„Die Traurigkeit der Menschen nehmen wir mit nach Hause“

Kronberg (cz) – Wer dieser Tage über die Einschränkungen, die Corona für jeden verursacht, lamentiert, der klagt auf hohem Niveau.

Wenn Anja Schreher und Elke Reinhardt, seit elf Jahren als Pflege-Fachkräfte bei der Ökumenischen Diakoniestation Kronberg/Steinbach tätig, aus ihrem Alltag erzählen, erscheinen die eigenen Befindlichkeiten eher banal.

Schon in „normalen“ Zeiten fordert der Arbeitstag einer Pflegekraft viel Empathie, Geduld, Hingabe und Zeit, um den Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden. Mit letzteren „haushalten“, damit jeder zu seinem Recht kommt, ist stets ein schmaler Grat – und jetzt erst recht.

Gehören doch zu einer sogenannten Grundversorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Gesundheitszustandes der Menschen unter anderem Dinge wie Körperpflege, Rasieren, Anziehen, Kämmen, Haarewaschen, Kompressionsstrümpfe anziehen plus Medikamentenversorgung, kann man sich vorstellen, dass Gespräche oder einmal „In den Arm nehmen“ zwangsläufig zu kurz kommen.

„Viele unserer Patienten sind verunsichert durch die Pandemie, machen sich Sorgen um die Existenzen ihrer Kinder und Enkel – sie alle haben den Krieg und die Inflation erlebt, das kommt jetzt wieder hoch“, berichtet Anja Schreher. Erschwerend hinzu kommt, dass sich wegen der Ansteckungsgefahr die Besuche, sei es aus der Familie oder auch die Ehrenamtlicher, stark reduziert haben. Das bedeutet für die Pflegekräfte eine zusätzliche Belastung. Sie müssen die Menschen irgendwie auffangen, ihnen Mut zusprechen, wenn sie am Verzweifeln sind. Vor Weihnachten bemalten sie deshalb kleine Steine mit Schutzengelchen, Tieren oder einem Regenbogen als Mutmacher und kleine Aufheller für die oft einsamen Feiertage.

Eine besondere Herausforderung bedeuten die Menschen mit Demenz, die oft nicht begreifen können, was plötzlich los ist, warum alle mit Masken herumlaufen und sie so isoliert sind.

„Viele hören nicht mehr so gut und können uns kaum verstehen hinter unserer Maske“, so Elke Reinhardt. Ein wichtiger Baustein der menschlichen Kommunikation sei durch das Maskentragen verloren gegangen, alles laufe jetzt über den Augenkontakt. Mit wem können die Pflegekräfte sich eigentlich austauschen und mal ihre Sorgen und ihre Erschöpfung teilen?

„Wir sind schon seit Jahren ein eingespieltes Team und unterstützen uns gegenseitig, das gibt uns Kraft. In diesen Ausnahmezeiten springen auch immer wieder unsere Chefin nebst Ehemann ein, damit Kollegen mal frei haben. Das ist wirklich ganz toll“, so Anja Schreher. Bis jetzt gab es zum Glück keinen Corona-Fall im Team, das sich jede Woche einem Test unterziehen muss. Aber natürlich, so Anja Schreher, sei man sehr wachsam und begebe sich möglichst nicht in größere Menschenansammlungen.

Die bevorstehende Impfung wird hoffentlich den Druck etwas rausnehmen, Besuche wieder möglich machen und allen Beteiligten die Ängste nehmen, selbst an diesem Virus zu erkranken. Doch der Einsatz von Anja Schreher, Elke Reinhardt und all ihren Kollegen wird weiterhin ihre ganze Kraft und Hingabe fordern, auch ohne Corona. Ein Dienst am Menschen, dem man gar nicht genug Respekt zollen kann.



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