Offener Brief

Eine Gruppe von fast 30 Bürgern hat sich unter Federführung von Berthold Hackl aus der Ludwig-Sauer-Straße zusammengetan und zur Entwicklung der Bahnhofsinfrastruktur in Kronberg in einem offenen Brief Stellung bezogen. Der Brief geht an den Schönberger und Kronberger Ortsbeirat und wurde den Fraktionsvorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung zugesandt: Sehr geehrte Mandatsträger und Mandatsträgerinnen, die Beschlussvorlage des Magistrats zum Bau eines Parkhauses an der S-Bahn Kronberg Süd veranlasst uns, auf erhebliche Mängel dieses Vorschlags hinzuweisen und Sie dringend zu bitten, von einer Befürwortung abzusehen: Die R+T-Studie ermittelte an einem Werktag eine Belegung der Parkplätze am Bahnhof mit 215 Fahrzeugen (bei 246 Plätzen). Die Stadtverwaltung will nun das P&R-Angebot fast vollständig in ein neu zu bauendes Parkhaus bei Kronberg Süd verlegen und nur 40 öffentliche Plätze (kein P&R!, Preise?) am Bahnhof Kronberg belassen. Die Studie fand an einem einzigen Tag, dem 14. März 2017, statt, mit Befragungen zwischen 4.15 und 10.15 Uhr (wobei ein einziger Tag sicher keine statistische Verlässlichkeit bietet). Und zur Verkehrsuntersuchung vom August 2019 stellt sich die Frage, ob die unterstellte 0,5 Prozent Verkehrssteigerung pro Jahr die zukünftige Struktur am Bahnhof Kronberg mit Hotel, Konzertsaal, Kronberg Academy, Schillergärten, weiterer Wohnbebauung widerspiegelt, insbesondere im Hinblick auf die bereits überlasteten Knotenpunkte Sodener Stock und Am Schanzenfeld.

Wir gehen von einem höheren und weiter steigenden P&R-Bedarf aus, und zwar aus folgenden Gründen:

• Das regionale Einwohnerwachstum schafft mehr Nachfrage nach einem attraktiven P&R-Angebot am Endpunkt Kronberg und ruft nach einer Aufwertung des Bahnhofs Kronberg.

• Generell wird die relative Attraktivität des ÖPNV zunehmen, spätestens mit dem 15-Minuten-Takt, und die P&R-Nachfrage weiter steigern.

• Dazu kommt der Konzertsaal, dessen Tiefgarage nur 75 Prozent der satzungsmäßig vorgeschriebenen Stellplätze enthält (es ist illusorisch, dass sich darüber hinaus Besucher ins Parkhaus Berliner Platz zwingen lassen).

• Die kulturelle und gastronomische Nutzung des alten Bahnhofsgebäudes ist ohne Parkplätze unrealistisch. Dieser Bedarf allein wird schon die Hälfte der überlebenden 40 Plätze am Bahnhof beanspruchen.

Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wie diese Nachfrage am Bahnhof Süd befriedigt werden soll:

• 75 Prozent der Bahnhofsparker kommen aus Kronberg, Schönberg und Königstein. Diese müssten erheblichen Mehraufwand in Kauf nehmen, um nach Süd zu gelangen, z.B. sich durch den neuralgischen Punkt Sodener Stock kämpfen, um dann des Öfteren vor einer Bahnschranke wartend die S-Bahn zu verpassen. Nur für Oberhöchstadt ergäbe sich ein Vorteil, aber diese Einwohner nutzen ja heute schon Kronberg Süd (40 Prozent des dortigen P&R-Volumens, aber nur 4 Prozent des P&R-Volumens am Bahnhof).

• Es ist unstrittig, dass Sodener Stock und Am Schanzenfeld „keine Leistungsfähigkeit“ mehr aufweisen. Nun wird Abhilfe durch geänderte Ampelschaltungen avisiert. Diese Analyse ist jedoch fragwürdig, siehe oben. Und es mag ja sein, dass 200-300 umgeleitete Parker die Situation nicht wesentlich verschlimmern, aber für jeden einzelnen umgeleiteten P&R-Nutzer stellt sich der Extra-Aufwand trotzdem als Akzeptanzhürde dar. Jeder, der morgens versucht, aus Kronberg herauszukommen, weiß ein Lied davon zu singen. Warum sollen P&R- Nutzer sich auf eine Lotterie einlassen, ob sie morgens ihre S-Bahn erwischen, oder ungebührlich mehr Zeit einplanen?

