„(S)Türmisches“

„Ich würde Ihnen gerne meine Briefmarkensammlung zeigen...“, diese, selbstverständlich rein anzüglich gemeinte und in der Regel an eine Dame gerichtete Offerte würde heutzutage auf blankes Unverständnis treffen und sicherlich nicht das anvisierte Ziel auf ein Schäferstündchen erreichen...

Wer interessiert sich denn heute noch für Postwertzeichen? Im Gegenteil, man ärgert sich in der Regel über sie, weil sie nämlich gefühlt jedes Jahr teurer werden. Da kann natürlich die arme Briefmarke nichts dafür, deren Niedergang vom begehrten Sammlerstück – man denke an die berühmte, selbst Komplett-Laien wie mir bekannte, Blaue Mauritius, von der es übrigens auch eine rote gab und von denen am 21. September 1847 je 500 Stück ausgegeben wurden – zum reinen Gebrauchsgegenstand möglicherweise auch etwas mit ihrem oft zweifelhaften Erscheinungsbild zu tun hat.

Wer folgerichtig denkt, die Gestaltung unserer Briefmarken erfolge willkürlich und obläge der Post, der irrt gründlich!

Ganz im Gegenteil unterliegt die Auswahl der Motive einem höchst komplexen politischen Prozess, welchen sich Exekutive und Legislative in einem für unser Land typischen, bin ins Detail geregelten Verfahren teilen. Als da wären ein Programmbeirat, in den der Bundestag vier gewählte (!!) Vertreter nebst Stellvertretern entsendet, um das für die Ausgabe von Briefmarken zuständige Finanzministerium bei der Themenauswahl zu unterstützen. Letzteres hat ein eigenes Referat namens „LB5 Postwertzeichen“, wo acht Arbeitskräfte die jährlich etwa 500 Motivvorschläge aus der Bevölkerung bearbeiten.

Sobald die Programmbeiräte die Inhalte gewählt haben, wird der Briefmarken-Kunstbeirat, dem rund 100 Grafiker zur Verfügung stehen, mit seiner grafischen Expertise tätig.

Dieses Jahr einigten sich die politischen Sachverständigen auf Sepp Herberger, Benjamin Blümchen, den Dachs sowie auf die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel – eine wirklich bemerkenswerte Bandbreite, die in ihrer inhaltlichen Zusammenhangslosigkeit an Absurdität kaum zu überbieten ist.

Dass es für diese geniale „Auswahl“ eines Gremiums aus Bundestags-Mitgliedern bedarf, lässt uns an der Zusammensetzung dieser Institution zweifeln und das nicht zum ersten Mal...

Kosten tut uns Steuerzahler diese Kapriole eine satte Million, ungeachtet der Personalkosten des Finanzministeriums. Das ist natürlich im Verhältnis zum Bundeshaushalt und seinen vom Bundesrechnungshof jährlich „prämierten“ komplett sinnlosen Steuergeld-Investitionen nur marginal, aber dennoch nicht nichts.

Jeder Schüler-Wettbewerb brächte kreativere Ergebnisse als dieses traurige Häuflein von Abgeordneten und wäre glücklich über ein überschaubares Preisgeld, um es in dringend nötiges Schul-Equipment zu investieren.

Man stelle sich vor, dass in 100 Jahren Postwertzeichen, sofern es sie überhaupt noch gibt, mit dem Konterfei von Sepp Herberger oder dem nervig-trötenden Elefanten Benjamin mit Sammler-Spitzenpreisen um eine Million gehandelt werden.



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