„(S)Türmisches“

Das bestandene Abitur war natürlich auch früher, also so vor 40 Jahren, ein erfreuliches Ereignis, das gefeiert wurde. Allerdings in Maßen. Es gab weder Abi-Autoaufkleber mit der jeweiligen Jahreszahl noch aus dem Ruder laufende Massenbesäufnisse oder ausufernde Abistreiche, die mit dem Einsatz von Krankenwagen endeten... Ich kann mich erinnern, dass wir damals den Teppich der AKS mit Kressesamen bestückten, die Dank des dort stets feuchten Klimas prächtig gediehen und außerdem eine sehr gelungene Abizeitung fabrizierten, die ich heute noch gerne lese. Es kann auch sein, dass wir die Schule mit Klopapier eingewickelt haben...? Ja, ein bisschen feiern auf dem Berliner Platz, und das war es auch schon, wobei ich nicht ausschließen will, dass mein Langzeitgedächtnis mittlerweile etwas zu wünschen übrig lässt und die eine oder andere Verfehlung möglicherweise dem Nirwana des Vergessens anheimgefallen ist. Kurzum, es war nicht so ein Riesending wie heute. Heute? In diesen Zeiten der Pandemie fiel jegliches Feiern ganz unter den Tisch und die bedauernswerten Schüler und Schülerinnen konnten zuhause im stillen Kämmerlein im Kreise ihrer Lieben auf sich selbst anstoßen, was sicher manchem Rektor nicht ganz ungelegen kam...

Und wie es danach weitergeht, steht bei den meisten auch noch in den Sternen angesichts von Corona. Wird mein erstes Semester stattfinden und, wenn ja, wie? Wie finanziere ich mein Studium angesichts des Kneipensterbens? Kann ich meinen Ausbildungsplatz, so ich einen habe, antreten?

Ein Trauerspiel ohnegleichen. Das dachte sich auch unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und stampfte für die 1,9 Millionen Schulabgänger, die gerade an deutschen Gymnasien, Gesamtschulen, Berufsschulen und Haupt- und Realschulen ihren Abschluss gemacht haben, eine virtuelle Abschiedsfeier aus dem Boden! Es sei ihm, so ist aus seinem Hause zu hören, ein Anliegen, den nunmehr ehemaligen Schülerinnen und Schülern „ein Trostpflaster auf diese Enttäuschung zu kleben“.

Gesagt, getan. Seit dem 15. Juli steht die Online-Kampagne. „Digitale Abschlussfeier 2020“ nebst einem Hashtag sowie einer Internetseite im Netz. Natürlich handelt es sich dabei nicht um einen Soloauftritt unseres Staatsoberhaupts, das wäre bei aller Sympathie doch etwas dröge, nein, es haben sich 74 Prominente bereitgefunden diese ungewöhnliche Abschlussfeier mit ihren Video-Botschaften zu bereichern. Ein halbes Team aus ehemaligen Fußball-Nationalspielern, Schauspieler Daniel Brühl, die Band Silbermond und die Sängerin Vanessa Mai sind ebenso mit von der Partie wie auch Leute, die wirklich jedes Schulkind kennt: Rezo und Luisa Neubauer. Fröhlich verwackelt und damit erfrischend unprofessionell kommen die spontanen Botschaften rüber und verzichten erfreulicherweise auch auf nerviges Vorbildgeschafel.

Sogar Veteranen des Showgeschäfts wie Thomas Gottschalk und Frank Elstner machen mit bei diesem Spektakel, wobei fraglich ist, ob die von den Youngsters nicht erst einmal gegoogelt werden müssen...

Nichtsdestotrotz ist diese Initiative unseres Bundespräsidenten höchst lobenswert und erfrischend unkonventionell!

Darüber freut sich



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