• Theoretisch könnte man den Verkehr stattdessen durch die Freiherr-vom-Stein-Straße leiten (oder Schleichwegverhalten unterstellen), ein reines Wohngebiet mit Kindergarten auf der Strecke. Das kann ja nicht ernsthaft angestrebt werden. Außerdem wäre es für die P&R-Nutzer immer noch ein logistischer Mehraufwand.

• Der originäre neue Bedarf am Bahnhof (Gastronomie; Konzertsaal), der garantiert über 20 Plätzen liegen wird, ist am Bahnhof Süd sicher nicht abzudecken.

• Und warum sollen 300 Plätze ausreichend sein, von denen 150 auf Firmenparkplätze entfallen, wenn wir mehr als 200 Nutzer am Bahnhof haben?

• Das Parkhaus befindet sich jenseits der Bahnschranke – offenbar ist keine Pkw-Unter- oder Überführung geplant. Dies allein wird die angestrebte Nutzung extrem einschränken, siehe oben.

Es gibt also eine Vielzahl von Hürden, die einem „Umleiten“ der Bahnhofsparker nach Süd diametral entgegenstehen. Was wird also passieren, wenn das Parkhaus realisiert wird?

Die Erfahrung aus den angrenzenden Vierteln lehrt, dass die P&R-Nutzer schlicht und einfach diese Wohngebiete zuparken werden. Schon jetzt ist der Reisende, der die Gebühren sparen will, sein Auto in diesen Gebieten parkt und mit Rollkoffer von dannen zieht, ein tägliches Phänomen. Wenn es am Bahnhof nur noch 40 Plätze geben wird, werden die P&R-Nutzer den Stress und die Unsicherheit eines Anfahrens des Parkhauses Süd gar nicht erst auf sich nehmen, sondern gleich die Bahnhofsumgebung belegen.

Ein weiteres sehr gewichtiges Argument besteht darin, dass am Bahnhofsgelände bereits der ideale Parkstandort besteht, der leichter und von beiden Seiten der Schiene ohne Übergang anfahrbar ist, hingegen an Süd eine neue Fläche versiegelt und mit einem großvolumigen Gebäude belegt werden müsste. Auch in Kronberg ist der Klimawandel angekommen und wir sollten Versiegelung und Abholzung soweit wie möglich vermeiden. Die weitere Bebauung der Bahnhofsachse inkl. Süd muss dem Rechnung tragen, nachdem in den letzten Jahren in Kronberg ein gegensätzlicher Trend zu beobachten war. Dazu gehört auch, dass wir den öffentlichen Nahverkehr immer attraktiver machen sollten – die Verlegung des P&R nach Süd geht aber leider in die entgegengesetzte Richtung und wird eher zu sinkenden Fahrgastzahlen führen. 40% der S-Bahn-Kunden kamen per Pkw zum Bahnhof Kronberg! In jedem Fall würde die Attraktivität des Bahnhofs Kronberg weiter abnehmen – ca. 150 P&R-Nutzer sind bereits verloren gegangen. Es kann nicht im Sinne der Belebung des Bahnhofsareals und vor allem des Bahnhofsgebäudes sein, wenn Frequenz nach Kronberg-Süd verlagert wird. Wir verstehen auch nicht, warum angesichts der Auswirkungen dieses Vorschlags der Ortsbeirat Schönberg nicht eingebunden werden soll. Wie eingangs bereits erwähnt, sollte diese Investition auch nicht auf die zu konservativen Annahmen bzgl. des Pkw-Verkehrs an den Knotenpunkten gestützt werden. Last but not least geht es um eine erhebliche Investition von 4,2 Millionen Euro, die mit einer sehr optimistischen Wirtschaftlichkeitsberechnung unterlegt wird. Bei mangelnder Akzeptanz seitens der P&R-Nutzer – wegen schlechter Zugänglichkeit und drastisch erhöhter Gebühren – droht daraus ein wirtschaftliches Desaster zu werden.



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