„Mocca-Swing“ als Aufputschmittel gegen Regenblues

Musik mit Freunden als Leidenschaft und Hobby: David Gazarov (Piano), Mulo Francel (Saxophon und Klarinette), Sven Faller (Kontrabass) und Robert Kainar (Drums)
Foto: Sura

Kronberg (aks) – Statt Latte Machiato und anderen modischen Muntermachern servierte Mulo Francel mit seinen Freunden echten ursprünglichen „Mocca“, der am Montagabend die meisten Zuschauer aus ihrer Montagslethargie erweckte. „Mocca Swing“, so der Name des Quartetts mit Mulo Francel am Saxophon und an der Klarinette, David Gazarov am Piano, Sven Faller am Kontrabass und Robert Kainar an den Drums. Die vier sind ziemlich beste Freunde, „friends“ eben, in all ihren Improvisationen der selbst komponierten Stücke kongenial und mit Spaß verbunden. Was hier im relativ kleinen Raum der Villa Winter vor voll besetzten Stuhlreihen und unter den goldgerahmten Werken der Kronberger Malerkolonie des 19. Jahrhunderts an einem ganz normalen Montag passierte, war eine sinnliche Klangeruption vom Feinsten. Ein Glück für alle, die dabei waren und den Künstlern so nah sein konnten – die richtige Dosis Aufputschmittel für alle Sinne! Wie weggeblasen waren Regenblues und Novemberdepressionen. Füße wippten im temporeichen Takt, der den Musikern, vor allem der Atemtechnik Mulo Francels, einiges abverlangte. Zum Atemholen blieb kaum Zeit...

Voller Vorfreude auf ein Glas Wein in der „Liebe Zeit“, waren die Künstler bester Laune und steckten das Publikum mit Jazz-Improvisationen von Swing, Ragtime bis Salsa, Samba und Volkslied-Anklängen an. „Alles selbst komponiert!“ Für die brandneuen Kompositionen wurden Noten verteilt und das Licht im Museum ziemlich hell – „damit Sie sehen, dass wir auch Noten lesen können“. Uraufführungen also, wie „Blues in X-Moll – ohne Tonart“, die mit viel Applaus aufgenommen wurden. Einige heiß ersehnte Ohrwürmer von Quadro Nuevo waren auch dabei, die die vielen eingeschworenen Fans auf eine Reise weit weg von grauen Horizonten entführten. Mulo – so hat ihn die Oma aus Böhmen genannt – Francel, seit 30 Jahren Jazz-Musiker, ist selbst ständig unterwegs, er kennt keinen Stillstand. So tourt er nicht nur mit „Quadro Nuevo“, einem Quartett, das er 1996 mitgegründet hat und das am 1. Dezember in der Johanniskirche in Frankfurt-Bornheim um 15 und um 19 Uhr auftritt, sondern er hat noch Zeit für sein „Hobby“, wie er es selbst nennt: für „Mocca Swing“. Francel kann nicht ohne Musik und so erzählt er auch nach über 3.000 Konzerten mit ungebremster Leidenschaft von seinen Reisen – poetisch und fröhlich mit seinem Saxophon oder seiner Klarinette. Als Weltenbummler und Brückenbauer verbindet seine Musik Menschen mit Menschen und mit dem Abenteuer Musik. David Gazarov aus Armenien plauderte und plätscherte am Piano zum Traum des Ikarus, die Parabel Menschen, der aus seinem Schicksal ausbrechen will. Leider landet Ikarus, der trotz seiner Flügel leider doch nicht fliegen kann, im sonnenbeschienen Meer der Ägäis. Sinnlich untermalt von Francels wunderbarer Klarinette.

Bei „Mocca Swing“, einer Komposition „dem Weltkulturerbe Mocca gewidmet“, heizte Gazarov mit Ragtime-Variationen die Stimmung im Saal an. Bald war das Dezibel-Volumen einer Big-Band erreicht. Man meinte, die rauschhafte Verlockung des Tanzes auf dem Vulkan der Zwanziger-Jahre zu hören, auch dank des Bassisten Sven Faller, ein Zauberer auf seinem erhabenen Instrument. Die akustischen Gags des Drummers Robert Kainar, der sich auf Hals und Backen schlug, der zwitscherte und prustete und schräge Töne seinen Schlagzeug-Becken entlockte, amüsierten auch seriöse Jazz-Liebhaber. Beim „kubanischen Walzer“ dagegen fühlte man sich in den „Buena Vista Social Club“ in Havanna versetzt, ein turbulentes Ringelreihen zu heißen Salsa-Rhythmen. Wer jetzt noch fror, war selber schuld! Mulo Francel riet im Übrigen allen Senioren, nicht so früh ins Bett zu gehen, dafür sei doch das Leben zu kurz. Sein Publikum versteht seinen Humor, liebt ihn dafür und dankte es ihm mit herzlichem Lachen und frenetischem Applaus. Der „Flying Carpet“ begleitete dank orientalischer Sonnenenergie das aufgeputschte Publikum in das nasse Novemberwetter hinaus, das trotz der vielen Regenschirme lachte und strahlte – das Glas Wein wartete ja auch noch.



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