an diesem Projekt und gegebenenfalls an einer Zusammenarbeit signalisiert, inwieweit wir uns daran beteiligen können, muss erst in Gesprächen noch geklärt werden“, so Rüegg. Das Wohnquartier „Hilgenfeld“ sieht zwei Sechser-Wohngemeinschaften von Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen, eingebettet in eine Hausgemeinschaft aus Studierenden, jungen Familien und Senioren und Seniorinnen vor. „Wir wollen für unsere Kinder ein lebenslanges Lernen, keinen rapiden Abbau der Fähigkeiten, sobald das Elternhaus verlassen wird. Ein Erhalten der im Kinder- und Jugendalter oft mühsam erworbenen Alltagskompetenzen bedarf aber einer permanenten Förderung im Erwachsenenalter,“ so die Begründung des Vereins „Freunde für’s Leben“.

„Die konduktive Förderung nach Petö“ soll als fester Bestandteil in den Alltag der beiden Wohngemeinschaften integriert werden. Im Juni wird das 30-jährige Bestehen des Fördervereins der Kinderneurologie gefeiert, Gäste sind willkommen und eingeladen, die Praxis im Umgang mit den Therapiegeräten kennenzulernen. Dann wird mehr denn je deutlich, was der Kinderarzt Dr. Michael Rochel meinte: „Eltern vergessen nie die glücklichen Momente, als ihr gesundes Kind die ersten Schritte im Leben machte. Um wie viel mehr muss das Glück daher wiegen für diejenigen, die es erst durch monate- oder jahrelange Förderung und Therapie erleben.“

Wer dem Förderverein Kinderneurologie helfen möchte:

Förderverein Kinderneurologie Königstein

Deutsche Bank Königstein

IBAN: DE82 5007 0024 0477 7074 00

BIC: DEUTDEDBFRA

Mit gezielter Bewegungstherapie, wie hier bei Karl, können deuztliche Fortschritte erzielt werden. Fotos: Privat

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