Kronberg (pu) – Vor ein paar Tagen organisierten etwa 40 bis 50 Bewohnerinnen und Bewohner der Burgerstraße und umgebender Nachbarschaft ein spontanes Fest. Keines der üblichen Straßenfeste, die allem voran dem Kennenlernen und Knüpfen neuer Freundschaften dienen. Vielmehr stand der Abschied von einem Wahl-Eschborner im Mittelpunkt des Geschehens, der seine berufliche Tätigkeit in Kronberg mit derart viel Herz, menschlicher Wärme und Zuverlässigkeit ausgeübt hatte, dass viele ihn längst als einen der ihren betrachten.
Umso schwerer fiel nun der Abschied von Postbote Stephan Hensel, der nach über vier Jahrzehnten in seinem geliebten Beruf zum 1. Juli in den wohlverdienten Ruhestand gewechselt ist. Zum Lebewohl gab es nicht nur Speis und Trank, fröhlichen Gesprächsaustausch, Lieder und Gedichte, sondern dieses Mal wurde der Spieß umgedreht: Post für den Zusteller. In diesem Fall ein Großbrief mit besonderem Inhalt. Viele kleine Briefe mit persönlichen, warmherzigen Worten der Anerkennung und des Dankes und dem Tenor: „Wir werden Ihre Menschlichkeit und die Gespräche mit Ihnen vermissen!“
Eine Anwohnerin der Hartmuthstraße beschreibt Hensel als Postboten „vom alten Schlag“. „Das heißt, er kennt seine Kunden, hat immer ein freundliches Wort parat und nimmt sich auch mal Zeit für ein Schwätzchen. Also ein Postbote, wie es ihn in Zukunft nicht mehr geben wird, aus Personalgründen und Zeitmangel. Dazu legt er jeden Tag eine Strecke von circa 17 Kilometern mit einem gut 20 Kilogramm schweren Rollwagen zurück. Das heißt, in der Woche 85 Kilometer, im Jahr 4.420 Kilometer. In sechs Jahren einmal um die Welt!“
Exakt 763 Haushalte hat Stephan Hensel 22 Jahre lang fest betreut. Sein Postbezirk umfasste die Burnitzstraße, Dielmannstraße, Schreyerstraße, Hartmuthstraße, Heinrich-Winter-Straße, Berliner Platz, Wilhelm-Bonn-Straße, Rumpfstraße, Geschwister-Scholl-Straße, Ferdinand-Brütt-Weg, Philipp-Franck-Weg, Ludwig-Christ-Straße, Burgerstraße und Kinsleystraße.
Weil es für den gebürtigen Frankfurter Bub (Bockenheim) wider seine Natur gewesen wäre, ohne Blick für Zusammenhänge die Post zuzustellen, beherrschte er seinen Bezirk „aus dem Effeff“. Da war es beispielsweise Selbstverständlichkeit, dass die Arztpost am Wochenende den Weg in den privaten Briefkasten fand. Das Aufwachsen von Kindern hat er ebenso mitverfolgt wie Neuzugezogene begrüßt, an persönlichen Schicksalen Anteil genommen, im Trauerfall Trost gespendet und den Wandel hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur und in der Gesellschaft miterlebt.
„Es hat sich schon vieles verändert“, konstatiert der Postmann. Beim Blick zurück erinnert er sich schmunzelnd an Zeiten, als das Postwesen noch familiärer und menschlicher war, er noch die Rente mit austeilte und deshalb „viel Geld dabeihatte“, das Postamt noch in der heutigen Stadtbücherei in der Hainstraße angesiedelt war und der deutsche Postminister Hans Matthöfer dort einen Besuch abstattete.
Beim Ausflug in die Vergangenheit ist das Werfen des Scheinwerferlichts auf die Berufsanfänge mehr als naheliegend. Dabei ist bemerkenswert, dass das Thema Post im Hensel‘schen Elternhaus zum Alltag gehörte, weil der Vater in diesem Bereich arbeitete. Allerdings in anderer Funktion. Weil der Sohnemann seinem großen Bewegungsdrang an frischer Luft und dem Wunsch, mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen, Rechnung tragen wollte, begann er 1977 die Ausbildung als Briefträger in Königstein. Zu seinen Ausbildern zählte unter anderem Armin Nase, der lange Jahre in Mammolshain aktiv war und dort ebenfalls Maßstäbe in Sachen Herzlichkeit, Menschlichkeit und Zuverlässigkeit setzte. Im Laufe der Lehrzeit durchlief Stephan Hensel mehrere Stationen, schnupperte beispielsweise im großen Posthaus am Bahnhof Warenpost Frankfurt (Katakomben) und in Höchst hinein. Mangels Bedarf an Zustellern, wurde der neue Kollege zunächst als Springer in Kronberg, Oberhöchstadt und Schönberg eingesetzt, bis er schließlich seinen eigenen festen Bezirk erhielt.
Und dort wäre der 62-Jährige weiterhin im Einsatz, wenn die Gesundheit mitspielen würden. „Ich will noch etwas vom Leben haben“, nennt er als ausschlaggebenden Grund für den vorzeitigen Abschied in den Ruhestand. Ganz oben auf der Agenda in puncto künftiger Vorhaben stehen Ahnenforschung, Reisen und Musikhören.
Den Kontakt zu Kronberg will er mitnichten abreißen lassen nach dem emotionalen Abschied, für den Kollegen und Bürgerschaft verantwortlich zeichneten. Die in Worten, Gesten und Geschenken zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung hat Stephan Hensel „tief berührt“! Aus diesem Grund nutzt er an dieser Stelle die Gelegenheit für ein herzliches „Dankeschön an alle!“.
Postbote Stephan Hensel freute sich über ein spontanes Fest. Fotos: Puck